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"Berlin in Essen"

Johannes Brahms
"Ein deutsches Requiem" op. 45


16. Mai 2006
Philharmonie Essen
Alfried Krupp Saal
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"Das Leben raubt einem mehr als der Tod"

Von Gerhard Menzel - Fotos von Klaus Rudolph

Dieser Ausspruch von Johannes Brahms charakterisiert in ganz besonderer Weise seine Einstellung zu Leben und Tod. So verwundert es auch nicht, dass er sich für sein Requiem nicht des allgemein üblichen, festgelegten Textes der lateinischen Totenmesse bediente, sondern eine sehr subjektive Auswahl aus Schriftstellen des Alten und Neuen Testamentes sowie der Apokryphen traf. Sie zeugt von einer enormen Bibelkenntnis und von seiner persönlichen religiösen Überzeugung. Sie zeigt zugleich seine geistige Freiheit, mit dem Gefundenen umzugehen und es in neue Beziehungen zu setzen. Sein deutsches Requiem ist daher keine Trauermusik im herkömmlichen Sinne. Es stellt nicht den Seelenfrieden und die ewige Ruhe der Toten in den Mittelpunkt, sondern den Trost derer, "die da Leid tragen"; eine Musik also, die den Hinterbliebenen neuen Mut und Kraft für ihr künftige Leben geben soll.

Die Idee, ein deutsches Requiem zu schreiben, entstand in Johannes Brahms sehr früh und wurde möglicherweise unter dem Eindruck des tragischen Todes seines verehrten Freundes und Förderers Robert Schumann 1856 noch verstärkt, der sich seinerseits mit dem Gedanken beschäftigt hatte, ein solches Werk zu schreiben. Der Tod seiner Mutter im Februar 1865 scheint Brahms dazu bewogen zu haben, die zwischendurch ruhende Komposition wieder aufzunehmen. Der heutige fünfte Satz (Sopran und Chor) wurde allerdings erst im Mai 1868 komponiert und nach den ersten beiden Aufführungen in das Werk eingefügt. In seiner vollständigen Fassung (UA am 18. Februar 1869 im Leipziger Gewandhaus) verschaffte das Requiem dem damals gerade erst 33jährigen Brahms nicht nur den Durchbruch als Komponist, sondern es wurde eines der bedeutendsten und populärsten seiner Werke überhaupt.

Das deutsche Requiem von Johannes Brahms zählt heute im Allgemeinen zu den großen "romantischen" Werken seines Genres. Viele wird es daher erstaunt haben, dass sich Spezialisten der Alten Musik dieses Werkes annahmen. Das mag für die Akademie für Alte Musik Berlin noch zutreffen, aber Daniel Reuss und seine von ihm geleiteten Chöre (RIAS Kammerchor und Cappella Amsterdam) gehören zu den Interpreten, die (fast) das ganze Spektrum der Musik durch alle Jahrhunderte pflegen.

Andererseits hatte Johannes Brahms selbst eine ganz besondere Beziehung zur "alten Musik". Speziell in die Zeit der Entstehung des Requiems fällt seine besonders intensive Beschäftigung mit dieser Musik, die er nicht nur studierte, sondern auch dirigierte. Gerade sein Stil im deutschen Requiem fußt auffällig auf Kompositionstechniken der deutschen Renaissance- und Barockmusik, besonders was den Einsatz von Dissonanz, Synkopen, Hemiolen und Gegenrhythmen angeht. Verkürzt könnte man seinen Chorstil auf Händel zurückführen, den kontrapunktischen Stil auf Bach und den formalen und geistigen Hintergrund auf Heinrich Schütz. Dieser hatte 1636 mit den Musikalischen Exequien ebenfalls ein deutsches Requiem geschaffen, in dem er ebenfalls eine eigene Zusammenstellung biblischer Texte vertonte. Auch musikalische Parameter wie die Dissonanzbehandlung, der Einsatz der Blechbläser und der Männerstimmen weisen diesbezügliche Ursprünge auf.

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Daniel Reuss gelang mit der auf ein ansehnliches "Brahms-Orchester" aufgestockten Akademie für Alte Musik Berlin eine ungeheuer dichte und atmosphärische Interpretation des oft als "romantischen Schinken" servierten Meisterwerkes. Er gestaltete keinen falsch verstandenen "wagnerschen" Klangrausch, sondern zeigte - ohne große Ritardandi und überlangsame Tempi - die Durchsichtigkeit und Klarheit der Komposition auf, die auch der Text aufweist. Dieses hörbar machen der Struktur gelang vor allem durch die genaue Differenzierung, Phrasierung und Akzentuierung des an der Barockmusik geschulten Orchesters. Selbst bei zügigen Tempi wirkten die Triolen nie gehetzt, was auch für den Chorpart gilt.

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Der RIAS Kammerchor und die Cappella Amsterdam erwiesen sich als ein homogener, sehr differenziert und nuancierender Klangkörper, der trotz seines leichten und strahlenden Klanges selbst in den großen "Ausbrüchen" (z.B. "Denn es wird die Posaune schallen" und "Tod, wo ist dein Stachel?") nichts schuldig blieb, ohne jemals zu forcieren. Auch die Fugen waren klar strukturiert, transparent und kraftvoll gestaltet. Ein besonderes Lob verdient dabei die auffallende Textverständlichkeit. Die Deklamation war (ohne den sonst oft hörbaren Drill) ganz natürlich und trotzdem perfekt.

Ebenfalls eindrucksvoll gestaltet wurde die Bariton-Partie von David Wilson-Johnson, der seinen Ruf als exzellenter und eindringlicher Interpret wieder einmal gerecht wurde. Die Spanne vom menschlich grübelnden "Herr, lehre doch mich, daß ein Ende mit mir haben muß, und mein Leben ein Ziel hat, und ich davon muß." (3. Satz) bis zum prophetisch verheißungsvollen "Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: … " (6. Satz) füllte er mit großer Intensität und Ausdruckskraft. Wie er gehört auch Sandrine Piau nicht zu den "schweren" Stimmen. Ihr lichter und sanft dahinschwebender Sopran traf - gerade im Zusammenklang mit dem Chor - ganz ausgezeichnet den beruhigenden und zuversichtlichen Charakter des Stückes ("Ich habe eine kleine Zeit Mühe und Arbeit gehabt und habe großen Trost gefunden.")

Insgesamt gelang Daniel Reuss hier eine Interpretation mit äußerst positiver Ausstrahlung, die Trost und Zuversicht vermittelte und die nicht einmal durch die "Zeit der letzten Posaune" nachhaltig getrübt werden konnte. Und genau so hatte das Publikum dieses deutsche Requiem aufgenommen. Es war von Johannes Brahms und den Interpreten hörbar angetan.




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(Veröffentlichung vorbehalten)
Sandrine Piau
Sopran

David Wilson-Johnson
Bariton

RIAS Kammerchor

Akademie für Alte Musik Berlin

Cappella Amsterdam

Musikalische Leitung
Daniel Reuss




Johannes Brahms
"Ein deutsches Requiem"



Weitere Informationen
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Philharmonie Essen
(Homepage)


Akademie für Alte Musik Berlin
http://www.akamus.de/
(Homepage)


RIAS Kammerchor
http://www.rias-kammerchor.de/
(Homepage)


Cappella Amsterdam
http://www.cappellaamsterdam.nl/
(Homepage)


Daniel Reuss
http://www.danielreuss.com/
(Homepage)



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