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World Doctors Orchestra

Werke von Gaetano Donizetti, Wolfgang Amadeus Mozart und Anton Bruckner

 

Montag, 15. Oktober 2012, 20.00 Uhr
Alfried Krupp Saal in der Philharmonie Essen

 

 



Philharmonie Essen
(Homepage)

Humanitäre Musik

Von Christoph Kammertöns

Allzu bekannte Musik kann dem geübten Konzertgänger manchmal reizvoll neuartig anmuten, wenn sie von einem Laienorchester dargeboten wird. Bei Bruckners 7. Symphonie gelang dem World Doctors Orchestra unter Leitung seines Dirigenten Stefan Willich ein solches Erlebnis. Bruckner mag im Gegensatz etwa zu Mozart unter jene Komponisten fallen, deren Musik instrumentale Unfertigkeit und Koordinierungsschwierigkeiten in gewissen Grenzen verkraften kann, wenn dessen ungeachtet der große Zugriff stimmig erscheint.

So wehte in der zweiten Programmhälfte eine musikalische Begeisterung durch die Essener Philharmonie, die die Frage beflügelte: Hat so im 19. Jahrhundert vielleicht die Uraufführung eines großen symphonischen Werks durch ein nicht ganz sattelfestes Orchester geklungen, das sich aus einer Mischung von Pflicht und Pioniergeist mit Bangen und doch mit Zuversicht einer großen Aufgabe stellt?

Bruckners 7. Symphonie E-Dur wurde 1884 in Leipzig freilich unter professionellen Vorzeichen uraufgeführt. Doch das World Doctors Orchestra, ein international besetztes Symphonieorchester von Ärzten, beeindruckte in Essen mit einem Uraufführungsgeist, der jenseits von Routine und Perfektion in ganz persönlicher Entdeckung dieser Musik gewissermaßen die Musik hinter der Musik zur Geltung brachte. Man meinte, hörend die humanitäre Geste von Bruckners Musik in sich aufzunehmen, den Geist hinter dem Phänomen erfasst zu haben.

Wie sehr Stefan Willich diese Wirkung beabsichtigt haben muss, wurde aus der Art seines Dirigats deutlich. Seine uneitlen, technisch vielleicht noch nicht ganz selbstverständlichen Bewegungen, die den musikalischen Verkehr schlicht und konzentriert im besten Sinne schutzmännisch lenkten, hielten sich an eine risikoreiche Strategie: Einsätze ohne dirigentischen doppelten Boden zu geben. Gemeint ist, vor Initialeinsätzen – etwa zu Beginn eines Satzes oder nach einer Generalpause – keinen Takt vorauszuschlagen, was größere Sicherheit bringen, aber die Musik töten würde.

Nach einem direkten Einsatz bei einem großen Ensemble auf das gemeinschaftliche Entstehen der Musik zu vertrauen ist im positiven Sinne unkapellmeisterlich und künstlerisch fruchtbar. Dass ein letztlich zusammengewürfeltes Orchester mit wenigen Tagen Probezeit unter diesen Bedingungen bestehen kann, zeugt von einer Tugend, die im Endeffekt wichtiger ist als Perfektion: Konzentrationsfähigkeit auf höchstem Niveau. Der stolze Satz eines berühmten Dirigenten: „Meine Musiker spielen schon, wenn sie auf die Bühne kommen, und sie spielen noch immer, wenn sie die Bühne wieder verlassen“, ließ sich mit Recht auf die musizierenden Ärzte und ihre hingebungsvolle Konzentration beziehen.

Anders als Bruckner ist Donizetti nur mit künstlerischer Gesinnung und instrumentaler Perfektion nebst wohlverstandener Routine zu bewältigen. Stefan Willich hat seinem Klangkörper mit der Auswahl der Ouvertüre zum Liebestrank daher keinen Gefallen getan. Das Orchester präsentierte sich so gleich zu Beginn des Abends als intonationsunsicher (Holzbläser und Streicher), rhythmisch einerseits nicht hinreichend strikt und andererseits in der individuellen Gestaltung der Tempi unflexibel.

Mozarts Klarinettenkonzert war ebenso wenig eine günstige Wahl. Es ist verständlich, dass bei einem Liebhaber-Ensemble möglichst alle bei jedem Programmpunkt mitspielen möchten, aber ein regelrecht fetter Streicherapparat, dessen Musiker zudem nuancierend nicht sehr flexibel sind, muss bei Mozart zu bedenklichem Chargieren führen. Musikalisch übertragen galt leider der Spruch: „Viele Jäger sind des Hasen Tod“. Der eigentlich brillant aufspielende Soloklarinettist der Berliner Philharmoniker, Wenzel Fuchs, wurde mit schöner Regelmäßigkeit vom pauschalen Tutti-Sound zugedeckt; die geradezu unwirkliche Delikatesse von Fuchs’ quecksilbrigem Spiel war über weite Strecken nur zu erahnen. Als Profi hatte er sich sehr richtig entschieden, nicht zu forcieren und der Übermacht nicht Paroli zu bieten. Der Musik war durch diese Kombination von Solist und Ensemble jedoch nicht gedient.

Ein interessantes, in der Stilsicherheit schwer zu bewertendes Detail, war Fuchs’ Lust auf eloquente Verzierungen und umfängliche Ausschmückungen bis hin zu Quasi-Glissandi, die man eher bei Gershwin und der Realisation auf einer Böhmklarinette vermutet hätte. Sicher hätte Mozart hier seinen Spaß gehabt.

Im 11. Benefizkonzert konnte das seit 2008 bestehende World Doctors Orchestra den humanitären Geist der Musik vor allem bei Bruckner beseelt und beseelend zur Geltung bringen. Dieser Geist schließt sich mit medizinischen humanitären Anliegen zusammen: Die Einnahmen des Abends kommen dem Projekt „Ein Ambulanz-Boot für Bolenge“ des Evangelischen Kirchenkreises Dortmund-Süd (www.vkk.org) und dem Projekt „Stark und engagiert – für die Rechte von Frauen und Mädchen in Kriegs- und Krisengebieten weltweit“ von medica mondiale (www.medicamondiale.org) zugute.

FAZIT

Begeisterte Musiker meistern für einen guten Zweck eine begeisternde Brucknersymphonie. Für zukünftige Konzerte wäre eine stimmigere, in allen Werken auf die Leistungsfähigkeit des Orchesters abgestimmte Programmierung zu wünschen.



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Ausführende

Wenzel Fuchs, Klarinette

World Doctors Orchestra

Stefan Willich, Dirigent

 

Stücke

Gaetano Donizetti
Ouvertüre zu Der Liebestrank

Wolfgang Amadeus Mozart
Konzert A-Dur für Klarinette
und Orchester, KV 622

Anton Bruckner
Sinfonie Nr. 7 E-Dur, WAB 107


Weitere Informationen
erhalten Sie von der

Philharmonie Essen
(Homepage)



Da capo al Fine

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