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Einstand mit Mahler und Battistelli
Normalerweise sind gerade die Sinfoniekonzerte in Münster gut besucht. Daher war der Schock beim Anblick der nur spärlich besetzten ersten Reihen im Parkett umso größer! Und das beim ersten, vom neuen Generalmusikdirektor Fabrizio Ventura dirigierten Sinfoniekonzert, bei einem Programm mit Malers Neunter, seiner letzten vollendeten Sinfonie, der Abschiedssinfonie, dem Neubeginn nach der Sinfonie der Tausend. Es war eine grandiose, an die Zeiten von Alfred Walter erinnernde Aufführung von Dirigent und Orchester. Aber Fußball-Länderspiel und eine Veranstaltung zum lokalen Kulturdauerbrenner Musikhalle fesselten offenbar das Interesse der münsterschen BürgerInnen mehr. Oder sollten Mahler-Sinfonien in Münster immer noch Weltanschauungsmusik (Dahlhaus) sein?
Erst seit Gustav Mahlers 100. Geburtstag, seit Beginn der 60er Jahre, haben sein Ruhm, seine Popularität zugenommen, scheinen jedoch auch heutzutage nicht selbstverständlich zu sein. Die Einen lieben seine zynischen, gebrochenen, aber auch pathetisch sentimentalen musikalischen Botschaften, Andere empfinden Unbehagen. Venturas Interpretation lebte von dem widersprüchlichen Pathos dieser Sehnsucht. Mit eindrucksvollem Spannungsbogen mittels Tempo- und Dynamik-Gestaltung wurden vor allem im Adagio-Satz Generalpausen, das Abbrechen und Neuansetzen melodischer Phrasen geradezu inszeniert wie ein Abschied, der nicht enden will, Wehmut auslöst, weil irgendwann unweigerlich die Schwelle der Stille, der Leblosigkeit erreicht ist. Zu dieser ausdrucksstarken Inszenierung gehörten aber auch eine fast animalische Sinnlichkeit der Rondo-Burleske sowie das Ausleben, Auskosten des Moments der Entfremdung, der leidenschaftslosen Schönheit (Schönberg), wenn in zartem Pianissimo und Spiel in extremer Lage der Klangfarbenwechsel verzögert, schattenhaft (Spielanweisung Mahlers) einsetzt.
Musik und Malerei Klangfarbliche Experimente wie in der Oper Experimentum mundi mit 16 Handwerkern und deren verschiedenen Aktionen auf der Bühne bleiben bei Lettera a Francis Bacon aus. Das unsichtbare Orchester, dessen Klang symbiotisch mit dem Orchester verschmilzt, erscheint als nicht hörbare Tonbandeinspielung. Stattdessen beben und brummen bekannte, effektvolle Tonwechsel, Tremoli und Glissandi, türmen sich, Holz- und Blechbläser miteinbeziehend, schichtweise zu einem Klangtumult auf, der hochdramatisch mit Paukenwirbeln, scheppernden Becken- oder Gongschlägen abgeschnitten wird, eine Ausweitung des Klanges zum Schrei.
Battistelli ließ sich bei dieser Komposition vor allem von den Papstbildern Francis Bacons inspirieren. Während Bacon durch Zerfallstechniken mit scharfem Blick die elementare Seite der menschlichen Natur offenlegt, bleiben Battistellis musikalische Kommentare illustrativ oberflächlich. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Sinfonieorchester Münster Fabrizio Ventura Dirigent Giorgio Battistelli Lettera a Francis Bacon für großes und unsichtbares Orchester (deutsche Erstaufführung) Gustav Mahler Sinfonie Nr.9 für großes Orchester
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