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Musikalisch verwobene Bilder
Von Annika Senger Wie eng Bild und Musik miteinander verwoben sein können, demonstriert Walter Ruttmanns zu recht als "künstlerisch wertvoll" ausgezeichneter Stummfilm "Berlin. Die Sinfonie einer Großstadt". Fast auf den Tag genau 80 Jahre nach seiner Weltpremiere am 23. September 1927 wurde das Werk sorgfältig restauriert und in exzellenter Bildqualität im Berliner Friedrichstadtpalast wiederaufgeführt. Die eindringliche, von Edmund Meisel komponierte Filmmusik konnte nur noch als Klavierauszug überliefert werden. Im Auftrag des ZDF instrumentierte der Mainzer Komponist Bernd Thewes das vorhandene Material jedoch neu. Das Berliner Rundfunk-Sinfonieorchester unter Leitung von Frank Strobel untermalte die Bilder auf der Leinwand somit in Originalbesetzung live und eindrucksvoll synchron zum Film. Dass Film und Musik bei "Berlin. Die Sinfonie einer Großstadt" in gemeinsamer Arbeit entstanden sind, haben Ruttmann und Meisel vor 80 Jahren bekundet. Diese Kooperation ist in jeder Sequenz deutlich wahrnehmbar: Das Orchester imitiert musikalisch die dargestellten Vorgänge, beispielsweise vorbeifahrende S-Bahnen oder gestresst wirkende Menschen in U-Bahn-Schächten. Der Rhythmus verschmilzt also ganz und gar mit der Bewegung der Bilder. Der Film ist in fünf Akte unterteilt und zeigt einen kompletten Tag im Vorkriegs-Berlin - vom Morgengrauen bis zum ausschweifenden Nachtleben mit Leuchtreklamen in Kneipen und Varietés. Ruttmann schien es wichtig, die unterschiedlichen Facetten der Großstadt mit seiner Kamera einzufangen: Gegensätze zwischen Arm und Reich, Schulkinder und alte Menschen, Arbeiterkieze und High Society, industrielle Produktion und Bürotätigkeiten, Freizeitvergnügen und als verknüpfendes Element immer wieder der öffentliche Nahverkehr in Bussen, Straßenbahnen, ersten elektrisch betriebenen U-Bahnen und S-Bahnen mit Dampf-Lokomotiven. Berlin wird sowohl als Maschine als auch als riesengroßer Rummelplatz dargestellt. Immer wiederkehrende Marsch-Rhythmen unterstreichen den Alltagstrott, während Tanzmusik im Can-Can-Stil beispielsweise die Varieté-Szenen, wo Revuetänzerinnen ihre langen Beine schwingen lassen, beherrscht. Der Rausch der Bewegung steht im Mittelpunkt des Films, dessen schneller Schnitt bereits an zeitgenössische Kunstfilme erinnert. Die Bewegung hatte auch Meisel im Vorfeld seiner Kompositionen eingehend studiert, wie er im Artikel "Beim Erfinder der Geräuschmaschine" deutlich machte: "Ich lauschte Stunden um Stunden in den Großstadtlärm hinein, notierte mir die Tempi der Geräusche, das Klingeln der Straßenbahnen, das Hupen der Autos, den Rhythmus nächtlicher Schienenarbeit." So griff er auf bekannte musikalische Muster - wie etwa Marsch, Swing oder Foxtrott - zurück, um damit Alltagsszenen mit Hilfe der Töne nachzuzeichnen. Dabei dominieren im Orchester besonders Bläser und Schlagwerk. Der Film entpuppt sich auf diese Weise als Doppel-Sinfonie, bei der die beiden dicht verzahnten Komponenten Musik und Film nur zusammen eine Einheit bilden können.
Ein musikalisches und filmisches Meisterwerk - einschalten am 30. November auf ARTE lohnt sich! Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
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