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WIENER BLUT - das tat gut
Halbszenische Aufführung der Staatsoperette Dresden in Kostüm und Maske in der Essener Philharmonie
Von Peter Bilsing
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Fotos von Stephan Floss
"Man nehme zwanzig bis dreißig Kilo alter Straußscher Walzer, Polkas, Märsche u.s.w., mische sie mit 3 Kilo Wiener Posse und den Musikstücken angedichteten Texten, menge alles mit Gewal(t)z durcheinander - und eine neue Operette vom Johann Strauß ist fertig. Doch nicht alles, was gut zum Tanzen ist, ist auch gut zum Singen." Johann Strauß selber, war schon am 3. Juni des Jahres 1896 verstorben. Der Misserfolg dieser Uraufführung führte schließlich zur baldigen Einstellung des Stücks und das Wiener Carl-Theater ging Pleite. Theater-Chef Franz Jauner, der in diesem in der Tat von seinen Kollegen Léon und Stein mit Genehmigung von Johann Strauß zusammengefügten Konglomerat bereits vorhandener Strauß-Musik, seine letzte Rettung gesehen hatte, erschoss sich vier Monate später. Erst weitere 5 Jahre darauf, am 23.April 1905 wurde das Stück im Theater an der Wien mit großem Erfolg als tatsächlich letztes Meisterwerk des großen Johann Strauß rehabilitiert. Da Strauß in seinem Leben rund 500 Walzer, Märsche und Polkas komponiert hatte, ging die Geschichte durchaus in Ordnung und es hat auch heute noch seinen musikalischen Reiz, wenn man es - wollen wir mal frivol formulieren - überall "fledermausen" hört. Immerhin gehört die Operette nicht zuletzt wegen des weltbekannten Wiener-Blut-Walzers, der schon zur Hochzeit der österreichischen Erzherzogin Gisela mit Leopold von Bayern 1873 entstanden war, allerorten noch zu den beliebtesten Operetten-Werken und man feierte mit ihr gerade erst in der Regie von Maximilian Schell höchst erfolgreich das 50-jährige Jubiläum der Mörbischer Festspiele. Daß die Staatsoperette Dresden mit zu den letzten großen Operettenbastionen dieser Welt zählt, in der das Genre noch ernst genommen und hochqualitativ gepflegt wird, ist schon mehrfach bestätigt worden. Nicht zuletzt, und es wird sicherlich auch weiterhin so sein, durch ihre Gastspiele in aller Welt und gerade jetzt wieder in der Essener Philharmonie. Bernd Könnes (Josef, Kammerdiener) undJens Winkelmann (Balduin Graf Zedlau)
Wer justament in Berlin Konwitschnys "szenische Verunglimpfung" von Lehars LAND DES LÄCHELNS gesehen hat oder durch modernistische Regie-Firlefanz allüberall verunsichert wird, muß eine solche "halbszenische Aufführung in Kostüm und Maske" einfach genießen. Nichts lenkt von der Handlung ab, das Orchester der Staatsoperette Dresden unter der einfühlsamen Leitung von Andreas Henning oben auf dem Orchesterpodest positioniert, ist ein Genuß und die Sängercrew präsentiert sich fehlerlos. Wahrscheinlich wäre es gar nicht nötig gewesen, so gute Sänger auch noch per Mikroport zu verstärken, aber bei einem über 2000 Personen fassenden Auditorium Maximum ist Sicherheit angesagt. Das Technikteam arbeitete auch diesmal wieder perfekt und mischte die elektronische Verstärkung nur marginal und sehr feinfühlig der Originalstimme bei.
Rolf Wollrad
Die ursprüngliche Inszenierung von Lutz Hochstraate in den prachtvollen zeithistorischen Kostümen von Katrin Rölle wurde von Jutta Richter-Merz räumlich glaubwürdig und auch choreografisch passend auf die Bühne der Philharmonie übertragen. Auch die Choristen präsentierten sich in Bestform. Es war ein ausgesprochen ungetrübter Genuß für alle Musik- und Operettenfreunde, die sich mit den Malaisen des Regietheaters einmal nicht auseinandersetzen wollten und brauchten. Jens Winkelmann(Balduin Graf Zedlau)
Wer ein Operettenensemble sucht, das bis in die kleinste Partie rollendeckend und stimmlich perfekt besetzt ist, wurde hier fündig. Es gelang allen Beteiligten (auch und insbesondere den Nichtösterreichern) den Wiener Charme auch sprachlich brillant rüberzubringen. Pars pro toto möchte ich hier explizit ein "Urgestein", den "Grand Seigneur" und ehemaligen Operndirektor der Dresdener Oper benennen, nämlich Kammersänger Rolf Wollrad. Was dieser fabelhafte Künstler noch an tragendem Stimmformat, Wärme und Ausstrahlung auf die Szene zaubert ist nicht nur herzbetörend, sondern sollte manch trägem, lahmem Mittfünfziger - den ich so alltäglich in vielen Theatern erlebe - Ansporn und Vorbild sein. Bravo! In diesem Sinne kann die geplante nächste Vorstellung der Staatsoperette Dresden mit Millöckers BETTELSTUDENT am 1.Juni 2008 (!) ebenfalls in der Essener Philharmonie allen Musikfreunden eigentlich nur als mein persönlicher stiller Geheimtipp wärmstens ans Herz gelegt werden. Bitte im Terminkalender rot anstreichen und einen dicken Knoten im Taschentuch machen. Au revoir bis dato! Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Wiener Blut Musikalische Leitung: Andreas Henning Regie: Lutz Hochstraate Choreografie: Jutta Richter-Merz Kostüme: Katrin Rölle Chor: Martin Wagner & Thomas Runge Dramaturgie: André Meyer KS Rolf Wollrad, Fürst Ypsheim-Gindelbach Jens Winkelmann, Balduin Graf Zedlau Ingeborg Schöpf, Gabriele, seine Frau Christian Theodoridis, Graf Bitowski Elke Kottmair, Franziska Cagliari Alois Walchshofer, Kagler, ihr Vater Gabriele Rösel, Pepi Pleininger Bernd Könnes, Josef, Kammerdiener Chor, Ballett und Orchester der Staatsoperette Dresden
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