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"Aus der neuen Welt" Dvoráks Musik und eine Solistin der Extraklasse - Denise Djokic
Von Gerhard Menzel
Bereits zum dritten Mal fand dieses Jahr das von Aachens Generalmusikdirektor Marcus R. Bosch initiierte Open Air Festival "Kurpark Classix" im Aachener Kurgarten an der Monheimsallee statt. Ein Wochenende bei herrlichstem Wetter, bei dem das Publikum nicht nur auf der eigens für dieses Event errichteten Tribüne Platz genommen, sondern es sich auch links und rechts davon mit Decken, Tischen, Klappstühlen und allerlei leckeren Sachen ausgerüstet zu einem opulenten Musik-Picknick bequem gemacht hatte. Der italienischen Opernacht zu Beginn der "Kurpark Classix" am Freitag folgte samstags mit Roger Hodgson - Gründer und Sänger der Kultband Supertramp - und dem Sinfonieorchester Aachen ein Klassik-Pop Abend der besonderen Art, bevor am Sonntag Vormittag der als Moderator des "Tigerenten-Clubs" bekannt gewordene Malte Arkon und das Sinfonieorchester Aachen mit Bedrich Smetanas berühmter Sinfonischer Dichtung "Die Moldau" ein Konzert für die ganze Familie gestalteten.
Den krönenden Abschluss und den Höhepunkt des Wochenendes bildete am Sonntag die "Last Night" mit Wunschkonzert und abschließendem Feuerwerk (inklusive Händels Feuerwerksmusik-Ouvertüre). Für dieses Konzert fand bis Anfang Juli eine Abstimmung statt, bei der unter folgenden Werken gewählt werden konnte: Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 "Eroica", Johannes Brahms: Sinfonie Nr. 1 c-Moll op. 68 und Antonín Dvorák: Sinfonie Nr. 9 e-Moll op. 95 "Aus der neuen Welt". Der Gewinner dieser Wahl war Antonín Dvorák, der dadurch mit gleich zwei seiner schönsten und bekanntesten Werke das Programm dieser "Last Night" stellte. Aber nicht nur dessen beiden Kompositionen entstanden in der "Neuen Welt", sondern auch die Solistin des Abends stammt daher. Die in Halifax, Nova Scotia (Kanada), geborenene und jetzt in Boston lebende Denise Djokic zählt zu den meistgefragten Solistinnen in Nordamerika, was nach ihrem eindrucksvollen Auftritt bei den "Kurpark Classix" nicht verwundert.
Denise Djokic hinterließ mit ihrem bewegenden Spiel und ihrer positiven Ausstrahlung einen so überwältigenden Eindruck, dass es kaum verständlich ist, warum sie - trotz zahlreicher bekannter und ausgezeichneter Cellisten und Cellistinnen, die ständig weltweit unterwegs sind - in Europa noch dermaßen unbekannt ist. Ihrem 108 Jahre alten Instrument von Romeo Antoniazzi (Cremona 1901) entlockt Denise Djokic Töne und Klänge, die unmittelbar ergreifen und denen man sich nicht entziehen kann. Dabei überzeugt sie nicht nur durch ihre technische Perfektion und Intonationsreinheit, seien es nun schnelle Läufe, weite Sprünge oder ganze Doppelgriffpassagen, sondern vor allem durch ihre ausgeprägte, für feinste Differenzierungen sensibilisierte Musikalität, die sie sicherlich auch ihrem hochmusikalischen Elternhaus verdankt.
Dvorák hat in diesem Konzert, das er nicht als Virtuosenkonzert sondern sehr sinfonisch konzipiert und klangfarblich fein abschattiert hat, sehr persönliche Empfindungen in Musik gesetzt. Neben seiner Sehnsucht nach der Heimat war es vor allem die schwere Erkrankung seiner Schwägerin und einstigen Jugendliebe, die ihn nicht nur veranlasste, ihr Lieblingslied als wiederkehrendes Zitat in seine Komposition einzuflechten. Ihretwegen nahm er, als sie nach der Fertigstellung des Konzertes starb, sogar noch einige Veränderungen vor und verbot im Schlusssatz ausdrücklich eine sonst obligatorische Solokadenz.
All diese Sehnsucht und Trauer bestimmte auch die Interpretation von Denise Djokic, die - eingebettet in das engagierte Spiel des Sinfonieorchesters Aachen unter der umsichtigen Leitung von Marcus R. Bosch - besonders diese emotional aufgeladenen Passagen äußerst sensibel und empfindsam gestaltete. Sie ist eine wahre Poetin, die sich - nicht nur im dritten Satz im Zwiegespräch mit der Solovioline - auch als aufmerksame und einfühlsame Ensemblespielerin präsentierte. Gerade bei den langsamen und lyrischen Stellen meinte man die ganze Weite und Größe der Landschaft zu spüren, die Dvorak in Amerika kennengelernt hatte und in der Denise Djokic aufgewachsen ist. Wann klang diese Komposition Dvoráks schon einmal so ergreifend und verinnerlicht wie an diesem Abend? Es war eine musikalische Sternstunde, die unvergessen bleiben wird.
Einen besseren und schöneren Start in die neue Saison konnten sich Generalmusikdirektor Marcus R. Bosch - der ein ausgezeichnetes Gespür für das Besondere zu haben scheint - und das Sinfonieorchester Aachen wirklich nicht wünschen. Bleibt nur zu hoffen, dass Denise Djokic nicht nur als kurz aufflammende "Sternschnuppe" über dem Kontinent zu erleben war. Dann gäbe es auf jeden Fall den Wunsch, dass sie als hell leuchtender Stern wiederkehren und das hiesige Musikleben auf Dauer erleuchten möge. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Denise Djokic Violoncello Sinfonieorchester Aachen Marcus R. Bosch Musikalische Leitung Antonín Dvorák Konzert für Violoncello und Orchester h-Moll op. 104 Antonín Dvorák Sinfonie Nr. 9 e-Moll op. 95 "Aus der neuen Welt" Abschlussfeuerwerk mit der Ouvertüre aus Händels "Feuerwerksmusik"
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