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4. Philharmonisches Konzert

13., 14. Januar 2010
rezensierte Konzertveranstaltung: 13. Januar 2010

Philharmonie Mercatorhalle, Duisburg
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Philharmonie Mercatorhalle (Homepage)
Spielkultur vom Feinsten
Isabelle Faust und die Duisburger Philharmoniker eröffnen das symphonische Programm des Henze-Projektes von "RUHR 2010"

Von Ursula Decker-Bönniger


Von Januar bis Dezember 2010 werden über 40 Institutionen der europäischen Kulturhauptstadt "RUHR 2010" den Komponisten Hans Werner Henze und seine musikalischen Werke präsentieren, in Opern, Balletten, Sinfonie- und Kammermusikkonzerten, in Funkopern, Filmretrospektive, Orchesterfestival, Symposion und Kompositionswettbewerb die Vermittlung und das Verstehen Neuer Musik in den Blickpunkt nehmen.

Als ältestes Orchester des Ruhrgebiets eröffneten die Duisburger Philharmoniker im 4.Philharmonischen Konzert das sinfonische Programm des Henze - Projektes, "Neue Musik für eine Metropole" in der ausverkauften Mercatorhalle. Vom Deutschen Musikverleger-Verband mit dem Preis für das beste Konzertprogramm in dieser Spielzeit 2009/2010 ausgezeichnet, hatte Generalmusikdirektor Jonathan Darlington Henzes Orchesterbearbeitung "Adagio, Fuge und Mänadentanz" des insbesondere 3.Teils der Oper "Die Bassariden" als zeitgenössisches Bindeglied der "Facetten der Romantik" zwischen die "Reformationssinfonie" von Felix Mendelssohn Bartholdy und das Violinkonzert von Brahms gesetzt.

Henze greift in seiner Suite - ebenso wie romantische Komponisten - auf tradierte Formen wie Fuge und Passacaglia zurück. Auch inhaltlich spricht er romantische Themen wie z.B. "die Rolle des Individuums in der Gesellschaft" an.
Zugleich ist Musik für ihn eine "darstellende Kunst". Ähnlich wie in seinen Opern rückt er in dieser Komposition für großes Orchester das "Theatralische, Sprechende, Dialogisierende und Szenische" in den Vordergrund.

Wie sehr diese Musikauffassung auch - bei aller ästhetischen und historischen Unterschiedlichkeit - für die eigentlich zweite Sinfonie Mendelssohns, die 1829/30 komponierte "Reformationssinfonie" gilt, zeigte die lebendige Interpretation Jonathan Darlingtons und der Duisburger Philharmoniker.
Ob der langsam aufblühende Streicherklang wie aus dem Nichts entsteht oder sich wie ein wellenartig anwachsender Klangstrom ergießt, ob dynamisch extrem kontrastierend gestaltete Orchestergruppen blockartig, ja geradezu grotesk aufeinanderprallen oder die einzelnen Klangfarben das kontrapunktische, fast durchführungsartige, musikalische Geschehen in der Exposition hervorheben, die Orchesterdarbietung, auch die federnde, fast tänzerische Leichtigkeit im zweiten Satz und die variantenreiche, dynamische Spielkultur des Leisen, Verhaltenen, Melancholischen im dritten Satz waren ein Genuss.
In Paris sollte 1830 die Uraufführung stattfinden. Damals lehnte man das Werk als "zu scholastisch, zuviel Fugato, zu wenig Melodie" ab. Kurze Zeit später bewarb sich Mendelssohn in Berlin mit diesem Werk vergeblich um die Leitung der Singakademie.
Darlingtons sinnfällige, transparente und textgenaue Interpretation machte nur allzu deutlich, dass Mendelssohns Scheitern weniger mit der Sinfonie an sich als mit aufkommenden, antisemitischen Tendenzen verknüpft zu sein schien.

Die sich anschließende, spannungsvolle, manchmal wie entfesselt wirkende und dynamisch bis an die Schmerzgrenze ausgereizte, sehr lebendige Darbietung der 2004 im Auftrag des Bassariden-Uraufführungsdirigenten Christoph von Dohnanyi eingerichteten Suite "Adagio, Fuge und Mänadentanz" rückte die klangsinnliche Musiksprache Hans Werner Henzes in den Vordergrund.
Verwandlung ankündigende, zarte Harfenglissandi, zuweilen wunderbar rauchig anmutende Saxophonklänge, Bassklarinette-, Kontrafagott-, Oboe d'amore- und Hornmotive über gebundenen, melancholischen Cello-, bzw. Streicherbassströmen sowie wuchtige, erdige Tanzrhythmen schlagende Trommeln, ein Wechsel von Fanfarenklängen und markanten, geräuschhaften und schreckeneinflößenden, metallischen Orchesterschlägen, mit denen Überwältigung und Tod des Pentheus durch die Mänaden veranschaulicht werden, die wehmütige, leise ausklingende Hornmelodie, mit der sich Pentheus von der Welt verabschiedet, sind nur einige Erinnerungen dieser expressiven, beeindruckenden Klangsprache.

Star des Abends war das nach der Pause erklingende Violinkonzert von Johannes Brahms in der faszinierenden Interpretation von Isabelle Faust und den Duisburger Philharmonikern.
Komponiert 1878 am Wörthersee, wo der 45-jährige, auf der Höhe seines Ruhms stehende Brahms mehrere Jahre seinen Sommerurlaub verbrachte, spiegelt dieses Solokonzert die besondere, gleichsam visionäre Formästhetik des Komponisten, bei der sich Solist und Orchester ergänzen und befruchten.
Es war beeidruckend, mit welch virtuoser Leichtigkeit und dynamisch-artikulatorischer Empfindsamkeit die eine "Dornröschen"-Stradivari von 1704 spielende Isabelle Faust perlende Läufe oder zerbrechlich springende Dreiklangsbrechungen darbot, Doppelgriffpassagen fast geräuschhaft, rhythmisch akzentuierte oder dieselben im Legato strömen ließ und dabei die melodische Linie zum Klingen brachte. Aber der besondere Kick war das scheinbar im Augenblick selbst entstehende, den Dialog zwischen Solistin und Orchester inszenierende Zusammenspiel, und das nicht nur als die Pauke humorvoll während der Solokadenz mit leise aufbrausenden Wirbeln drohte.
Spannungsreich, mit innerer Ruhe und flexibler Ausdrucksintensität schienen sich Isabelle Faust, Jonathan Darlington und die Duisburger gegenseitig zu inspirieren und in ihrer Wirkung zu steigern. Ein musikalischer Genuss!



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Isabelle Faust
Violine

Duisburger Philharmoniker

Jonathan Darlington
Dirigent



Felix Mendelssohn Bartholdy
Sinfonie Nr.5 d-Moll, op. 107
"Reformationssinfonie"

Hans Werner Henze
Adagio, Fuge und Mänadentanz
aus der Oper "Die Bassariden"
für großes Orchester

Johannes Brahms
Konzert für Violine und
Orchester D-Dur, op. 77



Weitere Informationen

Philharmonie Mercatorhalle
www.mercatorhalle.de/








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