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Große Stimmen
Joyce DiDonato

"Stella di Napoli"

Orchestre de l'Opéra National de Lyon
Dirigent: Riccardo Minasi

Aufführungsdauer: ca. 2h 20' (eine Pause)

Montag, 29. September 2014, 20.00 Uhr
Alfried Krupp Saal in der Philharmonie Essen

 



Philharmonie Essen
(Homepage)

Glanzlichter des Belcanto

Von Thomas Molke / Fotos von Sven Lorenz

Nachdem Joyce DiDonato bereits im Februar 2013 mit ihrem Programm "Drama Queens" die Philharmonie zum Toben gebracht hat, ist die Gewinnerin des Grammy Awards 2012 nun erneut in der Philharmonie zu Gast und präsentiert an dem Ort, an dem sie 2010 mit dem Echo Klassik ausgezeichnet worden ist, ihr neues Programm. Dabei besticht sie erneut mit ihrer charmanten und natürlichen Art, mit der sie dem Publikum kurz vor der Zugabe ihr Anliegen vorträgt, dass sie von den größtenteils düsteren Nachrichten der Welt ablenken und mit der Musik an die Menschlichkeit appellieren wolle. Das dürfte ihr in diesen knapp zweieinhalb Stunden durchaus gelungen sein, da ihr makelloser Gesang und die ausgewählten Musiknummern die Sorgen des Alltags vergessen lässt und das Publikum so in den Bann zieht, dass trotz einer grassierenden Erkältungswelle bei DiDonatos Vortrag absolute Stille im Saal herrscht.

Der Titel des neuen Programms, "Stella di Napoli", ist dabei in doppelter Hinsicht zu verstehen. Zum einen ist es der Titel einer Oper von Giovanni Pacini, die am 11. Dezember 1845 in Neapel uraufgeführt wurde und mit der DiDonato den Abend beginnt. Zum anderen spielt sie auf die zahlreichen "Sterne" des neapolitanischen Musiklebens an, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Neapel zu einem Zentrum des Opernlebens aufblühen ließen (auch wenn dafür natürlich der korrekte Begriff "Stelle" wäre). DiDonato hat für diese Glanzlichter des Belcanto einerseits auf vergessene Werke von heute noch bekannten Komponisten wie Rossini, Bellini und Donizetti zurückgegriffen, andererseits aber auch Auszüge aus Opern ausgewählt, bei denen der Komponist ebenso wie das Werk den meisten Besuchern unbekannt sein dürfte.

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Joyce DiDonato mit den Musikern des Orchestre de l'Opéra National de Lyon vor der Pause

Den Anfang macht dabei die Kabaletta der Stella aus Pacinis Oper Stella di Napoli "Ove t'aggiri o barbaro", in der die Titelfigur hofft, vor ihrem Tod noch einmal ihren Geliebten wiedersehen zu können, für den sie sich geopfert hat und der sich nun aber sehr grausam zu verhalten scheint. Musikalisch erinnert der Auszug an den frühen Verdi. Direkt beim ersten Auftritt schwebt DiDonato mit absolut beweglicher Stimme durch die Wahnsinnsläufe der Kabaletta und lässt die Verzweiflung der Titelfigur mit ihrer eindringlichen Interpretation regelrecht spürbar werden. Mit dem gleichen Komponisten beendet DiDonato auch den Abend und präsentiert die Schlussszene der Saffo aus der gleichnamigen Oper, in der sie sich von ihrem Geliebten Faone lossagt und ins Meer stürzt. Musikalisch erinnert der Anfang an eine Tiroler Weise, die relativ friedlich daherkommt, bis sich Saffo zur anschwellenden Musik, die scheinbar das Toben des Meers beschreibt, am Ende in die Fluten stürzt. DiDonato begeistert hierbei mit großer Dramatik und sauber angesetzten Höhen.

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Joyce DiDonato mit Riccardo Minasi und Musikern des Orchestre de l'Opéra National de Lyon bei der Zugabe am Ende des Abends

Ebenso unbekannt dürften Michele Carafa und Saverio Mercadante sein, wobei die beiden präsentierten Werke heute von anderen Komponisten durchaus noch im Opernrepertoire zu finden sind. Carafa hat auf die gleiche Vorlage von Sir Walter Scott wie Gaetano Donizetti eine Oper auf Lucia di Lammermoor komponiert, wobei er sein Stück allerdings Le nozze di Lammermoor nannte. Die Arie "Oh di sorte crudel" erinnert musikalisch an die große Wahnsinnsarie aus Donizettis gleichnamiger Oper. DiDonato findet auch hier für das Leiden der Titelheldin eine eindringliche Interpretation. Bei Saverio Mercadante haben in den letzten Jahren vor allem das Stadttheater Gießen, Rossini in Wildbad und die Salzburger Pfingstfestspiele Versuche unternommen, diesen Komponisten dem Vergessen zu entreißen. Wie Gaspare Spontini hat auch er eine Oper mit dem Titel La vestale komponiert, aus der DiDonato das Gebet der Vestalin Giunia "Se fino al cielo ascende" präsentiert.

Die gewählten Auszüge von Rossini, Bellini und Donizetti stammen aus eher unbekannten Werken. Adelson e Salvini ist Bellinis Opernerstling, den er im Alter von 23 Jahren für das Konservatorium in Neapel komponierte. Im Publikum soll hierbei Donizetti gesessen haben, der sich, so DiDonato, sicherlich von dieser Musik für seine späteren Werke habe inspirieren lassen. Die Wahnsinns-Arie der Nelly "Dopo l'oscuro nembo" lässt schon erkennen, was Bellini in späteren Opern wie La sonnambula und La straniera perfektioniert hat. DiDonato verleiht der Nelly mit geschmeidigen Bögen eine Melancholie, die unter die Haut geht. Gleiches gilt auch für die Arie der Amelia aus Donizettis heute ebenfalls vergessenen Oper Elisabetta al castello di Kenilworth. Mit Rossini wendet sich DiDonato dann eher fröhlichen Momenten zu. Die Schlussszene aus Zelmira "Riedi al soglio", in der die Titelheldin sich freut, dass ihr Vater auf den Thron zurückkehren kann, ist ein nahezu klassisches Rossini-Finale, in dem DiDonato mit halsbrecherischen sauberen Koloraturen und schnellen Läufen punktet.

Das Orchestre de l'Opéra National de Lyon beweist sich unter der Leitung von Riccardo Minasi nicht nur als kongenialer Begleiter bei den Arien, sondern präsentiert auch zwischen den Arien einzelne Orchesternummern, die wesentlich bekannter als die vorgestellte Arien sein dürften. Auch wenn die Eröffnungsnummer als Sinfonia aus Rossinis Oper Elisabetta, Regina d'Inghilterra ausgewiesen wird, dürfte jeder im Saal darin die Ouvertüre aus Il barbiere di Siviglia erkannt haben. Rossini hatte diese Sinfonia nicht nur vor dem Barbier in Elisabetta, sondern auch bereits in Aureliano in Palmira verwendet. Minasi baut im Dirigat einige ungewöhnliche Tempi ein, die damit durchaus ein neues Klangerlebnis vermitteln. Als Zugabe präsentiert DiDonato die Schlussszene aus Rossinis La donna del lago "Tanti affetti in tal momento" und zelebriert die zahlreichen Verzierungen der Titelfigur Elena mit halsbrecherischen Koloraturen, so dass das Publikum mit stehenden Ovationen am Ende so großen Beifall spendet, dass DiDonato den Schluss dieses Rondos noch einmal als zweite Zugabe geben muss, bevor sich das Publikum schweren Herzens von ihr verabschiedet.


FAZIT

Joyce DiDonato weiß einmal mehr, ihr Publikum in der Philharmonie in den Bann zu ziehen. Wer diese Ausnahmekünstlerin live verpasst hat, kann sich ein Bild von diesem Abend auf der bei ERATO erschienen CD machen.



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Ausführende

Joyce DiDonato, Mezzosopran

Orchestre de l'Opéra National de Lyon

Riccardo Minasi, Musikalische Leitung


Werke

Gioacchino Rossini
Sinfonie aus Elisabetta, Regina d'Inghilterra

Giovanni Pacini
"Ove t'aggiri o barbaro"
Kabaletta der Stella aus Stella di Napoli

Vincenzo Bellini
"Dopo l'oscuro nembo"
Arie der Nelly aus Adelson e Salvini

Gioacchino Rossini
Ballabile III aus Le siège de Corinthe

Michele Carafa
"L'amica ancor non torna... Oh di sorte crudel"
Rezitativ und Arie der Lucia
aus Le nozze di Lammermoor

Gioachino Rossini
"Riedi al soglio"
Schlussszene aus Zelmira

Vincenzo Bellini
Sinfonia aus Norma

Saverio Mercadante
"Se fine al cielo ascende"
Gebet der Giunia aus La vestale

Giuseppe Verdi
Sinfonia aus Alzira

Gaetano Donizetti
"Par che mi dicar ancor"
Arie der Amelia aus
Elisabetta al castello del Kenilworth

Giovanni Pacini
Schlussszene aus Saffo 


Weitere Informationen
erhalten Sie von der

Philharmonie Essen
(Homepage)



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