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Nur ein heller Stern erstrahlte
Von Gerhard Menzel Nichts war's mit dem "Traumpaar der klassischen Musik"! Das geplante Konzertereignis des Jahres, das mit den beiden zur Zeit gefeiertsten Superstars der klassischen Musik - Anna Netrebko und Rolando Villazón - bei Konzerten in Köln, Halle/Westfalen, Berlin und Stuttgart präsentiert werden sollte, fiel leider aus. Nachdem bei Anna Netrebko am 04.08.07 - also unmittelbar nach den drei Galakonzerten in Baden-Baden (siehe OMM-Kritik) - eine akute Laryngitis diagnostiziert wurde, sagte sie drei Aufführungen von Pergolesis "Stabat mater" in Salzburg ab und begab sich sofort in ärztliche Behandlung. Für das erste der vier geplanten Konzerte war sie nun wieder genesen und in bester Laune. Schlimmer traf es Rolando Villazón, der krankheitsbedingt für den gesamten Zeitraum alle geplanten Auftritte absagen musste. Für das Konzert in Köln hatte man nun Marcelo Alvarez engagiert, der bereits 2004 bei der "Italienischen Nacht" in der Waldbühne Berlin zusammen mit Anna Netrebko aufgetreten ist. Als weitere Ersatzpartner für Anna Netrebko fungierten seine Kollegen José Cura in Halle/Westfalen und Ramón Vargas in Berlin und Stuttgart. So kam es dann auch zu dem mehr oder weniger irreführenden Motto des Programmheftes (in dem die aufgeführten Stücke allerdings nicht abgedruckt waren) "Anna Netrebko und 3 Tenöre". Aber für Rolando Villazón einen adäquaten Ersatz zu finden ist anscheinend schwierig, zumindest wenn es um einen gleichwertigen Partner für Anna Netrebko geht. Diesen Eindruck konnte man jedenfalls bei Marcelo Alvarez bekommen. Marcelo Álvarez & Anna Netrebko © Kölnarena
Der argentinischen Tenor Marcelo Álvarez war nach seinem sensationellen Debüt an der New Yorker Met einer der gefragtesten Belcanto-Tenöre der Welt und erhielt für seine lyrische Stimme, die mit einem schönen Ton und einer klaren Höhe aufwarten konnte, in den Jahren 2000 und 2002 den ECHO der Klassik. Inzwischen hat er sein Repertoire auf die dramatischeren Partien wie Manrico ("Il Trovatore") und Cavaradossi ("Tosca") ausgeweitet, die seine Stimme wesentlich mehr beanspruchten. Immer noch um Legatobögen und feine Differenzierung bemüht, hörte man ihm - gerade in der Blumenarie des Don Jose ("Carmen") zu Beginn des Konzertes - an, dass diese Partien seiner Stimme doch einiges von seiner Leichtigkeit und dem Schmelz vergangener Zeiten genommen haben. Nach 'Ah si, ben mio' ("Il Trovatore") und 'E lucevan le stelle' ("Tosca") sang er er auch den (fast unvermeidlichen) Dauerhit 'Nessun dorma' ("Turandot"), den er dem begeisterten Publikum mit Routine und viel Geschick servierte.
Schlussapplaus
Sobald allerdings Anna Netrebko die Bühne betrat, kam es zu einem Aufeinandertreffen zweier verschiedener Welten. Er ein "traditioneller" Tenor, gestanden, erfahren, immer bestrebt, Ausdruck und Emotion zu vermitteln, und sie, eine unbekümmert auftretende, natürlich, keck und sofort Kontakt zum Publikum aufnehmende moderne Frau, die durch ihre Persönlichkeit unmittelbar begeistert. Dass sie dazu noch blendend aussieht und neben einer stupenden Technik noch eine herrliche, durch ihr Timbre sofort zu wiederzuerkennende Stimme besitzt, die sie ebenso natürlich und scheinbar mühelos durch alle musikalischen Gefilde führt, macht ihren grandiosen Erfolg sofort verständlich. Anna Netrebko erhielt 2006 als "Sängerin des Jahres" und für den "Bestseller des Jahres" gleich zwei ECHOs und brachte die Klassik sogar an die Spitze der POP-Charts. Natürlich gibt es noch viele andere Sängerinnen, die ebenfalls viele Meriten aufweisen können, aber Anna Netrebko hatte eben auch das große Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein und mit den richtigen Leuten zusammen zu kommen. Durch ihr Talent und ihre äußerlichen Reize hat sie für die Medien natürlich einen hohen Marktwert, die sie daher auch - fast hemmungslos - als glamouröse Diva und kultigen Superstar "verkaufen". Eine der beiden Großleinwände (links und rechts der Bühne) mit der Programmeinblendung Foto: Gerhard Menzel
Die Realität sieht allerdings ganz anders aus. In Köln betrat sie - beim Auftrittsapplaus gleich ins Publikum winkend - die Bühne derart fröhlich, unbeschwert und natürlich, dass sie das Publikum gleich in ihren Bann zog. Wie sie die Musik liebt, lebt und mit ganzem Herzen vermittelt, konnte man bei ihr unmittelbar erleben. Neben dem bekannten Walzer Musettas aus Puccinis "La Bohème" und 'Chi il bel sogno di Doretta' aus dessen selten aufgeführter Oper "La rondine", präsentierte sie die Arie 'Ebben! Ne andrò lontana' aus Alfredo Catalanis "La Wally" und die "Visitenkarte" aller "engagierten" Sopranistinnen: 'Casta Diva' aus Bellinis "Norma". Die Feststellung, dass sie dabei noch weitere Farben und Zwischentöne einfließen lassen könnte, ist durchaus beruhigend. Schließlich wollen alle Fans Anna Netrebko noch viele Jahre lang ergriffen lauschen und zuschauen. Hier erwies es sich auch als äußerst komfortabel, dass links und rechst der Bühne zwei große Leinwände aufgebaut waren, auf denen wirklich sehenswerte Nahaufnahmen der Protagonisten projiziert wurden. Dabei kam auch in den Duetten mit Marcelo Álvarez besonders deutlich zum Ausdruck, wie ungeheuer intensiv und überzeugend ihre Gestaltung wirkt. Auf jeden Fall ließen beide die Zuhörer dahin schmelzen und bisweilen konnte man sogar ein mehr oder weniger innigliches Mitsummen der Opernschlager vernehmen.
Der Bühnenaufbau
Der über Mikrophone und Lautsprecher verstärkte Gesamtklang war zwar nicht besonders schön, ihm wurde aber anscheinend wesentlich mehr Aufmerksamkeit gewidmet, als bei der akustisch katastrophal zugerichteten "Herr der Ringe Sinfonie" im letzten April (siehe OMM-Kritik) . Einer der schönsten Augenblicke des Abends war allerdings der, als sich Anna Netrebko in der Arie aus "La rondine" von den Mikros entfernte und ihre Stimme - bei einem sehr leise spielenden Orchester - für kurze Zeit einmal ohne Verstärkung zu hören war. Das Orchester der Deutschen Oper Berlin unter der Leitung von Marco Armiliato schien sich allerdings nicht besonders mit ihrer "Begleitfunktion" anfreunden zu können. Auch die Solostücke des Orchesters klangen nicht besonders inspiriert, wozu wohl auch die zum Teil merkwürdig verschleppten Tempi von Marco Armiliato beitrugen. Das Unerfreulichste an der gesamten Veranstaltung waren allerdings die katastrophalen verkehrstechnischen Probleme im Umfeld der Kölnarena. Bereits eine Stunde vor Beginn der Veranstaltung waren alle Parkplätze auf dem Arenagelände belegt! Da bedarf es anscheinend noch einiger Nachbesserung!
Auf die gemeinsamen Auftritte von Anna Netrebko und Rolando Villazón als "Traumpaar der klassischen Musik" muss also wieder sehnsüchtig gewartet werden. Immerhin erstrahlte der Stern von Anna Netrebko in Köln, der allerdings auch die Schatten aufzeigte, in denen andere - wie hier zu erleben - verschwinden. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Anna Netrebko Sopran Marcelo Alvarez Tenor Orchester der Deutschen Oper Berlin Marco Armiliato Leitung TEIL I Gioacchino Rossini Il barbiere di Siviglia - Ouvertüre Orchester Giacomo Puccini La Bohème - Quando m'en vo' Anna Netrebko Georges Bizet Carmen - 'La fleur que tu m'avais jetée' Marcelo Álvarez Georges Bizet Carmen - Ouvertüre Orchester Giuseppe Verdi Il trovatore - 'Ah si, ben mio' Marcelo Álvarez Giacomo Puccini La rondine - 'Chi il bel sogno di Doretta' Anna Netrebko Jules Massenet Thais - Meditation Orchester Jules Massenet Manon - St. Sulpice-Szene Anna Netrebko & Marcelo Álvarez TEIL II Giuseppe Verdi Nabucco - Ouvertüre Orchester Giacomo Puccini Tosca - 'E lucevan le stelle' Marcelo Álvarez Vincenzo Bellini Norma - 'Casta Diva ... Ah, bello a me ritorna' Anna Netrebko Pietro Mascagni Cavalleria Rusticana - 'Intermezzo' Orchester Alfredo Catalani La Wally - 'Ebben! Ne andrò lontana' Anna Netrebko Giacomo Puccini Turandot - 'Nessun dorma' Marcelo Álvarez Giacomo Puccini La Bohème - 'O soave fanciulla' Anna Netrebko & Marcelo Álvarez Zugaben Franz Lehár Giuditta - 'Meine Lippen, sie küssen so heiß' Anna Netrebko Pablo Sorozábal La taberna del puerto - 'No puede ser' Marcelo Alvarez Giacomo Puccini Gianni Schicchi - 'O mio babbino caro' Anna Netrebko Giuseppe Verdi Traviata - 'Brindisi' Anna Netrebko & Marcelo Alvarez
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