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Ein hochkarätiger Auftakt mit zwei Vierten von Beethoven und Bruckner
Von Gerhard Menzel
Mit Beethovens 4. Klavierkonzert und Bruckners 4. Sinfonie wurde die dritte Saison der Konzertreihe "Johannisberg International" in Wuppertal eröffnet. Neben dem London Symphony Orchestra, das erstmals in der Historischen Stadthalle zu Gast war, sorgte vor allem Hélène Grimaud - die nach ihrem gefeierten Auftritt im November 2007 nun erneut in Wuppertal zu hören war (siehe OMM-Bericht) - dafür, dass dieses Konzert unter der Leitung von Daniel Harding zu einem so großen Erlebnis wurde. Das Klavierkonzert Nr. 4 G-Dur von Ludwig van Beethoven entstand in den Jahren 1805/06 und gehört zu den Marksteinen der Musikgeschichte. Nicht nur, dass erstmals in der Geschichte der Gattung des Klavierkonzertes das Klavier ein Konzert solistisch eröffnet, Beethoven verschmolz das Soloinstrument auch über weite Strecken mit dem Orchestersatz derart, dass er damit den Grundstein für künftige, sinfonisch konzipierte Konzerte legte, wie es auch sein folgendes 5. Klavierkonzert in Es-Dur ist. Im Gegensatz zu diesem ist das G-Dur-Konzert aber keine heroisch auftrumpfende Komposition. Schon den ersten Satz mit seinem virtuos geführten Dialog zwischen Orchester und Soloinstrument dominieren lyrische Töne, die Hélène Grimaud und das LSO - neben funkelnder Brillanz und spielerischer Leichtigkeit - mit Zartheit und großem Gefühl zelebrierten. Hélène GrimaudFoto: © Mat Hennek Dass Hélène Grimaud das Lyrische und Empfindsame eher liegen als das Heroische, das hauptsächlich Kraft und technische Virtuosität erfordert - die sie natürlich besitzt - offenbarte sich vor allem im langsamen Satz. Dem düsteren, aggressiven Fortebeginn der Streicher setzt das Klavier zarte Legatolinien entgegen. Hélène Grimaud spielte diesen Satz mit schwärmerisch verträumtem Ton äußerst eindringlich, wobei sie jede Phrase ausdrucks- und spannungsvoll gestaltete. Nachdem sich das Klavier mit seinen lyrischen Gesängen erfolgreich gegen die rauen Töne des Orchesters behauptet hat, vereinen sich beide im Schlusssatz zu einem gemeinsamen, tänzerischen Wechselspiel, dessen Finale mit einer brillanten Kadenz schließt. Hélène Grimaud und das LSO ließen dieses Zusammenspiel mit expressivem Figurenwerk, schillernden Trillern, klangvollen Akkorden und spielerisch behänden Läufen zu einem wahren musikalischen Feuerwerk werden.
London Symphony Orchestra Weniger überzeugend klang dagegen Bruckners 4. Sinfonie in Es-Dur, die Daniel Harding auch noch in der Erstfassung von 1874 zur Aufführung brachte. Es gibt immer wieder Diskussionen um die zahlreichen, oft sehr gravierenden Umarbeitungen der Sinfonien Bruckners und deren Für und Wieder. Im Fall des Scherzos der hier gespielten Urfassung kann man allerdings wirklich froh sein, dass Bruckner dieses schon in der zweiten Fassung von 1878 durch eine Neukomposition ersetzte! Gerade dieser neue Satz wurde mit seiner durch Hörner- und Trompetensignale dominierten, an Jagdmusik erinnernden Musik zu einem der bekanntesten und beliebtesten Sätze Bruckners. Dagegen klang der hier gespielte Satz äußerst fad und blass. Ansonsten war es das Verdienst des London Symphony Orchestra, das diese "Romantische Sinfonie" über weite Strecken doch noch so eindrucksvoll und mit großer Farbenpracht erklang. Die herausragende Qualität des Orchesters zeigte sich besonders im langsamen 2. Satz. Über perfekt ausgeführten Pizzikati der Geigen und Violoncelli durften die Bratschen einmal so richtig schwelgen. Mit einem überwältigend schönen Ton warteten auch die Violoncelli auf. Erwähnt werden müssen auch die famosen Holzbläser des LSO, die durch ihr exzellentes Zusammenspiel, ihren homogen Klang sowie durch präzise Einsätze glänzten. Strahlenden Glanz entwickelten die herausragenden Blechbläser des LSO, die brillant und selbst im Fortissimo nicht nur laut, sondern noch klangvoll und mit aller Tonsubstanz, die diese Instrumente im Idealfall auszeichnen, die Akustik der Stadthalle wieder einmal deutlich hörbar überforderten. Daniel Harding gelangen zwar herrliche "romantische" Klangwirkungen und gewaltige, dynamische Steigerungen, aber einen die gesamte Komposition zusammenhaltenden Spannungsbogen herzustellen gelang ihm nicht. Das liegt natürlich auch an der Struktur der Komposition. Alle Sätze sind formal ähnlich, ebenso das baukastenartige Arrangieren des musikalischen Materials und die sich schier endlos wiederholenden Themenblöcke. Dass Bruckners Sinfonien auch anders klingen können, bewies Lorin Maazel mit seiner hörbar gereifteren und spannungsvollern Interpretation von Bruckners 8. Sinfonie zwei Tage später in der Philharmonie Essen mit den New Yorker Philharmonikern (siehe OMM-Bericht).
Ein überragendes 4. Klavierkonzert von Beethoven ließ Bruckners 4 Sinfonie richtig alt aussehen/anhören. Das London Symphony Orchestra und Hélène Grimaud untermauerten einmal mehr ihre Ausnahmeklasse im internationalen Konzertbetrieb, während Daniel Harding sein Potential noch weiter entwickeln muss und auch sicherlich wird. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Hélène Grimaud Klavier London Symphony Orchestra Daniel Harding Dirigent Ludwig van Beethoven Klavierkonzert Nr. 4 G-Dur op. 58 Anton Bruckner Sinfonie Nr. 4 Es-Dur Romantische
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