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Der Vierer-Gipfel des Belcanto
Von Christoph Wurzel / Fotos: Andrea Kremper Mitten im sommerlichen Festivalgedränge zwischen den Großfestspielen in Bayreuth und Salzburg sucht in diesem Jahr auch das Festspielhaus Baden-Baden nach seinem Platz an der Mediensonne. Während man Bayreuth vor allem mit viel Geraune und Gezerre um die Erbfolge am Grünen Hügel beschäftigt ist und während in Salzburg die Festspiele erstmals thematisch orientiert der "Nachtseite der Vernunft" nachspüren, setzt man in Baden-Baden auf ein geballtes Staraufgebot. Als Variation des Modells der "Drei Tenöre" wurden hier, im Interesse der Programmgestaltung durchaus sinnvoll, gleich vier unterschiedliche Stimmgattungen zusammengeführt. Das "Traumpaar" Netrebko / Villazón wurde angekündigt in musikalischer Partnerschaft mit Elina Garanca und Ludovic Tézier: "The Baden-Baden Gala" heißt das Projekt, von dem man sich internationale Aufmerksamkeit verspricht. Im Februar recht kurzfristig angekündigt, sollen die Karten für 3 Abende (immerhin rund siebeneinhalbtausend Stück) innerhalb weniger Stunden weggegangen sein wie warme Semmeln. Natürlich haben auch die Medien angebissen: Das ZDF überträgt, der SWR sendet, das gelbe Label produziert CD und DVD. Der kommerzielle Erfolg scheint also gesichert - lebensnotwendig für den Baden-Badener Musentempel. Bedenken, dass dies allein der Zweck der Übung sei, bemühte sich Intendant Mölich-Zebhauser freilich zu zerstreuen. Man müsse vor allem den künstlerischen Ertrag berücksichtigen und der verspreche angesichts dieser "Stars der jungen Sängergeneration" groß zu werden. Mit einem kleinen Wehmutstropfen im Champagner der Vorfreude musste man allerdings leben, als wenige Tage vor dem ersten Konzert Rolando Villazón krankheitsbedingt absagen musste. Ramón Vargas konnte an seiner Stelle gewonnen werden, der aus seinem Ferienflieger aus- und in das Konzertprogramm einzusteigen bereit war. Vor fernsehtauglicher Kulisse - futuristisch anmutende Wandelemente, die unterschiedlich bunt beleuchtet wurden - konnte der Event also starten. Als begleitendes Orchester war das SWR Sinfonieorchester gewonnen worden, das in diesem Ambiente einigermaßen ungewohnt anmutete. Sonst spielt es an gleicher Stelle Bruckner, Mahler oder Bartok. Der Dirigent des Abends Marco Armiliato hatte es aber als auch ausgezeichnetes Opernorchester bezeichnet und traf damit die wahre Qualität dieses ungemein flexiblen und vielseitigen Klangkörpers auf den Punkt, das nie auf äußere Showeffekte, sondern stets auf den Wesenskern der Musik konzentriert ist. So präsentierte es einleitend die Norma- Ouvertüre auch im geboten seriösen Ton, durchlüftet von leichter Italianitá, schwungvoll und in kultivierten Bläserfarben. In Feierlaune:Elina Garanca, Ludovic Tézier, Ramón Vargas und Anna Netrebko mit dem SWR Sinfonieorchester in Baden-Baden
Dann reihten sich die Arien und Duette wie an einer Perlenschnur aneinander und die Goldkehlen erstrahlten nur so in reinstem Belcanto. Elina Garanca, die vor 3 Jahren bei ihrem ersten Auftritt in Baden-Baden als Adalgisa an der Seite von Edita Gruberova noch als Geheimtipp gelten konnte, ist mittlerweile zu internationaler Berühmtheit herangewachsen. Sie bestach in zwei Solopiècen mit makelloser Technik (Koloraturen in der Cenerentola-Arie), einem vollkommen abgerundeten, gesättigten Ton, der in allen Registern gleichmäßig und warm strömt, aber ebenso mit Gefühl (Dalila-Arie) und großer persönlicher Ausstrahlung. Im Duett mit Anna Netrebko (Adalgisa und Norma aus "Norma", 2. Akt und Mallika/ Lakmé aus Delibes "Lakmé") mischte sich ihr hell timbrierter Mezzo ideal mit dem leicht bernsteingefärbten Sopran der Netrebko. In ihrer Zugabe, einer Zarzuela- Arie, verzauberte sie schließlich restlos mit temperamentvollem Esprit. Anna Netrebko gönnte ihren Publikum an diesem Abend lediglich einen offiziellen Solo-Programmteil, der es allerdings in sich hatte: "Casta diva" aus Norma geriet ihr zu perfektestem Schöngesang: in sanft schwingendem Legato, mit subtil gestalteter Dynamik und in eleganter Phrasierung bis hin zur fein ziselierten Kadenz schuf sie für dieses Gebet der Druidenpriesterin eine überzeugende Form. Dafür wurde sie vom Publikum auch frenetisch gefeiert, ihre zweite im Programm angekündigte Arie ("La Wally") ließ sie allerdings nach der Pause absagen, aus unerfindlichen Gründen... Dafür ließ sie in der Zugabe aus Lehárs "Giuditta" ("Meine Lippen, sie küssen so heiß") alle Zurückhaltung fallen und wirbelte tanzend, Musiker wie Dirigenten becircend über die Bühne. Mit der Netrebko sang auch Ramón Vargas im Duett. Der Schluss des ersten Bildes aus "La Bohéme" wurde tatsächlich als szenischer Abgang zelebriert. Allein im verklingenden "Amor" wackelte die Synchronität der Stimmen um Nuancen. Vargas verfügt über durchaus sanft anmutende Stimmfarben und erwies sich in der Nemorino-Romanze "Una furtiva lagrima" als feinsinniger Gestalter lyrischer Empfindungen, zudem nutzte er seine enormen Reserven ohne pressen zu müssen hier für eine wirkungsvolle "Amor"-Schlussemphase. In der Rodolfo-Arie aus Verdis "Luisa Miller" bewies er die nötige Attacke im Rezitativ und eine weiche lyrische Linie im Arienteil. Zweimal trat er im Duett mit Ludovic Tézier auf, wo sich beide Sänger ausgewogen ergänzten ("Don Carlos" und "Perlenfischer"). Ludovic Tézier ist ein lyrischer Bariton mit leicht ansprechender Stimme, weicher Tönung und ebenmäßiger Linienführung. In der Ausdrucksfärbung scheint allerdings seine Palette etwas schmal, was sich besonders in seiner Zugabe, dem Torerolied aus "Carmen", bemerkbar machte. In seinen zwei solistischen Programmbeiträgen (Don Carlos und Riccardo aus "I Puritani") erwies er sich aber als durchaus kraftvoll intonierender und charakterisierungsfreudiger Sänger. Den Schlusspunkt setzte das im Quartett gesungene Trinklied aus "La Traviata", bevor der Saal gänzlich kochend vor Begeisterung überquoll.
Die künstlerische Bilanz? Sehr viel Schöngesang, äußerst kultivierte Stimmen, am laufenden Band zündende musikalische Momente. Aber dennoch eine Reihung von Häppchen schöner Stellen, deren tieferer Ausdrucksgehalt nicht in vollem Umfang zur Wirkung kam, weil sie, aus dem Werkzusammenhang gerissen, naturgemäß lediglich die Oberfläche zu zeigen vermochten. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Anna Netrebko Elina Garanca Ramón Vargas Ludovic Tézier SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg Marco Armiliato Vincenzo Bellini Ouvertüre aus "Norma" "Mira, o Norma" Duett Norma und Adalgisa Anna Netrebko, Elina Garanca Gaetano Donizetti "Una furtiva lagrima" Arie des Nemorino aus "L´elisir d`amore" Ramón Vargas Vincenzo Bellini "Ah! Per sempre io ti perdei..." Arie des Riccardo aus "I puritani" Ludovic Tézier "Casta diva" Arie der Norma aus "Norma" Anna Netrebko Gioachino Rossini "Nacqui all`affanno e al pianto" Arie der Cenerentola aus "La cenerentola" Elina Garanca Giuseppe Verdi "Dio, che nell´alma infondere" Duett Don Carlo und Rodrigo aus "Don Carlo" Ramón Vargas, Ludovic Tézier Camille Saint-Saens Danse Baccanale aus "Samson et Dalila" Léo Delibes "Viens, Mallika..." Duett Lakmé und Mallika aus "Lakmé" Anna Netrebko, Elina Garanca Georges Bizet "Au fond du temple saint" Duett Nadir und Zurga aus "Les pecheurs de perles" Ramón Vargas, Ludovic Tézier Camille Saint-Saens "Mon coer s `ouvre à ta voix " Arie der Dalila aus "Samson et Dalila" Elina Garanca Giuseppe Verdi "Quano le sere al placido" Arie des Rodolfo aus "Luisa Miller" Ramón Vargas Giuseppe Verdi "Per me giunto ... lp morrò" Arie des Rodrigo aus "Don Carlo" Ludovic Tézier Giacomo Puccini "O soave fanciulla" Duett Rodolfo und Mimì aus "La Bohème" Anna Netrebko, Ramón Vargas Giuseppe Verdi "Bella figlia dell`amore" Quartett Herzog, Maddalena, Gilda und Rigoletto aus "Rigoletto" Anna Netrebko, Elina Garanca, Ramón Vargas, Ludovic Tézier Zugaben: Franz Lehàr "Meine Lippen, sie küssen so heiß" aus "Giuditta" Anna Netrebko Jules Massenet "Pourquoi me reveiller" Ramón Vargas Roberto Chapi y Lorente "Carceleras" aus "Les Hijas del Zebedeo" Elina Garanca Georges Bizet "Votre toast ... Toréador en garde! " Arie des Escamillo aus " Carmen " Ludovic Tézier Giuseppe Verdi " Libiam ne`lieti calici " aus "La Traviata" Anna Netrebko, Elina Garanca, Ramón Vargas, Ludovic Tézier
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