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Großes Talent
Von Christoph Wurzel Ganz offenkundig steht dieser junge Dirigent vor einer großen Karriere und seinen Namen sollte man sich merken: Lahav Shani, 1989 in Tel Aviv geboren, Ausbildung auch in den Fächern Klavier und Kontrabass, gegenwärtig Student an der Hochschule für Musik „Hans Eisler“ in Berlin und nun Dirigent des letzten Abonnementskonzerts der Berliner Staatskapelle. In Vertretung von Michael Gielen, des ständigen Gastdirigenten der Staatskapelle, übernahm Shani ein Programm, das eigentlich auf den mittlerweile 87jährigen Doyen der Mahlerexegese zugeschnitten war: die Rückert-Lieder und die 1. Sinfonie. Dass ihn dafür nicht allein der Gewinn des Gustav-Mahler-Dirigentenwettbewerbs 2013 in Bamberg prädestinierte, sondern auch eminentes Können eindrucksvoll dazu befähigte, konnte Lahav Shani in dem Konzert mühelos unter Beweis stellen, denn es gelang nicht allein eine technisch brillante Interpretation, sondern auch eine musikalisch höchst überzeugende. Lahav Shani meisterte die beiden in ihren Ansprüchen konträren Werke ganz exzellent. Den stark solistisch angelegten Orchestersatz der Rückertlieder ließ er kammermusikalisch klar und transparent spielen, was die Instrumentalisten der Staatskapelle auch mit Hingabe umsetzten, etwa wie sie (d.h Harfe, Celesta, sordinierte Violinen und Violen) mit sensiblem Klanggefühl gleichsam synästhetisch den Lindenduft des ersten Liedes in den Raum zauberten. In dem bisweilen unter viel Pathos erdrückten Lied Um Mitternacht gelang hier die Balance zwischen dem mächtigen Blech, den filigranen Holzbläsern und der Singstimme ganz wunderbar. Bernarda Fink sang die Texte mit spürbar innerer Beteiligung, aber zurückhaltendem Ausdruck, der nur an einigen Stellen („O ja, mich liebe!“) expressiver hervortrat. Zu einer klanglichen Oase der Weltabwendung wurde als letztes der fünf Lieder "Ich bin der Welt abhanden gekommen", in dem sich das Klanggewebe schwebend in intensiver Ruhe entfaltete und sich schließlich zu einem glücklichen Moment purer Schönheit verdichtete. In der Sinfonie dagegen konnten Dirigent und Orchester die Bandbreite der klanglichen Möglichkeiten ins andere Extrem steigern. Shani spannte über das Werk einen inneren musikalischen Bogen. Was Mahler als Exposition an den Anfang des ersten Satzes gestellt hatte, wurde hier wirklich die tastende Hinführung zum Hauptthema des Satzes, dem unbeschwert lebensfrohen "Ging heut morgen übers Feld". Im letzten Satz, dessen Finale Michael Gielen einmal höchst skeptisch als „leeres Getöse“ bezeichnete, wurde dann klar, welch heftige Kämpfe der imaginäre Held dieser Sinfonie zu durchstehen hat. Es beginnt mit einem entsetzlichen Aufschrei des ganzen Orchesters gleich im ersten Takt. Dann kämpft er sich durch ein Drama aus niederschmetternden Klangeruptionen und versöhnlich lyrischen Atempausen über die nostalgischen Reminiszenzen an die Motive des ersten Satzes bis hin zum abschließenden Durchbruch, dem trotzig triumphalen Choral eines starken (Über)Lebenswillens. So gab Shanis Interpretation dieser Sinfonie eine überzeugend schlüssige Aussage. Dass eine derart spannende Realisierung gelang, war auch hier natürlich wieder dem großartig spielenden Orchester zu danken, das auch in kleinen Nuancen Mahlers Partitur genau umsetzte. Allein der ironisch parodistische Tonfall im dritten Satz hätte noch mehr ausgekostet werden können. FAZIT Lahav Shani erwies sich als ein Dirigent, der musikalisch viel zu sagen hat.
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Das Programm Lahav Shani, Dirigent
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