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Ein historischer Rundgang durch Formen in der Musik
"Die Form ist in der Kunst (...) Hülle der Idee, Körper der Seele" (Franz Liszt). In diesem Sinne stellte das 5.Sinfoniekonzert unter der Leitung des Ersten Kapellmeisters Hendrik Vestmann 4 Kompositionen aus 3 Jahrhunderten vor. Mozarts "kleiner" g-Moll Sinfonie liegen zwar feste Formkonzepte für die einzelnen Sätze und den sinfonischen Verlaufs zugrunde, aber schon in der Komposition des 17-Jährigen zeigt sich, mit welch genialem, musikalischem Einfallsreichtum sie gefüllt werden. Es ist seine erste Sinfonie in Moll entstanden 1773 in Salzburg zwischen den italienischen Reisen (1769 bis 73) und der großen Pariser Reise (1777/78). Statt deutlicher Sonatenhauptsatzform, leicht beschwingten, melodischen, achttaktigen Dreiklangsthemen, Entwicklung zu größeren Orchesterformationen deutet sich hier schon eine neue, in der Reduzierung des Klanglichen fast kammermusikalische Sprache von dramatischer Bewegtheit und kontrapunktischer Vertiefung an. Vestmanns Interpretation von Tonwiederholungen, Tremoli und anderen dramatischen Entwicklungen wirkte vor allem im ersten Satz starr, wenig lebendig. Umso ansprechender, kammermusikalisch konzertierend dagegen die Holzbläser im G-Dur Trio des Menuetts. Anschließend erklang das meist gespielte Violinkonzert des 20.Jahrhunderts, Prokofjews Violinkonzert Nr.1 D-Dur op.19 in der einnehmenden, feinsinnigen Interpretation Midori Gotos, der Ersten Konzertmeisterin des Sinfonieorchesters. Komponiert 1916/17, uraufgeführt aufgrund der Oktoberrevolution 1923 in Paris, lebt das Werk von vielen harmonisch-melodischen und klanglichen Kompositionsideen, abwechslungsreichen Klangbildern. Besonders anrührend interpretiert und überzeugend im Zusammenspiel von Solo und Orchester war die Reprise und das Ende des ersten Satzes, wo das Thema lyrisch von Soloflöte, Oboe, Klarinette wiederaufgegriffen wird und unter der Begleitung von Harfe, gedämpften Streichern und Solovioline in zarten, flirrenden, flimmernden Tongebilden ausklingt. In einer ähnlichen Klangszene endet auch der dritte Satz. Während im zweiten Satz die ironisch gebrochene Virtuosität der Solovioline die Aufmerksamkeit auf sich zieht, wechselten im Finalsatz wieder Holzbläser und Violine mit solistischen Einlagen. Im Mittelteil bspw. greifen Celli und Kontrabässe den thematischen Grundgedanken wieder auf, den die Solovioline in Sechzehnteln umspielt. Als Zugabe spielte Midori Goto mit einem Barockbogen sehr lebendig phrasiert und differenziert gestaltet einen Satz aus den Bach-Partiten.
"Die Hunnenschlacht" Nach der Pause erklangen zwei Kompositionen des 19. Jahrhunderts, deren Formkonzeptionen gegensätzlicher nicht sein können, zunächst die Haydn-Variationen von Johannes Brahms und anschließend die sinfonische Dichtung "Die Hunnenschlacht" von Franz Liszt. Während Brahms seinen kunstvollen sinfonischen Variationen ein musikalisches Thema zugrundelegte, war die Vorlage für Liszts Komposition ein idealisierendes, repräsentatives Historiengemälde von Wilhelm von Kaulbach. Dargestellt ist eine historische Legende der Schlacht der Hunnen unter Attila gegen die Westgoten auf den katalaunischen Felsen bei Châlons-sur-Marne aus dem Jahre 451, wonach die Seelen noch drei Tage und Nächte weitergefochten hätten. Was bei Kaulbach als farblose Geisterschlacht in der Himmelssphäre erscheint, ähnelt bei Liszt zunächst einem wie aus dem Nebel aussteigenden, filmmusikalischen, klangfarbenfreudigen Schlachtengemälde mit viel Tschinderassabumm, punktierten Rhythmen, Hornfanfaren und Trompetensignalen bis auf dem Höhepunkt "plötzlich Licht durch die finsteren Wollen blitzt" (Liszt). Das Orchester schweigt. Man hört einen, den "Triumph des Christentum" darstellenden , von der Orgel intonierten Choral "Crux fidelis". Auch das von Brahms 1873 ausgestaltete musikalische Thema ist ein Choral, der fälschlicherweise Joseph Haydn zugeschriebene "Chorale St. Antoni". Wo bei Liszt im Sinne einer inhaltlich poetisierenden Ausdeutung die Klangfetzen flogen, arbeitete Vestmann bei Brahms sehr durchsichtig und genau die durchbrochene, sinfonische Struktur und den unterschiedlichen Ausdruck der einzelnen Variationen heraus. Ob ritterlich kraftvoll (6.Variation) oder lyrischer Sizialianogesang (7.Variation), ob permanent durchklingender Glockenton (1.Variation) oder Melodie und Umkehrung im Wechselspiel von gedämpften Streichern und Holzbläsern (8.Variation) immer führt Brahms in seinen Variationen eine dem Ausgangsthema zugrundeliegende Struktur weiter bis der Choral in einer Art Final-Passacaglia immer deutlicher hervortritt und die Komposition glanzvoll beendet. Die gelungene Gegenüberstellung von Liszt und Brahms ist auch Gegenstand des zweiten Konzerts der neu eingerichteten Reihe "taktlos", wo Einsteiger und Liebhaber klassischer Musik an "genussvolles Hören" herangeführt werden. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Midori Goto Violine Sinfonieorchester Münster Hendrik Vestmann Dirigent Wolfgang Amadeus Mozart Sinfonie g-Moll KV 183 Sergej Prokofjew Konzert für Violine und Orchester Nr.1 D-Dur op. 19 Johannes Brahms Variationen für Orchester über ein Thema von Joseph Haydn B-Dur op. 56a Franz Liszt Sinfonische Dichtung Nr.11 "Hunnenschlacht"
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