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Völlig losgelöst von Raum und Zeit
Von Gerhard Menzel
Im letzten Konzert der Abo-Reihe "Orgel im Konzerthaus" war die faszinierende lettische Organistin Iveta Apkalna erneut zu Gast in Dortmunds "guter Stube". Dass ihre bisherigen Auftritte mehr als erfolgreich waren und sich ihr Name inzwischen weiter herumgesprochen hat, davon zeugte nicht zuletzt der für ein Orgelkonzert beachtlich besetzte Saal!
Dieses Mal bestritt sie ihr Konzert allerdings nicht alleine, sondern unter Mitwirkung ihres geschätzten Kollegen Ansgar Wallenhorst, der als "Mann für alle Fälle" nicht nur das Blättern und das Registrieren übernommen hatte, sondern auch sympathisch, unterhaltsam und mit sichtbarer Freude kommentierend durch das Programm führte. Mit der Aussage, dass Iveta Apkalna durch ihre ganz persönlichen Visionen der Orgel in der Öffentlichkeit ein Gesicht gibt, fasste Ansgar Wallenhorst die Bedeutung, die Iveta Apkalna im Zusammenhang mit der Popularisierung der Orgel einnimmt, treffend zusammen.
So verflogen im Nu Minuten und Stunden und am Ende war es kaum zu glauben, dass das gesamte Konzert geschlagene zweieinhalb Stunden gedauert hatte! Neben Originalkompositionen standen einige sehr interessante Transkriptionen für die Orgel im Mittelpunkt des Programms. Den Rahmen bildeten dabei das Präludium & Fuge Es-Dur op. 99 Nr. 3 von Camille Saint-Saëns (die seine intensive Kenntnis der Musik J. S. Bachs und seine große Verehrung für ihn hörbar machten) und die imposante und eindrucksvolle "Sonata Eroica" op. 94 des Belgiers Joseph Jongen.
Das "Gebet" des lettischen Komponisten und von Iveta Apkalna sehr geschätzten Organistenkollegen Aivars Kalejs klang überraschend kräftig registriert, wodurch die Komposition eher den Eindruck einer intensiven und mit Schreien durchsetzten Klage eines Verzweifelten hinterließ, als den eines innigen Gebetes. Während die 4 Skizzen für Pedalflügel op. 58 von Robert Schumann lediglich eine "Neuorchestrierung" erfuhren, erklang die in strahlendem D-Dur und mit brillanten, durchgehenden Sechzehntelnoten geschmückte Sinfonia aus der Ratswahlkantate "Wir danken dir, Gott" (Kantate Nr. 21 BWV 29) von Johann Sebastian Bach in der prunkvoll festlichen Transkription für Orgel von Marcel Dupré. In der Mitte des 19. Jahrhunderts erweiterte der wohl bedeutendste französische Orgelbauer der Romantik Aristide Cavaillé-Coll in Paris das Klangspektrum seiner Instrumente derart, dass mit ihnen sogar die orchestral-symphonische Musik seiner Zeitgenossen gespielt werden konnte. Seine Orgeln beeinflussten den internationalen Orgelbau und die Komponisten sogar bis in die heutige Zeit. So schuf der 1969 in Duisburg geborene, heute in Saarbrücken wirkende Organist Jörg Abbing eine effektvolle Transkription der drei Sätze "Ouvertüre", "Adagietto" und "Farandole" aus der "L´Arlesienne-Suite" Nr. 1 von Georges Bizet, die das Publikum zu wahren Begeisterungsstürmen hinriss. Trotz dieser eindrucksvollen Demonstration und allen Erfindungen und Erweiterungen im Orgelbau, kann eine Orgel aber niemals ein großes sinfonisches Orchester mit seinem opulenten Streicherklang und mannigfaltigen Schlagwerk ersetzen, möge sie auch noch so viel Register haben. Dieses wurde auch beim großen Orchesterspuk des "Danse macabre" von Camille Saint-Saëns in der der Transkription des anglo-amerikanischen Organisten Edwin Lemare (1865-1934) deutlich hörbar. Der nach einem Gedicht von Henri Cazalis komponierte Totentanz im Walzerrhythmus, der um Mitternacht (normalerweise schlägt es da zwölf Mal, in Dortmund versehentlich nur elf Mal - was allerdings nichts mit der zeitnahen Umstellung auf die Sommerzeit zu tun hatte) einen düsteren Reigen mit musikalisch heraufbeschworenen klappernden Skeletten in Gang setzt, kann auch an der größten Orgel nur bedingt verwirklicht werden. Durch die Registrierkunst und technische Meisterschaft von Iveta Apkalna - in Verbindung mit der Abdunklung des Saales und der lilafarbenen Beleuchtung der Orgel - entstand trotzdem eine gespenstisch-schaurige Szene, die in ihren Bann zog.
Dass nicht nur ihre Hände, sondern auch ihre Füße zu den Außergewöhnlichsten gehören, bewies Iveta Apkalna bei den zwei Stücken aus den sieben Konzertetüden für Pedal solo (1983) von Jean Langlai, der - seit dem zweiten Lebensjahr erblindet - in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu den experimentierfreudigsten Komponisten und Organisten Frankreichs gehörte. Bevor sich in Trilles am Ende beide Füße zu einem Doppeltriller-Finale vereinigen, ist der eine Fuß unablässig mit Triller-Figurationen beschäftigt, während der andere die sich in großen Sprüngen gebärdende Melodie markiert. Das Halleluja, eine ungeheuer brillante Toccata, offenbart sich schließlich mit seinen Doppelglissandi und raschen Oktavfigurationen als wahres Fußfeuerwerk. Trotz aller körperlichen und technischen Höchstanforderungen klangen auch diese ungeheuer artifiziell konzipierten Etüden nicht wie ein "Danse macabre", sondern wie ein leichtfüßiger und beschwingter Elfentanz. Als optisches Bonbon wurde dieses imposante und kaum fassbare Pedal-Ballett mit einem roten Spot auf Pedal und Füße in Szene gesetzt. Des Staunens noch nicht genug, endete der Reigen der Zugaben mit einem gemischten Doppel von Iveta Apkalna und Ansgar Wallenhorst. "Hänschen klein" und die große Orgel. Es war ein phantastischer und unvergesslicher Abend, der das Publikum verzauberte, begeisterte, Raum und Zeit vergessen ließ und somit in dieser Art als Prototyp für viele weitere stehen könnte, ja unbedingt sollte! Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
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