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A Quiet Place


Oper in drei Akten
Libretto von Stephen Wadsworth
Musik von Leonard Bernstein, Kammerfassung von Garth Edwin Sunderland

in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1h 35' (keine Pause)

Konzertante Aufführung am Dienstag, 28. April 2015, 20.00 Uhr
Großer Saal im Konzerthaus Dortmund

 

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Konzerthaus Dortmund (Homepage)

Zerrüttete Familienverhältnisse

Von Thomas Molke / Fotos von Pascal Amos Rest

Zeit seines Lebens war es Leonard Bernsteins Wunsch, eine amerikanische Oper zu schreiben, die es mit dem riesigen Erfolg seines Broadway-Hits West Side Story aufnehmen könnte. Bereits in den Jahren 1951 und 1952 versuchte er mit seinem Einakter Trouble in Tahiti, einer bissigen Satire über Sam und Dinah, einem amerikanischen Durchschnitts-Ehepaar aus der Mittelschicht, dem Image des "seichten" Musical-Komponisten, das er sich mit erfolgreichen Werken wie On the Town bis dahin erworben hatte, zu entkommen. Doch auch wenn das Stück die scheinbar perfekte Welt der amerikanischen Mittelschicht trefflich karikierte, verschwand es relativ schnell von der Opernbühne, und Bernstein widmete sich voll und ganz dem Broadway. Erst zu Beginn der 80er Jahre griff er seinen Plan einer amerikanischen Oper wieder auf und schuf seine erste abendfüllende Oper, die die Geschichte von Sam und Dinah aus Trouble in Tahiti fortsetzte. Als der Uraufführung des Werkes 1983 an der Houston Grand Opera ebenfalls kein großer Erfolg beschieden war, arbeitete Bernstein das Werk um und brachte ein Jahr später in Mailand eine revidierte Fassung heraus, in der große Teile von Trouble in Tahiti  als Rückblenden in den zweiten Akt eingebaut wurden. Doch auch eine weitere Überarbeitung für eine Aufführung in Wien drei Jahre später konnte der Oper nicht den Weg ins Repertoire ebnen. 2012 gab Kent Nagano nun bei Garth Edwin Sunderland, dem Music Editor des Leonard Bernstein Office, eine Kammerfassung in Auftrag, die er 2013 im Konzerthaus Berlin mit dem Ensemble Modern erstmalig präsentierte. Mit dieser Fassung tourt Nagano nun durch Europas Konzertsäle und macht auf diesem Weg auch Halt im Dortmunder Konzerthaus.

Die Geschichte startet mit Dinahs Beerdigung. Nachdem sie bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist, versammeln sich ihre Freunde und Verwandten zur Trauerfeier. Nach langer Zeit kehren auch erstmals Dinahs Kinder Dede und Junior nach Hause zurück. Dede lebt mittlerweile mit ihrem Mann François in Quebec zusammen mit ihrem Bruder Junior, von dem es heißt, dass er ein Verhältnis mit Dedes Ehemann hat. Als Junior dann erst hereinplatzt, nachdem die Trauerfeier begonnen hat, kommt es direkt zu einem Streit mit seinem Vater Sam, bei dem alte Wunden wieder aufbrechen. Nach und nach kommen Wahrheiten ans Licht, die vermuten lassen, dass es sich bei Dinahs Unfall um einen Selbstmord gehandelt haben könnte. Während Dede am Abend mit ihrem Vater die Sachen ihrer Mutter durchgeht und dabei gemeinsam mit ihm in alten Erinnerungen schwelgt, sucht Junior erneut die Nähe zu François und konfrontiert ihn damit, dass er ein inzestuöses Verhältnis zu seiner Schwester gehabt habe. François weist Junior zurück. Zwischen Sam und Junior kommt es erneut zum Eklat, und die Kinder beschuldigen ihren Vater, am Selbstmord ihrer Mutter eine Mitschuld zu tragen. Am nächsten Morgen kommt es dann scheinbar doch noch zu einer Aussöhnung der Familie. Dede und Junior schwelgen in Kindheitserinnerungen, und Junior und Sam unternehmen einen Versuch, das Kriegsbeil zu begraben. Ob diese neue Harmonie von Dauer sein wird, bleibt offen.

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Kent Nagano mit dem Ensemble Modern

Garth Edwin Sunderland lässt in seiner Kammerfassung die bei der Überarbeitung eingefügten Passagen aus Trouble in Tahiti heraus. Folglich tritt Dinah nicht mehr als Figur der Vergangenheit leibhaftig auf. Stattdessen nähert sich Sunderland musikalisch und textlich wieder der ursprünglichen Houston Fassung von 1983 an, wobei er aber die dreiaktige Gestalt der Wiener Fassung beibehält. Die zahlreichen Trauergäste tauchen nur im ersten Akt bei der Feier auf, während sie in der Houston Fassung in die späteren Erinnerungen mit einbezogen werden und sie dort auch eine ganz persönliche Geschichte mit Dinah verbindet. Von daher ist es in dieser konzertanten Fassung schwer nachzuvollziehen, wer von den Gästen eigentlich wer ist, wobei es für die eigentliche Beziehung der Familie allerdings auch keine allzu große Rolle spielt. Mit einem Hauch von Schadenfreude tratschen sie auf der Trauerfeier die Geheimnisse der Familie aus und fungieren somit als breite Masse, die beständig an der Fassade der Familie kratzt. Mit dem Solistenquartett des Vocalconsort Berlin gehen sie eine Einheit ein und kommentieren wie ein antiker Chor die Familienverhältnisse der Verstorbenen. Während sie Dede noch regelrecht unverblümt ausfragen, scheint ihnen bei Junior der sofort ausbrechende Streit mit seinem Vater interessanter, so dass sie dann sofort gespannt der Auseinandersetzung lauschen. Um diesen Aspekt zu unterstreichen, stehen die Solisten rechts vom Orchester, während Dinahs Ehemann und die Kinder auf der linken Seite positioniert sind.

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Dede (Siobhan Stagg) mit Kent Nagano und dem Ensemble Modern

Während ein Großteil des Librettos vom Blatt gesungen wird, führt die Familie einige szenische Elemente ein. Wenn Siobhan Stagg als Dede ankommt, geht sie nach vorne zum Dirigenten und stellt sich den inquisitorischen Fragen der Gemeinde, wobei Stagg mit leuchtendem Sopran zeigt, dass sie sich von der Trauergemeinde nicht aus der Ruhe bringen lässt. Natürlich weiß sie von den Gerüchten um ihren Mann und François. Auch ist sie sicherlich verletzt, dass ihr Vater damals nicht zu ihrer Hochzeit gekommen ist und nun ihrem Mann zum ersten Mal auf der Beerdigung ihrer Mutter begegnet. Doch es gelingt ihr stets die Fassade aufrechtzuerhalten, was durch Bernsteins weiche Musik für Dede noch unterstützt wird. Wenn Dede am Abend erneut mit François zusammenfindet, wandelt sich der ansonsten recht unruhige Tonfall, der die Partitur durchzieht, zu einer romantischen Melodie, die an eine neu aufkeimende Liebe erinnert. In dieser Nacht, so glaubt man, wird zwischen den beiden Eheleuten wieder alles in Ordnung sein. Auch wenn sie mit ihrem Vater die Sachen ihrer Mutter durchgeht, schlägt die Musik harmonische Töne an, die erst dadurch gestört werden, dass Junior François mit pikanten Erinnerungen aus seiner Kindheit unterhält. Auch im Spiel zwischen Dede und Junior am nächsten Morgen überwiegt die Harmonie, bis sie vom Vater dann doch wieder gestört wird.

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Junior (Jonathan McGovern) mit Kent Nagano und dem Ensemble Modern

An vielen Stellen fühlt man sich musikalisch an die West Side Story erinnert. Die Auseinandersetzungen zwischen den Jets und den Sharks, die Bernstein darin so unvergleichlich umgesetzt hat, finden auch in dem Kleinkrieg der Familie ihre musikalische Entsprechung. In den harmonischen Momenten schimmert immer das berühmte "Somewhere" durch. Jonathan McGovern, der die Partie des Junior schon bei der Uraufführung der Berliner Fassung 2013 verkörpert hat, setzt ähnlich wie Stagg szenische Akzente und trägt einzelne Passagen mit markantem Bariton frei vor. So hat er direkt im ersten Akt seinen Auftritt als Enfant terrible, wenn er bei der Beerdigung seiner Mutter zu spät auftaucht. Auch Benjamin Hulett wirkte als François bereits im Berliner Konzerthaus 2013 mit und stattet Dedes Ehemann und Juniors Geliebten mit höhensicherem Tenor aus. Christopher Purves hingegen wirkt als Sam stellenweise ein wenig indisponiert. So klingt sein Bass in den Höhen sehr schwach und in den Momenten, in denen Sam auf seinen Sohn zornig ist, ein wenig heiser. Wenn es dann am Ende zur Aussöhnung mit Junior kommt und Vater und Sohn sich in die Arme schließen, schimmert in dem insgesamt recht bitteren Stück doch ein bisschen Hoffnung durch. Kent Nagano bringt mit dem Ensemble Modern Bernsteins vielschichtige Musik zum Blühen, deckt allerdings bisweilen die Solisten ein wenig zu, was insofern problematisch ist, dass man dem Inhalt nicht immer richtig folgen kann, da die Übertitel aufgrund der Fülle des Textes entweder zu kurz oder zu einem falschen Zeitpunkt eingeblendet werden. Dennoch gibt es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten.

FAZIT

Musikalisch hat das Werk zwar einiges zu bieten. Trotzdem scheint eine konzertante Aufführung nicht geeignet, das Stück für einen festen Platz im Opernrepertoire zu empfehlen. Dafür lebt das Stück neben der Musik zu sehr von der Szene.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Kent Nagano

Ensemble Modern

Vocalconsort Berlin



Solisten

Dede
Siobhan Stagg

François
Benjamin Hullet

Junior
Jonathan McGovern

Sam
Christopher Purves

Funeral Director
Aaron Pegram

Bill
Gordon Bintner

Susie
Maria Fiselier

Analyst
Simon Bode

Doc
Gerardo Garciacano

Mrs. Doc
Henriette Gödde



Weitere Informationen
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Konzerthaus Dortmund
(Homepage)



Da capo al Fine

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