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Jessye Norman - Between Love and Loss


Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Konzert in der Tonhalle Düsseldorf
am 22. April 2006

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Tonhalle Düsseldorf
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Licht und Schatten

Von Thomas Tillmann

Between Love and Loss ist Jessye Normans aktuelle Tournee überschrieben, die sie nach Berlin, München, Frankfurt, Hamburg, Luzern und eben auch in die Düsseldorfer Tonhalle führte (und zu der es natürlich auch eine gleichnamige CD gibt, auf der einmal mehr die Höhepunkte ihrer Karriere und damit Teile dieses Programms miteinander verbunden sind). Der Weg aufs Podium fällt ihr schwer in der royalblauen Robe, das den Raum füllende Strahlen auf ihrem Gesicht wirkt ein wenig gezwungen, und auch vokal muss man natürlich inzwischen manche Einschränkung machen.

Vielleicht hätte sie Mahlers Lieder eines fahrenden Gesellen in einer etwas höheren Tonart singen sollen, denn es sind im ersten Lied vor allem die tiefen Töne, die sehr gefährdet klingen, während man sich in der Mittellage wie eh und je von dem üppigen, goldenen, hinsichtlich der Fülle kaum reduzierten Timbre gefangen nehmen lässt. Freilich versteht es die Künstlerin, auch die Schwächen in ihre tief empfundene, vielschichtige und mannigfache Nuancen aufweisende Interpretation einfließen zu lassen – die Wiederholung von "Leide“ etwa bleibt mir unvergesslich. Irritierenderweise aber ändert sich die Qualität der Diktion mitunter von Lied zu Lied: Neben sehr gut zu verstehenden Passagen gibt es leider auch solche, in denen man sich ganz darauf verlassen muss, dass man den Text selber kennt oder dass man beim Nachschlagen im Programmheft nicht zu viel Lärm macht. Die auf mich übertrieben wirkende Mimik und Gestik war und ist Geschmackssache, das unsensible Reinklatschen des Publikums nach dem zweiten Lied nicht (die unwirsche Reaktion der gestörten Künstlerin änderte daran nur kurzzeitig etwas). Einige harsche, durchaus in der Nähe zum Sprechgesang angesiedelte Töne passten nicht schlecht zu "Ich hab ein glühend Messer“. Dass man spätestens hier bemerkte, wie sehr Mark Markham an pianistische Grenzen kam, verärgerte. Ein weiteres Problem tat sich im letzten Lied des Zyklus auf: Besonders bei hohen Tönen kämpfte die Sopranistin zum Teil nicht unerheblich mit der korrekten Intonation, besonders wenn diese piano auszuführen waren; mich persönlich indes versöhnten die Schlusstöne, die wie aus einer anderen Welt oder aus einem Grab ans Ohr des Zuhörers zu dringen schienen.

Die Vokalmusik von Richard Strauss und dessen emphatischer Jubel haben immer besonders gut zu Jessye Normans üppiger Stimme gepasst – man denkt dankbar an ihre Ariadne und auch an die sehr spezielle Salome. Höhepunkt dieses Blocks nach einer eher allgemeinen "Heimlichen Aufforderung" und einem erstaunlich mädchenhaften "Ich trage meine Minne" war für mich ein unglaublich dichtes, voller Inbrunst vorgetragenes "Befreit", das mir die Tränen in die Augen trieb (was tatsächlich nur alle paar Jahre passiert), trotz einzelner prekärer Einzeltöne – allein für dieses Lied hat sich der Besuch des Abends für mich gelohnt, während ihr diese Intensität in "Allerseelen" nicht gelingen wollte. Die Wiedergabe von "Im Abendrot" aus den Vier Letzten Liedern litt in erster Linie unter der unraffinierten, wenig atmosphärischen und mitunter sogar falsche Töne anschlagenden Begleitung des überforderten Pianisten, die Künstlerin selber tat das ihre, aber zu den ganz großen Interpretinnen dieses Zyklus habe ich sie nie gerechnet.

Keine gute Wahl waren für mein Empfinden Schönbergs Brettllieder (ohne "Jedem das Seine" und "Nachtwandler"), an deren Vortrag sie zwar spürbar großen Spaß hatte (etwa an der Darstellung des Liebesverlangens in "Galathea“), die aber doch sehr von einem ungetrübten Textverständnis leben, mehr Leichtigkeit und Intonationspräzision erfordern und weniger Heroinenhaftes. Sicher, manches Detail erfasst sie großartig (beispielsweise das Bösartig-Komische im"Einfältigen Lied"), in der Mahnung passt auch der Sprechgesang, aber gerade hier werden eben auch wieder sprachliche Grenzen offenbar.

Jessye Norman war auch immer eine bedeutende Interpretin des französischen Repertoires – man denkt etwa an ihre Alceste und nicht zuletzt an Berlioz, dessen Mort de Cléopâtre etwa zu meinen ersten Eindrücken mit ihr gehörte und deren Cassandre an der Met mir dank DVD unvergessen ist. Zu "Le spectre de la rose" und "Sur les lagunes" passt die Fülle des Wohllauts in der Mittellage, das Ausschöpfen der gesamten dynamischen Bandbreite, wobei besonders einige sehr zarte, delikate Momente hervorzuheben sind, auch in der Miniatur des "Chanson de la mariée" von Ravel, das sie zwischen die beiden Auszüge aus den Nuits d'été setzte (das letzte offizielle Lied war dann dessen "Vocalise"). Sicher, die Höhenprobleme fielen im Laufe des Abends natürlich mehr und mehr auf, aber dennoch ersparte sie sich und den Zuschauern wirkliche Momente der Peinlichkeit, wie man sie in anderen Veranstaltungen dieser Art schon erlebt hat: Es gibt noch genug Wertvolles, Berührendes und Großes zu entdecken, bei allen Spuren der Vergänglichkeit und des Verfalls.

Licht und Schatten dann bei den Zugaben: Von Strauss' gern bei solchen Anlässen bemühter, sehr pauschal und wenig souverän gegebener "Zueignung" war kaum ein Wort zu verstehen, und meinem Verständnis von Kunst und Gepflogenheiten im Konzertsaal widerspricht es auch, sich während des Vortrags in alle Richtungen zu verbeugen, auch wenn die Gefühle der Dankbarkeit vermutlich echt waren. Als sie aus dem üppigen Rosenbouquet eine einzelne Blume löste, ahnte man bereits, dass sie mit der Habanera an ihre viel diskutierte, sehr besondere Carmen-Einspielung erinnern würde. Leider standen auch hier exquisite neben geradezu wie eine Parodie wirkenden Reibeisentönen und arg Plakativem: Gerade die Klischees, die sie damals so wohltuend vermieden hatte, bediente die Amerikanerin nun in vollen Zügen und mit offenbar großem Spaß am Vulgären. Und dann hob sie, weiterhin vom Publikum begeistert angefeuert und inzwischen neben ihrem Begleiter sitzend, zur vielleicht besten Einzelleistung des Abends an, zu einem sehr subtilen, intimen, hinreißend ausgezierten, vielschichtig-dichten "Summertime" – große Kunst noch einmal, nicht nur für die Fans, und noch einmal auch dieser Kloß im Hals, als sie zu den Schlusstönen die Bühne verließ. Vielleicht hätte sie mehr dieser Standards machen sollen, mehr Jazz, mehr Spirituals vielleicht. Für die letzte Zugabe setzte sich die Künstlerin selbst ans Klavier und sang sehr berührend in vollendeter mezza voce "Amazing Grace" (eben so, wie wir Europäer uns das vorstellen, wenn wir an Kirchen in den Südstaaten der USA denken), zuletzt auch eine Oberstimme zum kollektiven Summen des Tonhallenpublikums. Das mag der eine oder die andere kitschig finden, als Geschäftemachen mit religiösen Gefühlen bezeichnen – vergessen wird man es nicht.


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Solisten

Jessye Norman, Sopran

Mark Markham, Piano



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