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Juan Diego Flórez


Freitag, 25. November 2010, 20 Uhr
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Flórez-Glück mit Schönheitsfehlern

Von Thomas Tillmann

Nur um jedem Missverständnis vorzubeugen: Juan Diego Flórez ist meiner Meinung nach einer der besten Tenöre unserer Tage, der in vokaler Hinsicht auch bei seinem Auftritt im Ruhrgebiet kein bisschen enttäuschte, sondern sehr eindrucksvolle Beispiele seiner großen Kunst lieferte und eben nicht beim Vorführen stimmtechnischer Raffinessen stehen blieb, sondern sich auch einmal mehr als subtiler, wenn auch mit feinem Pinsel arbeitender Interpret präsentierte, der zumindest vorerst kaum Konkurrenz fürchten muss. Und doch war mancher Besucher des Konzerts in der Essener Philharmonie ein wenig enttäuscht: Das offizielle Programm endete bereits um 21.40 Uhr, der Programmablauf wurde ziemlich konfus abgeändert, lange, schwierige und vor allem größte Virtuosität erfordernde Titel wie Rodrigos "Che ascolto?" aus Rossinis Otello, die der Peruaner bereits auf seinem ersten Decca-Recital 2002 gesungen hatte, die sehr anspruchsvolle Arie des Georges Brown aus Boieldieus La dame blanche, "Viens, gentille dame", und auch das "Qui tollis" aus Rossinis Messa di Gloria, das der Tenor auf seiner neuesten Veröffentlichung mit geistlichen Piècen interpretiert, wurden kurzfristig gestrichen, als Ersatz gab es nur die dritte (kurze) Arie des Duca di Montava ("La donna è mobile"), bei den Zugaben blieb es trotz sehr herzlichem Beifall bei einem Ausschnitt aus dem unvermeidlichen "Ah! mes amis!" aus La fille du régiment (und das nur ab "Pour mon âme", aber natürlich mit allen neun gleißenden, völlig ungefährdeten Cs, die das Publikum erwartete) und der Wiederholung von Roméos "Ah! lève-toi, soleil!" aus der Gounod-Oper - zu wenig angesichts von Kartenpreisen bis zu 115 Euro und langen Orchesterbeiträgen von dem gewiss nicht schlechten, auch stilistisch durchaus versierten, aber eben doch nicht den Rang eines ersten Klangkörpers einnehmenden Württembergischen Kammerorchesters Heilbronn, dem Alessandro Vitiello (er ist der Gatte von der Rossini-Spezialistin Daniela Barcellona, was offenbar manches Türchen öffnet) mit leichter Hand und großer Autorität vorstand (er hatte auch in improvisierten Englisch die Änderungen anzumoderieren, was die Veranstaltung nicht seriöser erscheinen ließ), wobei die Otello-Sinfonia weitaus überzeugender geriet als diejenige aus Tancredi. Auch bei beschwingter, fein abgestufter Wiedergabe ist die Ouvertüre aus Cimarosas Matrimonio segreto kein richtiger Hit, während diejenige zu Verdis Un giorno di regno durchaus hörenswert ist und hier auch mit Schmiss und Eleganz musiziert wurde. An der Méditation aus Massenets Thais werden sich immer die Geister scheiden, was nicht die Schuld von Zohar Lerner ist, der das Oeuvre mit süßem, aber nie süßlichen und angenehm zurückhaltendem Ton spielte und damit die nicht im Programm aufgeführte Gounod-Arie vorbereitete.

Juan Diego Flórez begann (wie schon bei seinem Recital in der Salle Pleyel im März diesen Jahres und anderswo) mit der Arie des Paolino aus Il matrimonio segreto, setzte bei gleichbleibend edler Linie feine Akzente und nahm durch sein wunderbares Legato für sich ein, durch die unverkrampfte Ausführung der Koloraturen, die empfindsame Textbehandlung und die sich daraus entwickelnde Gestaltung, durch die Brillanz besonders der oberen Lage, die eben auch im Piano nicht an Tragfähigkeit verliert. Es ist die Qualität des Timbres, die man gerade in diesem Repertoire immer wieder bewundert (gerade auch wenn man mit früheren Interpreten vergleicht, die diese Musik zwar auch bewältigen, aber mitunter doch mit einem Ton, der einem die Tränen in die Augen treibt, was diesmal nicht positiv gemeint ist, namentlich eine Aufnahme mit dem ja hoch geschätzten Luigi Alva hat mich doch sehr irritiert). Von dem Glanz der Stimme lebt natürlich auch Roméos "Ah! lève-toi, soleil", von der geschmackvoll-eleganten, großzügigen Phrasierung, mit der er seinen Vortrag adelt, der nie ins Sentimentale abzugleiten droht. Wie viel Raum für wirkliche Interpretation bleibt, wenn die vokalen Schwierigkeiten kein Problem darstellen, konnte man bei Flórez' Ausführung der Edoardo-Arie erleben.

Im zweiten Teil des Abends freute sich das Publikum über gleich drei Arien aus Rigoletto: "Questa o quella" liegt dem Tenor meines Erachtens besonders gut in der Stimme, der sehr rhythmischen, federnden und zugleich sehr verführerischen Interpretation kann man kaum widerstehen, und auch der Wechsel zu den Qualen im "Parmi veder le lagrime" vermag der Künstler problemlos umzusetzen, hier hat er die berühmte Träne in der Stimme, ohne larmoyant zu werden, und überdies bewundert man besonders die perfekte Atemkontrolle. Und auch den "Reißer" aus dem vierten Akt adelt Flórez mit der mezza voce begonnenen zweiten Strophe und einer hinreißenden Roulade in der Kadenz - so raffiniert präsentiert gefällt auch den Connaisseurs "La donna è mobile".

Und doch wird man sich an einen Abend erinnern, an dem der Peruaner nicht alles gezeigt hat, was er kann. Nach der Absage seines Konzerts in Köln drei Tage später drängt sich natürlich der Verdacht auf, dass der Tenor sich bereits an diesem Donnerstag nicht ganz wohlgefühlt hat - vielleicht wäre eine entsprechende Ansage dann doch die klarere Lösung gewesen.




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Ausführende

Juan Diego Flórez, Tenor

Württembergisches
Kammerorchester Heilbronn

Leitung: Alessandro Vitiello


Werke


Domenico Cimarosa
Ouvertüre zu Il matrimonio segreto

Domenico Cimarosa
"Pria che spunti in ciel l'aurora -
Come poi s'avrà da fare"
Arie des Paolino
aus Il matrimonio segreto

Jules Massenet
Méditation aus
Thais
Solo-Violine: Zohar Lerner

Charles Gounod
"Ah! lève-toi, soleil"
Arie des Roméo aus Roméo et Juliette

Gioacchino Rossini
Ouvertüre zu
Tancredi

Gioacchino Rossini
Ouvertüre zu
Otello

Giuseppe Verdi
Ouvertüre zu Un giorno di regno

Giuseppe Verdi
"Pietoso al lungo pianto -
Deh! lasciate a un'alma amante"
Arie des Edoardo
aus Un giorno di regno

Giuseppe Verdi
"Questa o quella"
Ballade des Herzogs
"Ella mi fu rapita! ...
Parmi veder le lagrime!"
Arie des Herzogs
"La donna è mobile"
Arie des Herzogs
aus Rigoletto

Gaetano Donizetti
"Pour mon âme"
Arie des Tonio
aus La fille du régiment





Weitere Informationen

Philharmonie Essen
www.philharmonie-essen.de



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