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Im Opernhimmel mit Juan Diego
Von Thomas Tillmann Anders als beim letzten Tenorereignis in der wallonischen Metropole, bei dem man Zeuge von Rolando Villazons Stimmkrise wurde, herrschte bei dem Konzert von Juan Diego Flórez nichts als eitler Sonnenschein: Der peruanische Star war in bestechender Form, er schonte sich nicht, sondern sang programmgemäß sechs sehr unterschiedliche, höchst anspruchsvolle Arien der bekannten Belcanto-Trias (Bellini und Rossini vor, Donizetti nach der Pause) und drei bemerkenswerte Zugaben ebenfalls aus seinem Opernrepertoire (man musste sich also nicht durch eine Vielzahl sentimentaler Schmonzetten, volkstümlicher Melodien, Zarzuela-Ausschnitte oder Nebenarbeiten berühmter Komponisten hören und sich auch nicht höflich über die Mitwirkung eines mehr oder minder begabten "special guest" freuen), er verzichtete auf Mätzchen und peinliche Publikumsanbiederung, sondern unterstrich einmal mehr, dass es auch bei solchen Ereignissen um nichts anderes als um Kunst geht, und die kommt bekanntlich von Können. Da gab es kein Mogeln, keine akustische Verstärkung, trotz der wahrlich nicht unproblematischen Akustik im dringend renovierungsbedürftigen Théâtre Royal klang die Stimme ähnlich perfekt wie auf den CDs, allerdings hat sie live noch mehr Resonanz, mehr "squillo" im besten Sinne, ohne penetrant oder zu metallisch zu werden. Wo soll man anfangen beim Beschreiben der Vorzüge dieses schlanken, aber nie dünnen Organs? Bei den vollendeten messa di voce-Effekte, die stets auf die intendierte Aussage abgestimmt sind, beim Ausschöpfen der dynamischen Palette (natürlich im Rahmen der natürlichen Möglichkeit eines tenore leggiero), den endlosen Legatobögen etwa in der Bellini-Arie, den völlig selbstverständlich kommenden, glanzvollen Spitzentönen weit oberhalb des Systems (nicht nur die inzwischen wohl jedem bekannten in der Tonio-Arie), der Vielzahl von Variationen und Auszierungen, die nie nur Showeffekt haben, die aber in jedem Moment perfekt, geschmackvoll und mit (scheinbar) größter Leichtigkeit ausgeführt werden, bei der bemerkenswerten Auseinandersetzung mit dem gesungenen Wort, der durchdachten Gestaltung der Rezitative, den zahllosen Nuancen und Schattierungen gerade in den ruhigeren, elegischeren Passagen? Diskutiert wurde einmal mehr Flórez' Eignung für Rossinis Arnold - natürlich würde er die gesamte Partie auf einer Bühne nicht schaffen, aber das Engagement, das jugendliche Feuer, mit dem er sich der Arie widmet und sie mit seinen eigenen Mitteln bewältigt, ohne sich zum Forcieren verleiten zu lassen, verdient größten Respekt, ebenso wie die fein gesponnenen Pianissimi und Morendi, die ihm kaum jemand nachmachen dürfte, und auch das Augenzwinkern nach einem zu frühen Einsatz in der Cabaletta nahm das Publikum mit großer Sympathie auf. Bemerkenswert finde ich, dass auch bei seiner "Visitenkarte", der Arie des Tonio aus der Figlia del reggimento, die er überraschenderweise nicht im französischen Original, sondern in der italienischen Fassung gab, keine Negativroutine aufkommt, sondern der Künstler sich um jede kleine Phrase und Nuance bemüht, als sänge er sie zum ersten Mal. Mein persönlicher Favorit war freilich die erste Zugabe, Nemorinos "Una furtiva lagrima", das er nicht nur mit zum Sterben schöner Zartheit präsentierte, sondern auch mit leicht variierter zweiter Strophe, was ich so noch nie gehört habe. Das Gros der Zuschauer freute sich noch mehr über das in atemberaubenden Tempo bewältigte Verzierungsfeuerwerk (und den hervorragenden Triller) in der Conte-Cabaletta "Ah il più lieto" aus Il barbiere di Siviglia und natürlich über das unvermeidliche, herrlich federnd und nobel gesungene La donna è mobile, mit dem der Peruaner vielleicht auch klar machen wollte, dass er das Kapitel Duca di Mantova keineswegs abgeschlossen hat, und mit der er samt einer Kadenz im Rossini-Stil, die er auch als solche kommentierte, das spannende Programm beschloss. War man in den ersten Minuten angesichts eines etwas unorganisierten, behäbig-unentschlossenen Beginns der Bellini-Ouvertüre noch etwas in Sorge, ob das Lütticher Orchester den von Michele Mariotti eingeforderten Standard und seine rasanten Tempi würde halten können, so war man spätestens ab der Signor Bruschino-Eröffnung erstaunt und mehr und mehr beglückt, wie qualitätsvoll die Musiker das nicht leichte Programm bewältigten (da zahlt sich die solide Arbeit des langjährigen "Orchestererziehers" Friedrich Pleyer und die Zusammenarbeit mit Altmeister Alberto Zedda aus) und wie viel Gespür der junge Dirigent gerade für Rossinis Brio hat (aus dessen Geburtsstadt er stammt). Den größten Applaus ernteten Kollektiv und Dirigent allerdings für die mitreißende Ouvertüre zu La Favorite, die man gern öfter hören würde und die zweifellos eine brilliante Alternative zur ständig bemühten Sinfonia zu Verdis La forza del destino darstellt. Es war also alles in allem ein Abend, an dem das Wort Perfektion mehr als im Raume stand - ich wage zu behaupten, dass man derzeit kaum etwas Besseres auf dem Podium für sein Geld geboten bekommt. Aber wie immer bei solch perfekten Phänomenen schleicht sich in einigen wenigen Momenten auch so etwas wie Langeweile ein, die gewiß undankbar ist und mir den Zorn der enthusiasmisierten Verehrer einbringen wird. Bei Juan Diego Flórez geht einfach nichts schief, da muss man in keiner Sekunde die Daumen halten für einen besonders heiklen Ton oder eine vertrackte Passage - und da ist die innere Beteiligung beim Rezensenten trotz größter Bewunderung für die Kunst dieses Ausnahmesängers, dessen Terminkalender bis 2014 gut gefüllt ist, dann doch ein wenig begrenzt. Für die vielen weiblichen Fans (und nicht nur die) war der einzige Wermutstropfen sicher der goldene Ring an der linken Hand - die Hochzeit mit Julia Trappe ist noch nicht bei allen verdaut ... 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AusführendeJuan Diego Flórez, TenorOrchestre de l'Opéra Royal de Wallonie Leitung: Michele Mariotti WerkeVincenzo Bellini Ouvertüre zu I Capuleti e i Montecchi Vincenzo Bellini "E serbata a questo acciaro" Arie des Tebaldo aus I Capuleti e i Montecchi Gioacchino Rossini Ouvertüre zu Il Signor Bruschino Gioacchino Rossini "Deh tu m'assisti amore" Arie des Bruschino figlio aus Il Signor Bruschino Gioacchino Rossini "Asile héréditaire" Arie des Arnold aus GuiIlaume Tell Gaetano Donizetti "La Maîtresse du Roi Arie des Fernand aus La Favorite Gaetano Donizetti Ouvertüre zu La Favorite Gaetano Donizetti "Partir degg'io ... T'amo qual s'ama un angelo" Arie des Gennaro aus Lucrezia Borgia Gaetano Donizetti Ouvertüre zu La Figlia del Reggimento Gaetano Donizetti "Amici miei" Arie des Tonio aus La Figlia del Reggimento
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