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Saison-Eröffnungskonzert

Simon Bolivar Youth Orchestra of Venezuela
& Gustavo Dudamel


21. August 2007

Philharmonie Essen
Alfried Krupp Saal
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Philharmonie Essen (Homepage)
Gratias a la vida !
Gustavo Dudamel dirigierte das fabelhafte
"Simon Bolivar Youth Orchestra of Venezuela" in Essen

Von Peter Bilsing

Wenn die Konzerte eines ausländischen Jugendorchesters mit seinem blutjungen 26-jährigen Dirigenten allüberall fast ein halbes Jahr im Vorab ausverkauft sind, dann bahnt sich Eventartiges an. Im Zeitalter der klassischen Popstars dräut ein neuer Name am Horizont: "Gustavo Dudamel". Das Orchester heißt: "Simon Bolivar Youth Orchestra of Venezuela" (nach dem legendären Freiheitskämpfer benannt) und es trägt seinen Dirigenten auf bewundernswerten musikalischen Engelsflügeln.


Vergrößerung in neuem Fenster Gustavo Dudamel
Foto: Riccardo Mussachio/Philharmonie Essen

Dudamel bringt beste Voraussetzungen mit, einen ähnlichen Popularitätsgrad wie seine Vorbilder Karajan & Bernstein zu erreichen. Er wird sicherlich - auch Dank begleitender Unterstützung der Deutschen Grammophon und etlicher Sponsoren - diesen Gipfel schon in wenigen Jahren erreicht haben. Immerhin haben der Rummel um ihn und die hohe Wertschätzung seiner ihn protegierenden Lehrmeister & Freunde (Neeme Järvi, Daniel Barenboim, Simon Rattle, Riccardo Muti u. a.) schon dazu geführt, daß er in den nächsten Jahren, neben seinem venezuelanischen Hausorchester, noch Chefdirigent in Göteborg und Los Angeles wird. Unzweifelhaft bleibt jedenfalls, daß wir von diesem Wunderknaben noch viel hören werden, denn er steht im vollen Rampenlicht und genießt es, daß sich nicht nur das stets begeisterte Publikum, sondern auch Presse, Agenten, Veranstalter, Plattenfirmen und die Medien mittlerweile um ihn reißen, denn eines ist der sympathische junge Mann jetzt schon: Superstar seiner Dirigentengeneration.

Das SBYOV ist das Top-Orchester des staatlichen Jugendorchestersystems in Venezuela. 1975 implementierte Dr. Jose Antonio Abreu (Visionärer Ökonom, Musiker und Politiker) dieses einzigartige staatliche geförderte "Sistema" mit dem Ziel, den in Armut lebenden Kindern eine neue Perspektive zu bieten. Eine Perspektive, die sich gelohnt zu haben scheint, denn trotz wechselnder Regierungen gibt es heute rund 30 professionelle Orchester, 125 Jugendorchester, ca. 15 000 Musiklehrer und mittlerweile bald eine Viertel Million Schüler - Tendenz steigend. Hier sind staatliche Ölgewinne gut angelegt.


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Simon Bolivar Youth Orchestra
of Venezuela
Foto: Noheli Oliveros/Philharmonie Essen

Das "Simon Bolivar Youth Orchestra" bietet wahrlich (!) klassische Musik in einer neuen Dimension. Nicht weniger als 220 junge talentierte Musiker im Alter von 16 - 25 Jahren bilden den Kern dieses "Klangkörpers" - im wahrsten Sinne des Wortes. Selten hat man Beethovens "Eroica" in einer Mahlerbesetzung mit über 120 Musikern gehört (allein 12 Kontrabässe, gut 25 erste Geigen, die anderen Streicher unzählbar, sowie mehrfach besetzte Bläserpulte). Allein der optische Eindruck war frappierend. Und schon nach den ersten Takten brennt sich ein, daß was hier an jugendlicher Frische, Feuer, Schwung und Lebendigkeit in den alten Beethoven eingehaucht wurde: unerhört und bisher ungehört.

Was diesen jungen Talenten vielleicht noch an professioneller Routine, Erfahrung und Reife mangelte, machten sie quasi "locker vom Hocker" aber doch höchst konzentriert mit viel Spielfreude und Elan wieder wett. Angesichts dieser Opulenz war eine besondere Tiefe und intellektuelle Durchwalkung der Partitur natürlich kaum zu erwarten, und das Publikum zeigte höchst beifallsfreudig (nach jedem Satz!), daß es darauf auch nicht unbedingt Wert legte. Beethovens "Eroica" la Ola… Doch das große Abenteuer der Musik war ja auch eigentlich für den zweiten, den de fakto fast ausnahmslos lateinamerikanisch prononcierten Teil des Abends angesagt.

Da hatte sich das ohnehin große Orchester, zum Erstaunen des Publikums nach der Pause, noch durch Mitglieder des "Venezuelan Brass Ensembles" auf unglaubliche (grob geschätzt) vielleicht 150 Musiker vermehrt. Nur der geradezu artistisch sportiven Beweglichkeit und platzfördernd räumlichen Bescheidenheit der vielen optisch gut durchtrainierten jugendlich, schlanken Musiker war es zu verdanken, daß keiner vom Podest fiel. Wohl noch nie war das Podium der Essener Philharmonie bisher so rappelvoll besetzt. Dann ging wirklich die sprichwörtliche Post ab!

Die Interpretation von Bersteins "Sinfonischen Tänzen" - die Konzertsaal-Version der West-Side-Story (ohne Gesang) - riss das Publikum förmlich von den Stühlen. Drive und Rhythmus in seinem durchaus auch feinfühligen Dirigat brachte der fabelhaft frei dirigierende Gustavo Dudamel (die Partitur hatte er natürlich, wie auch schon die der Eroica, mit Leib und Seele verinnerlicht!) auf den Punkt. Bernstein hätte seine wahre Freude gehabt; auch am emotionalen Dirigierstil des Jungtalents. Endlich konnte das Orchester zeigen, wo sein Herz schlägt, wo sein Blut pulsiert und es verblüffte das Publikum mit einem derartig facettenreichen Können, daß manch jungem Konzertbesucher der Mund vor Staunen offen stand. Alles war aber nicht nur furios und temporeich, sondern auch von enormer technischer Präzision. Der Beifall des enthusiasmisierten Publikums war überschwänglich.


Vergrößerung in neuem Fenster Simon Bolivar Youth Orchestra
of Venezuela & Gustavo Dudamel
Foto: Noheli Oliveros/Philharmonie Essen

Doch es sollte noch toller kommen, denn im weiteren Verlauf waren die "Originale" dieser südamerikanischen Tänze angesagt. Eine Programmauswahl die thematisch passte und sich perfekt mit Bernsteins brillanter Komposition ergänzte.

Den Anfang machte der berühmte "Huapagano" (1941) des Mexikaners Jose Pablo Moncayo, wo aztekische und spanische Musiktraditionen in fast explosionsartigen Rhythmen miteinander in einem gigantischen Klangrausch verschmelzen. Gefolgt vom Stück "Danzon II" des Arturo Marquez (1994) - einem überkochenden musikalischen Vukan, scheinbar direkt den dampfenden Nachtclubs von Havanna entsprungener musikalischer Tanzeruptionen.

Den Abschluß bildete als wunderbares symphonisches Tableau die "Estancia-Suite" von Alberto Ginasteras (1916-1983); Ballettmusik, die einen normalen Tag aus dem Leben der Gauchos darstellt. Eine faszinierende Komposition, die sich in einem orgiastisch zuspitzenden Malambo (spanisch/afrikanischer Männertanz) finalisiert - einem atemberaubend furios gesteigerten und vom Riesenorchester staccatohaft gehämmert und gestampften Finale, welches Ravels "Bolero" schon fast als geradezu friedvolle Kindergeburtstagmusik in Erinnerung scheinen läßt.

Beifall ohne Ende und noch zwei weitere Zugaben (Fernandez "Batuque" & Revueltas "Sense maya"), bei denen sich die Musiker im Ornat der venezuelanischen Flagge nicht nur als tanzende Rastellis, teilweise mit ihren Instrumenten jonglierend, sondern auch als vom Rhythmus der eigenen Musik emotional stark bewegte resp. begeisterte einfache und natürliche Jugendliche präsentierten. Welch ein Jubel! Was für ein herrlicher Abend.




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Simon Bolivar Youth Orchestra
of Venezuela

Gustavo Dudamel
Dirigent




Ludwig van Beethoven
Sinfonie Nr.3 Es-dur (Eroica)

Leonard Bernstein
Sinfonische Tänze für Orchester
aus "West-side-story"

Jose Pablo Moncayo
HUAPANGO

Arturo Marquez
DANZON No.2

Alberto Ginastera
Estancia-Suite



Weitere Informationen

Philharmonie Essen
www.philharmonie-essen.de


Gustavo Dudamel
www.gustavodudamel.com/



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