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20 Jahre Universitäts-Chor


5. Februar 2007

Philharmonie Essen
Alfried Krupp Saal
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Philharmonie Essen (Homepage)
Und wieder ein Jubiläum

Von Christoph Kammertöns

In der Gestaltung musikalischer Jubiläen ist man in der Universität Duisburg-Essen kein Anfänger. Feierte vor zwei Jahren bereits das Uni-Orchester seine 40-jährige Erfolgsgeschichte, so konnte nun der Uni-Chor für die vergangenen 20 Jahre ein Gleiches tun. Um die wirkungsvolle Kombinierung von weniger Bekanntem mit Highlights der Klassikcharts schon in vergangenen Konzerten nicht verlegen, fanden sich diesmal Janacek, Bernstein und Orff gemeinsam programmiert.

Der eng mit seiner Heimatstadt Brünn verbundene Komponist Leos Janacek führte ganz im Sinne seiner Kollegen und Landsmänner Antonin Dvorak und Bedrich Smetana die Entwicklung einer tschechischen Nationalmusik ins 20. Jahrhundert fort. Die Sinfonietta lässt ebenso das artifiziell überformte böhmische Musikidiom durchscheinen, wie sich der moderne Hörer gleichermaßen an Fragmente aus den monumentalen Musiken zu Raumschiff Enterprise und an Aaron Coplands Fanfare for the Common Man erinnert fühlen mag - Janacek war natürlich zuerst da.

In fünf Sätzen - gleichsam in sich geschlossenen Stimmungs-Akten - macht die Sinfonietta das Orchester zu einem Laboratorium verschiedener Klangfarbeneindrücke und intelligenter melodischer Schnipselbastelei die im letzten Satz ein Resümee erfahren. Nach eigenem Bekunden wollte der Komponist in der 1925 entstandenen Komposition der Stadt Brünn als Teil der neuen Tschechoslowakei eine Huldigung darbringen. Entsprechend lauten die verklammernden ursprünglichen Satzüberschriften: 1. Fanfaren: "Über der Stadt war der Lichtglanz der Freiheit" und 5. Das Rathaus: "Über der Stadt war der Lichtglanz der Freiheit, die Wiedergeburt vom 28. Oktober 1918" - gemeint ist die Proklamierung der Tschechoslowakischen Republik am 28. Oktober 1918 in Prag als Folge des Zerfalls der Österreichisch-Ungarischen Monarchie.

In der Tat war es Janacek mit den Fanfaren ernst. Zwölf Trompeten, zwei Basstrompeten, vier Posaunen, Tuba und zwei Tenortuben lassen in den Ecksätzen keinen Zweifel an Lebensfreude und stolzer Herrlichkeit. Die Brass Akademie NRW lieh dem universitären Klangkörper denn auch auf überzeugend eindrucksvolle Weise ihr strahlendes Schmettern. Der Komponist hätte seine helle Freude gehabt - auch wenn an diesem Abend deutsch gesprochen wurde. Janacek mied aus Ablehnung gegen alles Habsburgische (nicht ganz konsequent) die Brünner Straßenbahn - der deutschen Beschilderung wegen - und verbot seiner Frau, zu Hause Deutsch zu sprechen. Fast hätte man sich eine solche Beschränkung auch für den Abend in der Philharmonie gewünscht, gerieten die vorangehenden Jubiläumsreden bei allem löblichen Stolz der Redner doch recht weitschweifig.

Oliver Leo Schmidt führte sein Ensemble ebenso besonnen wie temperamentvoll durch die komplexe Partitur. Es ist dabei - ganz wie vor einem Jahr bei der ersten Symphonie Gustav Mahlers - auf eine eigenartige Weise faszinierend, wie offenkundige Schwierigkeiten der Musiker, den Anforderungen an individuelle Spieltechnik und kollektiven Gesamtklang gerecht zu werden, sich unter Schmidts Dirigat zu einer quasi dekonstruierenden Neusicht auf das Werk fügten. Anders als z.B. die ungeradzahligen Symphonien Beethovens erfordern diese Werke nachdrücklich ein hervorragendes Orchester, um zu wirken. Und doch vermochte die Darbietung bei aller für Laienensembles typischen mangelnden Flexibilität der Klangentwicklung und der Organisation auf der Mikrozeitebene Neugier zu entfachen und Hörgewohnheiten - und sei es unfreiwillig - in Frage zu stellen. Manchmal mündet vielleicht gerade die Wahrnehmung des Unvollkommenen, etwas Ungelenken in die Annäherung an den Adornoschen Anspruch des sich selbst Rechenschaft gebenden, vollbewussten Hörers.

Einer dekonstruierenden Sicht leistet die Sinfonietta übrigens selbst Vorschub. Janacek war eben nicht nur ein musikalischer Apologet des nobilitiert Volkstümlichen, sondern auch ein scharfer analytischer Geist. Dem vor allem als bedeutender Musikdramatiker Geschätzten gelang ab der Jahrhundertwende die musikalische Fruchtbarmachung kurzgliedriger Klangmotive im Sinne sprechmelodischer Elemente - nicht nur auf der Bühne, sondern auch in Übertragung auf die Instrumentalmusik. Diese wohlorganisierte Fragmentierung prägt auch die Sinfonietta. Eberhard Passarge, Musikbeauftragter der Universität Duisburg-Essen, verglich in diesem Sinne deren Struktur mit jener des menschlichen Genoms. Sollte es noch eines Beweises für die ungebrochene Aktualität Janaceks bedürfen - hier kommt er also von Seiten der Naturwissenschaft.

Als eigentlicher Anlass des Konzerts begann der Chor den Abend mit kleinen Preziosen, die aus Leonard Bernsteins Voltaire-Adaption Candide hervorgegangen sind. Dem Publikum dürfte die Musik nicht ganz fern gewesen sein, hatte das Orchester doch bereits vor zwei Jahren so erfolgreich die zugehörige Ouvertüre gegeben. Unter dem etwas unfrei anmutenden Dirigat seines Leiters Hermann Kruse vermochte der Chor wohl nicht zum Broadwayflair der Stücke aufzuschließen, jedoch blieb der Eindruck eines disziplinierten und auch in unwegsamen harmonischen Gewässern intonationssicher navigierenden vokalen Klangkörpers.

In diesem Sinn wurden auch die sattsam bekannten Carmina Burana von Carl Orff gemeistert. Insbesondere die monumentalen Sätze, allen voran der Einleitungs- und gleichfalls Ausleitungssatz, überzeugten durch teutonische Prachtentfaltung bei gleichzeitig präziser sprachlicher Diktion. Letztere ist der Brillant im Diadem eines großen Chores. Eine wirkliche Herausforderung war für den durch Salto Chorale Duisburg verstärkten Uni-Chor allerdings die Gestaltung simpler einstimmiger Phrasen in moderater Dynamik. Hier stellte sich wieder der Eindruck jener Flachheit ein, die bereits bei Bernstein auffiel.

Die Solisten, Antje Bitterlich, Sopran, Joaquin Asiain, Tenor und Thomas Peter, Bariton, vervollständigten die insgesamt professionelle Note dieses beschließenden Programmpunkts, zu der in der gegenüber Janacek weniger komplexen Textur auch das Orchester bravourös beitrug. Wenn unter den zuvor genannten Gleichen und Guten ein Part mit besonderer Könnerschaft betreut wurde, so ist die gestalterische Fähigkeit von Thomas Peter hervorzuheben. Es ist immer eine Freude, zu erleben, wenn sich treffsichere Gesangstechnik mit intelligenter und leidenschaftlicher Ausdeutung verbindet: Eine Sternstunde der Partie des sinnenfreudigen Abtes!

Was bleibt anlässlich eines 20-jährigen Chorjubiläums zu wünschen übrig? Weitere 20 Jahre und weitere Jubiläen zu gestalten! In diesem Sinne gilt den vokalen und instrumentalen Klangkörpern der Universität Duisburg-Essen bereits in Vorfreude auf die Sommerkonzerte im Juni 2007 ein herzliches Toi, toi, toi!




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(Veröffentlichung vorbehalten)
Antje Bitterlich (Sopran)
Joaquin Asiain (Tenor)
Thomas Peter (Bariton)

Universitätschor Essen
Dirigent
Hermann Kruse

Kammerchor "Salto Chorale" Duisburg

Universitätsorchester Duisburg/Essen
Dirigent
Oliver Leo Schmidt




Leonard Bernstein
3 Stücke für Chor und Klavier

Leoš Janácek
Sinfonietta

Carl Orff
Carmina Burana



Weitere Informationen

Philharmonie Essen
www.philharmonie-essen.de



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