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Mahler in strahlendem Glanz
Von Stefan Schmöe Hymn von Charles Ives ist ein gar nicht hymnisches Stück, sondern ein Largo Cantabile für Streichorchester, das sich an kleinen Motivfetzen entlang tastet, darin dem späten Mahler enger verwandt als dem Mittdreißiger, als der er die dritte Symphonie komponierte. In ihrem ruhigen, Charakter ist die nur wenige Minuten kurzen Komposition Ives' dem Finale der d-Moll-Symphonie durchaus ähnlich. Steven Sloane, Chefdirigent der Bochumer Symphoniker, stellt das Stückchen an den Anfang des Konzerts und lässt ohne jede Zäsur unmittelbar die einleitende Fanfare der Dritten erklingen, als gehörten beide Werke zusammen. Man mag in dieser Anordnung ein zyklisches Werden und Vergehen erkennen, was den pantheistischen Ideen, die dieses Werk durchziehen, entspricht. Sloane hebt die Kontraste in Mahlers Musik hervor, kann die Stimmung durch Farbwechsel von einem Akkord zum nächsten kippen lassen, ohne den romantischen Grundton, der in dieser Interpretation wie eine Klammer die disparaten Elemente zusammen hält, aufzugeben. Dadurch wird gleichermaßen die Verhaftung in romantischer Tradition wie das Neuartige dieser Musik hörbar. Sloane scheut nicht die trivialen Momente, mitunter meint man, eine Militärkapelle um die nächste Ecke biegen zu hören. Solche Effekte folgen aber immer einer musikimmanenten Logik und sind hier nie Selbstzweck und man merkt ihnen die Ironie an, die oft dahinter steht. Mit den hervorragend disponierten Bochumer Symphonikern geht Sloane aufs Ganze, lässt Pianissimo-Passagen an der Grenze der Hörbarkeit spielen und fordert den Musikern alles ab. Rückgrat des Orchesters ist die ausgezeichnete Hörner-Gruppe. Der Orchesterklang ist schlank und auch im Fortissimo nie massig, dazu hell und brillant. Die Streicher könnten noch körperhafter klingen; die Verschiebung zu den strahlenden und glänzenden Registern geht ein wenig auf Kosten der warmen, tieferen Lagen. Dadurch entsteht ein klanglich auf Hochglanz polierter, aber keineswegs in seinen Widersprüchen geglätteter Mahler. Einen exzellenten Eindruck hinterließen die ungeheuer präsenten Frauen- und Mädchenchöre (den Namen von Chorleiter Alexander Eberle muss man, seiner offenkundig ausgezeichneten Arbeit zum Trotz, im Programmheft lange suchen). Mit strahlendem, jugendlichem Klang und griffiger Artikulation dürfen sie losjubeln was das Zeug hält, und das bekommt der nicht ungefährlichen Naivität des fünften Satzes sehr gut. Mezzosopranistin Christa Mayer singt das O Mensch! Gib Acht! mit warmer und sonorer Stimme, die sich schön in den Orchesterklang einfügt. Das Posthorn-Solo (der Solist ist nicht genannt) lässt Sloane sehr leicht und fast eilig spielen ganz so sehr muss man die Melancholie dann doch nicht scheuen. Das Finale interpretiert Sloane aus der Perspektive der letzten beiden Symphonien, der 9. und der unvollendeten 10. Die fließende Melodik wird nicht unterdrückt, steht aber im Dienst einer groß dimensionierten Entwicklung, an deren Ende immer stärker ein unerbittlich pochendes Metrum steht. Die ursprünglich geplante, später aber von Mahler selbst verworfene programmatische Satzbezeichnung Was die Liebe mir erzählt scheint da keine Rolle zu spielen, vielmehr haben strukturelle Momente an Bedeutung gewonnen. Sloane, der wie ein jederzeit überlegene Stratege höchst souverän die gestalterischen Impulse gibt, disponiert eine gigantische Steigerung, die das Publikum mit dem Schlussakkord aus den Sitzen riss. Standing ovations für eine stimmige und mitreißende Aufführung. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Christa Mayer, Mezzosopran Kinderchor, Jugendchor und Frauenchor des Philharmonischen Chores Essen (Leitung: Alexander Eberle) Bochumer Symphoniker Leitung: Steven Sloane Charles Ives: Hymn (Largo Cantabile für Streichorchester) Gustav Mahler: Symphonie Nr. 3 d-Moll
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