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Das Feuer der Jungen
Von Christoph Wurzel / Fotos: Andrea Kremper Vor Präsidenten, Königen und dem Papst haben sie schon gespielt und vor einen Millionenpublikum. Die Superlative scheinen nicht auszureichen, mit denen ihre Auftritte beschrieben werden. Medial werden ihre Namen gehandelt wie diejenigen von Popstars, der internationale Kulturbetrieb behandelt sie wie Markenartikel. Unter all dem kommerziellen Glanz, so fürchtet man manchmal, droht die künstlerische Seriosität zu verblassen. In Baden-Baden treten sie alle auf, die Superstars der Klassikbranche, von Anna Netrebko und Rolando Villazon (auch in diesem Sommer, aber nicht zusammen!) bis zu Lang Lang und Hilary Hahn. Diese beiden waren jetzt an einem kompakt hochkarätig besetzten Wochenende im Festspielhaus zu hören. Dass beide Künstler ihr Instrument virtuos beherrschen, ließ sich eindrucksvoll erleben. Aber auch, dass sie mit dem musikalischen Gehalt, der emotionalen Tiefe der Musik und den stilistischen Charakteristika recht unterschiedlich umgehen. Doch auch aufstrebenden Talenten gibt das Festspielhaus die Chance eines Auftritts. Und zwischen den beiden großen Namen hatten die Solisten der Sonntagsmatinee, die junge Cellistin Marie-Elisabeth Hecker und ihr Klavierbegleiter Martin Helmchen, auch keine große Mühe sich zu behaupten, denn ihr Musizieren war so frisch, sensibel und inspiriert, dass sie auch (noch) ohne Prominenz eine glänzende Figur machten. Lang Lang
Das Programm von Lang Lang war bestimmt von virtuos brillanter Klaviermusik, die einem Tastenakrobaten, wie es der 26jährige Chinese ist, sehr entgegen kommt: die Klaviersonate von Béla Bartók, von Debussy insgesamt fünf Préludes, die große Polonaise in As-Dur von Chopin und ja und eben die mittlere der drei Sonaten aus Schuberts letztem Lebensjahr, die Lang an den Anfang gestellt hatte. Diese A- Dur-Sonate atmet zwar nicht in demselben Maße den Todeshauch, die maßlose Traurigkeit der letzten in B-Dur, aber ihre liedhafte Heiterkeit ist doch deutlich durchzogen von Melancholie und Gefühlen der Einsamkeit. Derart Doppelbödiges war bei Lang Langs Interpretation allerdings nur wenig zu spüren. Das Uneigentliche der Musik, das zwischen den Noten zu lesen ist, blieb weitgehend unentdeckt. Der dramatische Gehalt, vor allem im Mittelteil des zweiten und im letzten Satz dagegen wurde von Lang Lang offensiv ausgespielt, bisweilen schon in die Nähe von Liszt gerückt. Als musikalischer Feuerwerker erwies Lang Lang sich in der einzigen Klavier-Sonate von Béla Bartók, die im 3. Satz folkloristisch inspiriert in einen rhythmischen Taumel mündet. Im ersten Satz brillierte er mit technisch makellosen Tastenpercussionen und stellte den Klangfarbenreichtum der Akkordblöcke des 2. Satzes in ihrer unterkühlten Stimmung eindrucksvoll aus. Übrigens kehrte die Sonate so wieder einmal nach Baden-Baden zurück, wo sie 1927 beim Fest der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik einst ihren Durchbruch erlebt hatte. Mit seiner Auswahl von Miniaturen aus Debussys zwei Heften der Préludes hatte sich Lang Lang auf das Gebiet der filigranen Tonmalerei begeben. Auch hier gelangen die brillant virtuosen Piécen (Feux d' artifice) und die nuancenreichen Klangspiele (La terrasse des audiences du clair de lune) überzeugender als die poetisch untergründigen wie die Klangbilder von der versunkenen Kathedrale oder des Mädchens mit den Flachshaaren (Nr. 8 und 10 des 2. Hefts), von deren geheimnisvollen Stimmungen weniger zu spüren war. Mit imperialer Geste und mächtigem Schwung ging er schließlich die berühmte As-Dur Polonaise an und schenkte dem Publikum (das sich im Übrigen an diesem Abend äußerst unkonzentriert und durch Klatschen zwischen den einzelnen Sätzen überdies noch unsensibel gezeigt hatte) als Zugabe die noch berühmtere E-Dur Etüde aus op. 10.
Martin Helmchen (Klavier) und Die Cellistin Marie-Elisabeth Hecker hat mit ihren erst 22 Jahren bereits eine stattliche Reihe von Referenzen vorzuweisen, die von den Dirigenten Christian Thielemann und Valery Gergiev bis zu Auftritten mit Orchestern wie dem Philharmonia Orchestra oder den Wiener Philharmonikern reichen. Sie erwies sich auch in Baden-Baden als ein vielversprechendes Talent und zeigte sich mit ihrem Klavierpartner Martin Helmchen, Träger des Clara-Haskil-Preises, in der sonntäglichen Konzertmatinee als zugleich energisch zupackende wie äußerst klangschön spielende Meisterin ihres Instruments. Das Programm umfasste 3 gehaltvolle Werke der Celloliteratur. Beethoven widmete als 25Jähriger dem preußischen König Friedrich Wilhelm zwei Cellosonaten, mit deren zweiter das Duo sein Konzert eröffnete. Schon im einleitenden Adagio offenbarten sich die Qualitäten der jungen Musiker: Marie-Elisabeth Heckers warmer, sonorer und runder Celloklang und die Klavierbegleitung von Martin Helmchen, die einfühlsam auf die Partnerin hörte und flexibel das Gleichgewicht zwischen den so ungleichen Stimmen zu halten vermochte. Nur am Ende des Satzes schien die innere Spannung über die einkomponierten Pausen hinweg ein wenig nachzulassen. Zu einem Beispiel frischen Musizierens mit gehörigem Gespür für die Wirkungen der Musik wurde das Rondo des Schlusssatzes. Die Cellosonate von Schostakowitsch gelang außerordentlich eindrucksvoll, erspürten die beiden Musiker doch die labile Balance, in der sich dieses Werk zwischen energischer Selbstbehauptung und melancholischer Resignation bewegt. Im 1. Satz ließen sie kontrastreich die hochdramatische Spannung des ersten Themas in die düster ahnungsvolle Reflexion des Schlussteils münden, als habe der Komponist das wenige Monate nach der Uraufführung ergangene Verdikt Stalins über seine Oper Lady Macbeth vorausgeahnt. Im 2. Satz führten sie eindrucksvoll Schostakowitsch als Meister der musikalischen Groteske vor. Der 3. Satz, einem ausdrucksvollen Largo, das bereits auf Schostakowitschs Spätstil voraus weist, war brennende Emotionalität das musikalische Gestaltungsprinzip und die trügerische Leichtigkeit des 4. Satzes war im Klavier mit trotzig grellem Anschlag und im Cello mit scheinbar unbedarfter Fröhlichkeit prägnant charakterisiert. Chopins Cellosonate, wohl wegen mancher kompositorischen Schwächen nur selten zu hören, bildete den Abschluss des Programms. Gleichwohl widmeten sich Marie-Elisabeth Hecker und Martin Helmchen auch diesem Werk mit Nachdruck, wobei besonders im 2. Satz das Thema im schönsten cantabile blühte und der 3. Satz ein Muster an romantisch erfühltem Ausdruck war. Hilary Hahn mit ihrerKlavierpartnerin Valentina Lisitsa
Einmal jährlich feiert der Freundeskreis Festspielhaus in seinem Haus sich selbst. Unter der prominenten Leitung von Wolfgang Schäuble laden die rund 1300 organisierten Unterstützer dieses privatwirtschaftlich betriebenen Kulturbetriebs zu einem Festkonzert. In diesem Jahr war Hilary Hahn der künstlerische Gast, zusammen mit ihrer Begleiterin Valentina Lisitsa. Und die beiden hatten sich ein höchst intelligentes Programm zusammengestellt, das reizvoller und anregender kaum hätte sein können. Die vielfältigen Bezüge zwischen den einzelnen Kompositionen forderten zu interessanten Hörerlebnissen heraus. Zwischen drei Violinsonaten von Charles Ives, hierzulande echten Repertoireraritäten, waren Ungarische Tänze von Brahms und Rumänische Volkstänze von Bartók platziert, was insofern spannende Hörerlebnisse bescherte, als sich die kompositorische Verarbeitung folkloristischer Elemente aus drei Kulturkreisen und zudem auf sehr unterschiedliche Weise nachvollziehen ließ. Die Sonaten von Charles Ives verbinden Volkstümliches, Splitter von Country-Melodien oder Ragtime-Motive mit melancholischer Innigkeit. Liedhafte Elemente zum Teil religiösen Anklangs stehen neben überraschenden rhythmischen Wendungen und offenen Schlüssen. Für diese intensiv geistvolle Musik erwiesen sich die beiden Solistinnen als kongeniale Übersetzerinnen. Geigenstimme und Klavier gehen hier größtenteils ganz eigene Wege, treffen sich wieder, kontrastieren und ergänzen sich: Hilary Hahns und Valentina Lisitsas Spiel spürte in höchster Aufmerksamkeit den noch so kleinsten Details und Wendungen des musikalischen Gedankengangs nach und dies mit atemberaubender Leichtigkeit und Natürlichkeit. Den ungarischen Tänzen von Brahms widmeten sie sich mit heftigem Schwung und feurigem Temperament. In gleichsam orchestraler Pracht erstrahlte der g-Moll-Tanz Nr. 5, wo Hilary Hahn ihren Geigenton raumfüllend weit ausschwingen ließ und beide Solistinnen mit einer Riesenportion Pusztatemperament das Publikum elektrisierten. Auch in den rumänischen Volkstänzen von Béla Bartók kam die pure Musizierlust beider Solistinnen gewaltig in Fahrt. In den Solosonaten von Eugene Ysaye mit ihren teils barockisierenden und dann wieder spätromantisch virtuos angelegten Passagen breitete Hilary Hahn den ganzen Fächer ihrer geigerischen Ausdrucksmöglichkeiten aus, einen atmenden, vitalen Ton, den brillanten, klaren Klang durch sparsamen Einsatz des Vibratos, eine makellose, vollkommen reine Intonation und einen inspirierten, beseelten Ausdruck. Nie war ihr Spiel bloße Ausstellung ihrer famosen Technik, an keiner Stelle extrovertierte Äußerlichkeit, stets blieb es kontrolliert und war doch von einer bewegenden Natürlichkeit. Lässt sich vollendeteres Geigenspiel denken? Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Die Programme21. März 2009: Lang Lang, Klavier Franz Schubert Sonate für Klavier A Dur D 959 Béla Bartók Sonate für Klavier Sz 80 Claude Debussy Préludes Heft I und II (Auszüge) Frédéric Chopin Poloniase As Dur op. 53 22. März 2009 (Matinee): Marie-Elisabeth Hecker Violoncello Martin Helmchen Klavier Ludwig van Beethoven Sonate für Violoncello und Klavier Nr. 2 g-Moll op. 5 Dimitri Schostakowitsch Sonate für Violoncello und Klavier d-Moll op. 40 Frédéric Chopin Sonate für Violoncello und Klavier g-Moll op. 65 22. März 2009: Festkonzert des Freundeskreises Festspielhaus Hilary Hahn Violine Valentina Lisitsa Klavier Eugène Ysaye Sonate für Violine solo e-Moll op. 27 Nr. 4 Charles Ives Sonate für Violine und Klavier Nr. 4 Children' s Day at the Camp Meeting Johannes Brahms Ungarische Tänze in der Bearbeitung für Violine und Klavier von Joseph Joachim Nr. 10, 11, 12, 19, 5, 20 und 21 Charles Ives Sonate für Violine und Klavier Nr. 2 Eugène Ysaye Sonate für Violine solo E-Dur op. 27 Nr. 6 Reve d' enfant op. 14 für Violine und Klavier Charles Ives Sonate für Violine und Klavier Nr. 1 Béla Bartók Rumänische Volkstänze Sz 56 in der Bearbeitung für Violine und Klavier von Zoltán Székely
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