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Mitsuko Uchida, Klavier

Werke von Schubert und Beethoven

Am 18. Januar 2014 im Festspielhaus Baden-Baden

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Festspielhaus Baden-Baden
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Die Hammerhand

Von Christoph Wurzel

Anton Diabelli war schon ein ziemlich geschäftstüchtiger Verleger. In den 1820er Jahren dachte er sich, eine Sammlung von Klavierstücken, zu der  die bekanntesten Komponisten seiner Zeit je einen kurzen Beitrag leisten, sollte sich gut verkaufen lassen: Variationen auf einen Walzer in zwei Teilen aus 32 Takten, den er kurzerhand selbst komponiert hatte. 50 Tonmeister bissen an, unter anderen auch Mozarts Sohn Xaver, Schubert, der junge Franz Liszt und auch der komponierende Erzherzog Rudolf, der ein Schüler Beethovens war. Auch jener war um einen Beitrag gebeten worden, lehnte es jedoch ab, sich an einem solchen Gemeinschaftswerk zu beteiligen. Er hatte mit dem „Schusterfleck“ viel größere Absichten, er wollte beweisen, dass er aus der schlichten Vorlage, den kleinteilig aneinander geklebten Melodiefetzen, ein großes Kunstwerk schaffen konnte. Herausgekommen ist ein eigenständiges Klavierwerk, sein umfangreichstes und letztes, das er abgeschlossen hat. Aber auch Beethovens Kunst ging nach Brot: seine Gage für die 33 Veränderungen über einen Walzer von Anton Diabelli betrug fürstliche 8 Dukaten.

Dafür hat es dieses Werk aber auch in sich und geht über bloße Variationen weit hinaus. Alfred Brendel hat es seinerseits enorm variantenreich beschrieben, Beethoven „kommentiert, kritisiert, verbessert, parodiert, verlacht, missachtet, verzaubert, verklärt, beweint, zerstampft, belächelt und führt das Thema ad absurdum“. Ein Füllhorn also musikalischer Kunstmittel aus den gegensätzlichsten Charakteren und Stilen schüttet Beethoven hier aus. Ein Pianist oder eine Pianistin muss buchstäblich alle Register  ziehen und  nicht allein die enorme geistige Leistung aufbringen, diese komplexe Partitur ohne Fehler rund eine Stunde lang präsent zu haben, sondern auch über eine exorbitante Technik verfügen. Deshalb ist das Werk nur selten in den Konzertsälen zu hören. Mitsuko Uchida hat es in Baden – Baden nun auf ihrer Frühjahrestournee gespielt, bei der sie es andernorts auch in der Form des Gesprächskonzerts vorstellt. In Baden-Baden musste das Publikum ohne ihre Kommentare auskommen und wurde vom Furor, mit dem die Pianistin über die Tasten fegte, stellenweise regelrecht überrollt.

Wenn Mitsuko Uchida das Podium betritt, ahnt man nicht, welchen Sturm diese zierliche Person entfachen kann. Und es ist zuerst ihre atemberaubende Virtuosität, die Staunen macht. Mit viel Schwung nahm sie schon das Diabelli-Thema und türmte dann Variation auf Variation. Wie  Hammerschläge kontrastierten die Bassakkorde in der 7. Variation die arpeggierende Oberstimme. Auch  wenn ihr kein einziger Ton entfallen sein dürfte, stellte ihr Spiel doch nicht ganz zufrieden. Die breite Ausdruckspalette, von der Brendel sprach, schöpfte Mitsuko Uchida anfangs nicht aus. In der  11. Variation etwa, einem verspielten Allegretto, spürt man das Karikaturistische – Uchida eilte darüber hinweg. Ebenso die ironische Imitation barocker Gravität in Nr. 14 – die Pianistin nahm sie einförmig wuchtig. In der 22. Variation greift Beethoven scherzhaft ein Thema aus Mozarts Don Giovanni auf: Notte e giorno faticar – Uchida spielte es weniger mit einem Augenzwinkern als es zum Motto ihrer Darbietung überhaupt zu erheben. Auch die Fughetta Nr. 24, eine kleine Barockimitation, wäre noch subtiler, mehr ziseliert denkbar gewesen, die große Fuge allerdings als vorletzte Variation gestaltete Uchida passend in aller Strenge und Seriosität, wie überhaupt ihr Spiel gegen Ende des Zyklus allmählich zu mehr Ausdruck und größerer innere Ruhe fand. Schön gelang das Andante cantabile in Nr. 30 und das abschließende Menuett, das die simple ¾-Takt-Melodie Diabellis endgültig in eine edlere Fassung bringt.

Eigentlich verträgt Beethovens Mammutwerk kaum ein anderes Klavierstück neben sich. Mitsuko Uchida stellte aber an den Beginn des Abends die Sonate G-Dur D. 894 von Franz Schubert mit ihren vier Sätzen voller Klavierpoesie. Bereits den Eröffnungstakt nahm sie mit ausgiebig Pedal pathetisch und schwer und zog fortan leider der Feinzeichnung den gröberen Strich vor, betonte eher die Kontraste, wie in den beiden Ecksätzen, spürte aber den klanglichen Finessen etwa im Trio des Menuetts mit seinem duftigen Ländler weniger nach. Auch die dynamische Bandbreite spannte sie eng, selten war ein piano auch wirklich leise, meist klang es schon wie ein forte. Am meisten konnte der letzte Satz überzeugen, wo Mitsuko Uchida ihrem virtuosen Elan eher freien Lauf lassen konnte.

Fazit

Mitsuko Uchida goßen Respekt für pianistischen Glanz. Der Charme der Musik geriet darunter aber leider ins Hintertreffen.


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Das Programm

Franz Schubert
Klaviersonate G – Dur
D 894

Ludwig van Beethoven
33 Veränderungen über
einen Walzer von
Anton Diabelli op. 120



Mitsuko Uchida, Klavier

 

 

 

 

 


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Festspielhaus Baden-Baden
www.festspielhaus.de/



Da capo al Fine

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