Veranstaltungen & Kritiken Konzerte |
|
|
Batman und das weiße Kaninchen
Scheinbar machen die beiden ja so gut wie nichts. Pedro Tudela und Miguel Carvalhais, die hinter Batterien von Schlaginstrumenten im Hintergrund der Bühne fast verschwinden, sitzen an ihren Laptops und halten hin und wieder die Kopfhörer ans Ohr. So so, das soll also Improvisieren sein. Kann man das mit Computern, kann man mit diesen Maschinen musikalisch spannend arbeiten? Man kann. Und Klänge wie sie Tudela und Carvalhais mit ihrer Performance produzieren, sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Für junge Leute sind blubbernde Elektronik und computergenerierte Tonkaskaden längst nicht mehr Avantgarde, sondern Alltag. Man riskiere einen Seitenblick zum Videofestival der Bochumer Ruhr-Universität. Was da alljährlich zu hören ist, könnte man dem traditionellen Konzertgänger immer noch kaum vorsetzen. Doch dort treibt man es mit dem Improvisieren sogar bis in die Bildebene. VJ statt DJ lautet die Devise. Von wegen Avantgarde. Carvalhais und Tudela, die zusammen @c heißen, nehmen in Essen den Hörer allerdings nur mit auf eine rein akustische Reise, die reich an Assoziationen ist. Wie Wellen bauen sich die elektronischen Klänge auf, kochen hoch, schwellen ab. Gesampelte Bongos schleichen sich ein und erinnern daran, dass auch das Ensemble Drumming aus Porto an der Improvisation beteiligt war. Schließlich gerinnt die Musik zu Rhythmen: Musik, die fesselnd ist, wenn man die Gabe zum stillen Zuhören hat. Nicht nur @c hat beim Portugal-Konzert der Reihe YOUrope Together gezeigt, wie spannend Neue Musik sein kann. Im RWE-Pavillon der Essener Philharmonie waren noch fünf weitere Komponisten versammelt; drei davon gehen auf die 50 zu, zwei sind noch in ihren Dreißigern. Markus Stollenwerk, der Initiator der Reihe YOUrope Together, stellte die Künstler des Landes zu Beginn seiner kurzen Eröffnungsmoderation allerdings in die Ecke der Imitatoren. Man habe sich in Portugal schon immer an Spanien und dem Ausland orientiert, hätte selten Originäres hervorgebracht. Das mag zutreffen, war aber als Einleitung in ein Portugal-Konzert recht gewagt. Miquel Bernat
Das Motto des Konzertes lautete: Rock Metamorphosis. Und dazu reiste ein 1999 gegründetes Schlagzeugensemble an, das in Portugal in letzter Zeit immer beliebter geworden ist und das Schlagzeugspiel dort zu einiger Beliebtheit geführt hat: Drumming Grupo de Percussão, acht vorzügliche Musiker, geleitet von dem Neue-Musik-Spezialisten Miquel Bernat. Auf Festivals für Zeitgenössisches ist er kein Unbekannter. Rock Metamorphosis was bedeutet das? Jeder Komponist hatte als Grundlage für seine Komposition einen Popsong gewählt, der vor den Stücken kurz angespielt wurde. In der dicht konzipierten Programmfolge, in der die Stücke zum größten Teil nahtlos ineinander übergingen, gab es gleich zwei Uraufführungen. Eine davon steuerte Luís Antues Pena bei. Über sein neues Werk und seinen Werdegang hatte er vorab in einem Interview Auskunft gegeben. Antunes Pena
Was erwartet den Hörer in ihrem neuen Werk?
Verwenden Sie elektronische Klänge häufig in ihrer Musik?
Was sind die Themen und Inhalte ihrer Stücke?
Woher kommt ihre Inspiration?
Wie erleben sie zurzeit die Szene der Neuen Musik in Portugal?
Und in Deutschland? Sehen Sie sich zu der deutschen Szene zugehörig?
Sie haben ihre Abschlussarbeit über Helmut Lachenmann geschrieben
Luís Antunes Pena hat mit seinem Stück Vermalung III Batman sicher für den unspektakulärsten Beitrag zu dem ansonsten temperamentvollen, hin und wieder auch lautstarken Konzert geliefert. Den wilden Song Batman erkennt man hier nicht wieder. In Penas mehrteiligem Werk hört man meist leise Bogenstriche an hängenden Becken, die auch mit Jazzbesen und Metall bearbeitet werden. Sie sind in recht komplexen Rhythmen organisiert. Vor allem im zweiten Abschnitt der Komposition ist das für die Musiker schwer zu realisieren und erfordert höchste Aufmerksamkeit. Das Ensemble Drumming aber schlägt sich hier bravourös. Drei stark voneinander abgegrenzte Klangfarben benutzt João Miguel Pais in Rabbit, das ebenfalls im Rahmen des Konzertes uraufgeführt wurde. Schlaghölzer geben einen durchgehenden Beat. Es folgt eine Art Etüde für Rührtrommel bis sich schließlich ein Musiker am Drumset austoben kann. Vorlage ist der legendäre Song White Rabbit von Jefferson Airplane. Anderthalb Konzertstunden in der Philharmonie verflogen schnell, die Programmfolge war abwechslungsreich. António Pinho Vargas lieferte mit Step by Step eine Born to be Wild-Interpretation, die ebenso wild erschien wie das Vorbild. Immer wieder scheint hier der Originalsong durch, die inspiration ist hier ganz konkret spür- und hörbar. Des weiteren konnte man Pedro Olivieras solistischen Einsatz am Marimbaphon bewundern. In seinem Stück Lâminas Liquidas begleitet er sich im Wettstreit mit dem Tonband live und vor allem auswendig. Die Deep Water Music nach der Yellow Submarine von den Beatles gehört zu den stärksten Stücken des Konzertes. Komponiert hat sie António Chagas Rosa, der im Programmheft einer der bedeutendsten portugiesischen Komponisten seiner Generation genannt wird. Das glaubt man gern. Viel Augenzwinkerndes hatte dieses Konzert für fünf Pauken und große Trommel zu bieten, das von der Empore im RWE-Pavillon der Philharmonie dröhnte. Dass Pauken wie Wale singen und den Wasserdruck in einem U-Boot imitieren können, wusste man bislang noch nicht. Da hörte man förmlich das sich unter Druck beulende Metall und die ächzenden Schrauben. Ja: Neue Musik darf auch witzig und anschaulich sein! Das nächste YOUrope Together-Konzert findet am 18. September statt. Aus England kommt dann das Carnyx Youth Brass Ensemble und die Pianistin Shiori Usui. Karten: 0180 / 59 59 59 8Der DLF hat auch dieses Portugal-Konzert aufgezeichnet und sendet es am 30. August in der Reihe Festspiel-Panorama. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Drumming Grupo de Percussão Miquel Bernat Leitung Markus Stollenwerk Moderation João Miguel Pais (*1976) Rabbit für Percussion-Quartett (UA, 2007) António Chagas Rosa (*1960) Deep Water Music für Percussion-Ensemble (2002) Joao Pedro Oliveira (*1959) Lâminas Liquidas für Marimbaphon und Tonband (2002) Luís Antues Pena (*1973) Vermalung III Batman für verstärktes Percussion-Quartett (UA, 2007) Auftragskomposition der Philharmonie Essen und des Deutschlandfunks @c & Drumming Performance für Percussion-Ensemble und Laptop (2005/06) António Pinho Vargas (*1951) Step by Step für Percussion-Ensemble
|
© 2007 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: konzerte@omm.de