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MINGBATTLE - Ein Duell am Klavier

8. November 2007
Admiralspalast, Berlin


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Ming gegen Lidia Kalendareva
Piano-Duell nach dem DSDS-Prinzip

Von Annika Senger

Ein Steinway-Flügel in einem Boxring, zwei Konzertpianistinnen in Boxhandschuhen und ein nerviger, viel zu schnell schwafelnder Moderator - man könnte glatt meinen, im Studio eines privaten Fernsehsenders zur Aufzeichnung einer Casting-Show à la "Deutschland sucht den Superstar" gelandet zu sein. MINGBATTLE nennt sich der musikalische Wettkampf, in dem sich Initiatorin Ming am 8. November 2007 im Admiralspalast mit der St. Petersburgerin Lidia Kalendareva am Klavier duellierte. Nicht mit Fäusten, sondern mit den Fingern an den Tasten und bereits zum zweiten Mal in Berlin.

MINGBATTLE ist ein Experiment, Mings Mission, klassische Musik für ein großes Publikum interessant zu machen. Es sei ihr persönliches Verständnis eines Klavierwettbewerbes, sagt sie, und ein leidenschaftliches, emotionales Publikum gehöre für sie auf jeden Fall dazu. Dass sie von DSDS inspiriert wurde, lässt neben der Popkonzert-Atmosphäre das Bewertungssystem des Wettkampfes vermuten: Es gibt eine dreiköpfige Jury, zusätzlich hat das Publikum eine gewichtige Stimme. Die Intensität des Beifalls wird mit einem "Applausometer" auf einer Leinwand gemessen. Unterhaltung steht also im Mittelpunkt der Veranstaltung; die Zuschauer dürfen aktiv mit Ming und Lidia mitfiebern. Für die Kontrahentinnen bedeutet dies sechs Runden lang Nervenkitzel pur.

Den Start darf die russische Herausforderin machen. Die Studentin der Klavierklasse von Prof. Bernd Zack an der Hochschule für Musik und Theater in Rostock trägt den Säbeltanz von Aram Khatchaturian vor. Sie ist zwar eine Virtuosin, doch ihre Interpretation wirkt wie ein hektischer Klangbrei ohne Akzente. Ming, die vor ihrem Auftritt mit ihrem Lampenfieber kokettiert, spielt im Anschluss Frédéric Chopins Revolutionsetüde, hoch konzentriert in die Musik versunken und mit einem so brillanten Ausdruck, dass sie sowohl die Gunst der Jury als auch des Publikums an sich reißt.

In Runde 2 lautet das Motto "Bach und Beethoven". Lidia hat sich für Ludwig van Beethovens Sturmsonate entschieden. Ihre Finger gleiten sanft über die Tasten, die Emotionalität ihrer Darbietung nimmt zu; ein Sturm bleibt allerdings aus, und ihre Phrasen haben kein Ziel. Ming tritt diesmal mit dem Es-Moll-Präludium aus dem ersten Band von Johann Sebastian Bachs Wohltemperierten Klavier an. Ihr Spiel beginnt verhalten mit leisen, wohldosierten Tönen. Die beiden Stücke sind zwar nicht vergleichbar, doch im Gegensatz zu Lidia erzählt Ming an den Tasten eine Geschichte voller Melancholie. Auch nach der zweiten Runde küren die Jury und das Publikum sie einstimmig als Favoritin.

Dass beide Wettkampfteilnehmerinnen meisterhaft improvisieren können, stellen sie in der dritten Runde unter Beweis. Lidia, die in ihrer Freizeit auch komponiert, scheint von dieser Fähigkeit zu profitieren. Phantasievoll und mit viel Fingerfertigkeit steigert sich ihr spontanes, anfangs beschauliches Intermezzo linear zu einem Höhepunkt. Mings Improvisation hingegen zeichnet einen sich schließenden Kreis: Ruhige Jazz-Anklänge um ein ständig wiederkehrendes Thema dominieren den ersten Teil. Beinahe bekommt man den Eindruck, es mangele ihr an Einfallsreichtum. Doch weit gefehlt: Ming setzt auf Überraschungseffekte. Vulkanös sprudeln plötzlich rasante Läufe im Fortissimo über die Tastatur. Allmählich kehrt sie zu ihrem Ausgangsthema zurück, so dass man kaum glauben mag, dass es sich bei dem Stück um eine Spontanidee handelt. Ming gewinnt auch diese Runde bei zwei Jury-Mitgliedern und bei den begeisterten Zuschauern. Ihre Liebe zur Musik habe sie jedoch erst nach dem Studium entdeckt, gibt sie in einem Kurzinterview mit dem Moderator nach der dritten Runde zu: "Meine Eltern wollten, dass ich stundenlang Klavier übe", fügt sie hinzu.

Runde 4 nach der Pause dreht sich um ein Pflichtstück für beide Pianistinnen: Es handelt sich um den Türkischen Marsch von Wolfgang Amadeus Mozart. Als erste begibt sich Ming in den Ring. Sie interpretiert das Werk verspielt, doch ohne Spielereien oder sonstige Verzierungen. Lidia versucht, mit ihrer Interpretation etwas Eigenes zu kreieren: Sie variiert mit hartem Anschlag die Tempi, ohne aber den Sinn dessen herauszuarbeiten und gestaltet schnelle Passagen zu hektisch. Das hat zur Folge, dass sie sich einmal heftig verspielt und es kein Wunder ist, dass Ming weiterhin bei beiden Wertungsparteien weit vorne liegt.

In der fünften Runde unter dem Motto "Passionata" wendet sich das Blatt: Lidia überzeugt zwei Jurymitglieder von ihrer leidenschaftlichen Art, ein Stück aus Opus 36 ihres Lieblingskomponisten Sergej Rachmaninoff zu interpretieren. Diesmal steht sie in Ausdruck und Virtuosität Ming nichts nach und verliert beim Publikum nur knapp. Die Initiatorin des Duells offenbart mit Chopins Nocturne in Cis-Moll wieder ihre gesamte pianistische Bandbreite. Wie bereits in der dritten Runde malt sie mit der Musik einen Kreis.

Erstmalig gibt es beim MINGBATTLE eine sechste Runde, die so genannte "K.O.-Runde", in der nur eine der antretenden Pianistinnen 29 Punkte absahnen und damit als Siegerin aus dem gesamten Duell hervorgehen kann. Mehrmals im Laufe des Abends erhöht der Nerven strapazierend redselige Moderator die Spannung, indem er auf diese alles entscheidende Runde hinweist. Es fehlte nur noch eine Werbepause! Nichtsdestotrotz, "Virtuoso" ist das Thema der letzten Runde und virtuose Meisterleistungen präsentieren beide trotz des Druckes, der auf ihnen lastet. Ming trägt mit großer Begeisterung und Spielfreude die sechste Ungarische Rhapsodie von Franz Liszt vor. Den Bewegungen ihrer Finger auf der Leinwand kann man kaum folgen, sie brennt für das Stück. Aber auch Lidia gibt im dritten Satz aus Rachmaninoffs Opus 36 wieder alles - sie ist in der "K.O.-Runde" gleich stark wie Ming.

Dass aber letztere das Rennen für sich entscheidet und am Ende einen Scheck über 1 000 Euro ihr Eigen nennen darf, ist eine gerechte Entscheidung der Wettrichter und des Publikums. Die Minuten vor der Verkündung der Siegerin vergehen wie bei einer Casting-Show, das Ergebnis ist in einen Umschlag gehüllt. Kaum fällt der Name Ming, ertönt der Song "The Winner Takes it All" von ABBA. Auf von der Saaldecke herabrieselndes Konfetti wird allerdings verzichtet. Stattdessen spielen Ming und Lidia als Zugabe vierhändig Klavier und amüsieren mit dem Überkreuzen ihrer Hände das Publikum.


FAZIT

Piano-Musik der Meisterklasse, die aber auch ohne DSDS-Atmosphäre ein Hörgenuss wäre.




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Weitere Informationen:

Admiralspalast, Berlin
www.admiralspalast.de/



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