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"Anything Goes" to Philharmonie Essen
Von Peter Bilsing
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Fotos von Kai-Uwe Schulte-Bunert
Sicherlich gehört die Staatsoperette Dresden, als einziges und letztes selbstständiges Operettentheater im deutschsprachigen Raum, mit einer Historie von über 235 Jahren, nicht nur zu den ältesten, sondern auch heute noch zu den renommiertesten Operetten/Musical-Ensembles der internationalen Theaterszene. Nach diesem fulminanten Gastspiel mit "Anything Goes" in der Essener Philharmonie würde ich sie sogar zur Zeit auf einen europäischen Spitzenplatz setzen. Wer sich das tagesaktuelle Programm im Internet (www.staatsoperette-dresden.de) anschaut, wird erstaunt sein über die Programmvielfalt und das aktuelle Angebot; so gibt man neben der obligaten "Fledermaus", die hierzulande gänzlich unbekannte Strauß-Operette "Das Spitzentuch der Königin" und jenseits Bernsteins schwieriger hochschwierigem "Candide" auch noch die aktuellen Musicals "Jekyll & Hide" sowie "Chess".
Heuer: "Anything Goes", als halbszenisch angekündetes Gastspiel in der Essener Philharmonie. Wie kann so etwas überhaupt funktionieren? Wie kann man dieses fulminante und höchst personenintensive und schwungvolle Broadway-Musical auf das doch recht nüchtern trockene Konzertpodium einer Tonhalle übertragen? Sinnlose Plage, Müh ohne Zweck Irrtum! Man kann, man konnte - quod erat demonstrandum. Das Bigband-Sound-Orchester im herrlichen Glitzerlook alter Showbands wurde auf der linken Seite des Podiums positioniert, die Wand unter der Orgel bis zu den Seiteneingängen der Musiker bildeten die hintere Kabinenwand der MS America; oben auf der Choristen-Galerie lag das Steuerhaus des Kapitäns mit riesigem Lenkrad resp. Ausguck, und auf der rechten Seite des Orchesterpodestes gab es genügen Platz fürs Tanzparkett. Die Reling zum Zuschauerraum schloss das Szenarium ab. Genial einfach und höchst übersichtlich. Das Fehlen jeglichen Bühnenbildes wurde durch geschickte Lichtregie, gute Szenenwechsel und eine famose Darstellerpräsenz mehr als wettgemacht. Das Timing von Tanz, Gesang und Schauspiel stimmte auf den Punkt und schon nach kurzer Eingewöhnungsphase fieberte und swingte das Publikum in totaler Broadwayseligkeit mit, und einmal wieder zeigte es sich, daß dieses wunderbare Stück auch 73 Jahre nach seiner Uraufführung noch immer glanzvoll bezaubern kann.
Zwar ist "Anything Goes" eigentlich wirklich "Nonsense pur", aber der intelligent gestaltete Plot ist, auch wenn wir heute nicht mehr so direkt die Anspielungen, Zitate und Reminiszenzen der Uraufführung nachvollziehen können, zeitlos witzig und sprüht nur so vor Einfällen, ohne je einfältig zu wirken. Cole Porter - das ist einfach grandiose Musik ewiger Größe! Und auch die bisher in unzähligen Varianten gecoverten Hits des Stücks ("All Through the Night", "I Get a Kick out of You", "Anything Goes", "Blow Gabriel Blow", "The Gipsy in Me" .wunderbar der zusätzlich eingebrachte Hit "Begin the Beguine") sind doch jedesmal und immer wieder Herzenserwärmer ersten Grades. Alles wurde perfekt interpretiert von Christian Garbosnik und seiner fabelhaften Bigband, prächtig vertanzt und versteppt vom Ballett der Staatsoperette, sowie den Solotänzern Jana Seidl, Vilmantas Ramanauskas und Radek Stopka. Die choreographische Regie von Winfried Schneider ließ die sprichwörtlichen Puppen tanzen und egal ob im Ensemble oder solistisch: alles wirbelte im Charme der Musik und der tollen Kostüme von Gerda Nuspel.
Überragend bei den Solisten: Susanna Panzner (Reno / Predigerin) und Christian Grygas (Billy Crocker) - ein Dreamteam, das jedem Broadway-Ensemble jenseits des großen Ozeans zur Ehre gereichen würde. Aber auch all die anderen Solisten (Jeannette Oswald, Jutta Richter-Merz, Markus Günzel, Hilmar Meier, Bernd Könnes, Mandy Garbrecht, Jürgen Mai & Winfried Schneider) boten Broadway-Professionalität auf Spitzenniveau. Ein Solisten-Ensemble von großer Attraktivität, ausdrucksstark und routiniert professionell im Gesang sowie geradezu überschwänglich souverän im Tanz bis hin zur komplexen Steppnummer. Atemberaubendes bot das zusätzlich eingebaute Showzwillingspaar Claudia & Carmen. Schöner kann Cole Porter kaum dargeboten werden. Es war ein ganz großer Abend. Schade, daß die Philharmonie nur zu gut der Hälfte besetzt war. Lag s dam heißen Wetter, oder der fehlende Zuversicht des Essener Publikums in solch eine alternative, einmal andere Art der Musiktheaterpräsentation (die unbedingt wiederholbar werden sollte), denn solch ein kurzweiliger Musical-Abend, der alle Register der Musicalseele von sentimentalem Swing bis zum fetzigen Bebop in prachtvoller Unterhaltung bediente, hat in unseren Graden echten Seltenheitswert. Bravo, bravi, dacapo! Fazit: "Die Staatsoperette Dresden zeigte, was Musical ist." Dieser Überschrift eines Kollegen habe ich nichts hinzu zu fügen, außer: "That´ s it, really!" Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Anything Goes Musical von Cole Porter Musikalische Leitung: Christian Garbosnik Regie & Choreografie: Winfried Schneider Kostüme: Gerda Nuspel Chor: Martin Wagner & Thomas Runge Dramaturgie: André Meyer Technische Reitung: Mario Radicke Susanne Panzer / Reno Sweeny / Predigerin Jeanette Oswald / Hope Harcourt /Debütantin Jutta Richter-Merz / Evangeline Harcourt Marcus Günzel / Lord Oakleigh Hilmar Meier / Elisha Whitney Christian Grygas / Billy Crocker Bernd Könnes / Moonface Martin Mandy Garbrecht / Gansterbraut Jürgen Mai / Erzähler Winfried Schneider / Barmann / Zahlmeister Claudia & Carmen - die Showzwillinge Solotänzer: Jana Seidl Vilmantas Ramanauskas Radel Stopka Chor, Ballett und Orchester der Staatsoperette Dresden
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