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Young Euro Classic
Europäischer Musiksommer


Konzert im Konzerthaus Berlin
am 4. August 2007
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Veranstalter
Young Euro Classic

Mehr als nur Chopin…

Von Annika Senger / Fotos: young.euro.classic / Bienert

Musik kennt weder Grenzen noch Sprachbarrieren. Im Berliner Konzerthaus stellen dies junge, begnadete Musiker aus ganz Europa und anderen Teilen der Welt beim Young Euro Classic-Festival vom 3. bis zum 20. August unter Beweis.

Dass polnische Musik nicht nur aus Frédéric (oder besser: Fryderyk) Chopins Feder stammt, demonstrieren zeitgenössische Avantgarde-Komponisten aus dem Nachbarland - unmittelbar beeinflusst durch die politischen Strömungen der letzten 25 Jahre.

Vergrößerung

Lukasz Borowicz

Das Beethoven-Akademie-Orchester aus Krakau interpretiert unter der Leitung des erst 30-jährigen Dirigenten Lukasz Borowicz eine Auswahl dieser Werke auf eindrucksvolle, dynamische Weise. Schon nach den ersten Takten von Piotr Moss' Intrada hört man, dass das 2003 gegründete Kammerorchester die wohl begabtesten, jungen Musiktalente Polens vereint.

Das Programm dreht sich um die düsteren Themen Krieg, Verzweiflung und Tod. Bombastische Paukenschläge läuten die Intrada ein, dissonante Bläser schließen sich an. Obertönige Violinenklänge scheinen wie aus dem Totenreich in den Zuschauerraum zu flirren. Im schreitenden Dreiviertel-Takt und mit schweren Bässen scheint sich Unheil anzukündigen. Die Atonalität und die Tempowechsel des Stückes wecken zumindest diese Assoziation.

Vergrößerung in neuem Fenster Lukasz Dlugosz

Ein großes Highlight des Konzertes ist der 24-jährige Querflötist Lukasz Dlugosz. Schon in seiner Jugend wurde er bei zahlreichen Wettbewerben mit Preisen überhäuft. Zu recht: Dlugosz führt im Flötenkonzert von Krysztof Penderecki einen virtuosen Dialog mit dem Orchester. Das Ensemble fungiert als aufgebrachter Gegenpol zum Solisten; die beiden Parteien bilden jedoch im Laufe des Stückes eine Einheit. Vor allem Dlugosz ist technisch in höchstem Maße gefordert. Kein Problem allerdings: In einer an Johann Sebastian Bachs Toccata in d-moll angelehnten Zugabe namens "Flamenco" zeigt er sogar, dass man auch mit nur einer einzigen Pfeife durchaus meisterhaft und scheinbar polyphon Orgel spielen kann!

Nach der Pause folgt Henryk Mikolaj Góreckis 1976 komponierte Symphonie Nr. 3 op. 36 in drei Sätzen, die einander so ähneln, dass man sie kaum unterscheiden kann. Von musikalischer Dramatik und Abwechslungsreichtum kann hier nicht die Rede sein, eher von Meditation. Der 26 Minuten lange erste Satz ist ein kontinuierlich strömender musikalischer Fluss (ein zähflüssiger!), der fugenartig ein einziges Motiv wiederholt. Instrumental baut er sich langsam auf - die Kontrabässe starten in der Tiefe. Celli, Bratschen und Geigen setzen nacheinander ein, bis ein voller Orchesterklang entsteht. Als Krönung fügt sich verhalten die Sopranstimme von Wioletta Chodowicz mit ein.

Vergrößerung

Wioletta Chodowicz

Die 1975 geborene Sängerin trägt in diesem unendlich wirkenden ersten Satz ein Klagelied aus dem Kloster zum Heiligen Kreuz aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts vor. Wie Gustav Mahlers Kindertotenlieder thematisiert Góreckis Symphonie den tödlichen Verlust eines Kindes - allerdings wesentlich unspektakulärer. Interessanterweise ist der Text des zweiten Satzes ein Gebet, das eine 18-jährige Polin 1944 an eine Kellerwand des Gestapo-Hauptquartiers in Zakopane geschrieben hat. Dem dritten liegt ein Volkslied im Dialekt der niederschlesischen Region Opole zugrunde: "Wohin ist er gegangen, mein geliebter Sohn?" (deutsche Übersetzung)

Chodowicz intoniert sauber und beherrscht sowohl Höhen als auch Tiefen sicher. In den höheren Lagen blüht sie richtig auf, allerdings bietet die Symphonie nur wenig Ausdrucksspielraum: Sie klingt durchweg traurig klagend, aber nicht verzweifelt - das gibt die Musik auch nicht her. Langeweile mag im Publikum einkehren. Nichtsdestotrotz, die Zuschauer sind begeistert vom Beethoven-Akademie-Orchester und den beiden Solisten. Nach den schwermütigen Klängen honorieren die Musiker den fulminanten Applaus mit zwei triumphalen Zugaben. Ganz am Ende darf sich die Sopranistin auch als Wagner-Sängerin präsentieren - ein gelungener Kontrast zu Górecki.

Fazit: Für alle, die es noch nicht wussten: Polen hat brillante Musiker zu bieten - sowohl Komponisten als auch Interpreten.




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Beethoven-Akademie-Orchester
(Polen)

Lukasz Borowicz
Dirigent

Wioletta Chodowicz
Sopran

Lukasz Dlugosz
Flöte



Piotr Moss
(geb. 1949)
Intrada (1993)
Deutsche Erstaufführung

Krysztof Penderecki
(geb. 1933)
Concerto per flauto ed
orchestra da camera (1992)
I Andante - II Allegro conbrio

Henryk Mikolaj Górecki
(geb. 1933)
Symphonie Nr. 3 op. 36 (1976)



Weitere Informationen

Young Euro Classic
www.young-euro-classic.de



Da capo al Fine

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