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Unwürdiger Abschied
Von Thomas Tillmann
Von einer "geradezu mystischen Atmosphäre" sprach der örtliche Veranstalter des Düsseldorfer Abschiedskonzerts von Luciano Pavarotti (ein weiteres in Stuttgart folgt im Oktober), "wenn der Maestro die Bühne betritt, um die großen Melodien der Klassik mit einer nur ihm möglichen, einzigartigen Interpretation zu Gehör zu bringen". Sieht man davon ab, dass jede Interpretation nur einem einzigen Menschen möglich ist und dass der Begriff mystisch zu definieren wäre, so ist man zunächst entsetzt über den Umstand, dass der Star das Podium in der schmucklosen Messehalle 8 in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt nicht vor den Augen des Publikums betritt, sondern sich ebenso wie das Orchester, das für die Klavierlieder, mit denen der Abend sehr diskret beginnt, die Sopranistin und der Dirigent bereits auf selbigem befindet, namentlich in einem dunklen Oberteil, das von einer bunten Stola aufgelockert wird, hinter dem Flügel kauernd, auf dem die Noten ausgebreitet sind, von denen die Augen des Künstlers sich nur selten abwenden, und ein mit Zaubertränken gefüllter Becher steht, zu dem der Sänger nach jeder Nummer greift. Auf- und Abgänge gibt es nicht, die Mitwirkenden werden stattdessen weggeblendet, wenn sie gerade eine Pause haben und nicht auf der nicht allzu großen Übertragungsleinwand bestaunt werden können, auf die die überwältigende Mehrheit der Zuschauerinnen und Zuschauer angewiesen ist, die nichtsdestotrotz zum Teil mehrere Hundert Euro für ihre Karten bezahlt hatten, um eine der letzten Gelegenheiten wahrzunehmen, "den legendären Star-Tenor hautnah zu erleben" (Leiter Kommunikation DaimlerChrysler). Wem das nicht genug war, der musste sich damit begnügen, den Abend in dem "Bewusstsein den Menschen im Sudan geholfen zu haben" (Programmheft) verbracht zu haben, denn immerhin ging ein nicht näher bestimmter Anteil des Veranstaltungserlöses an hungernde Menschen in diesem afrikanischen Land. Aber eigentlich war man ja wegen der Stimme gekommen, die nunmehr eben doch wie die eines fast Siebzigjährigen klingt, ein wenig steif und manches Mal mindestens in großer Gefahr zu brechen, häufig nicht mehr im Fokus und auf der vorgesehenen Tonhöhe, besonders bei den viel zu lange gehaltenen (immer ein Zeichen schlechten Geschmacks!), greinenden Fortetönen, sie weist einen starken wobble vor allem in der Höhe, heisere Nebengeräusche in der Mittellage und vor allem im Passaggio auf, auch das Legato klappt nicht mehr so wie früher, und manches Piano und manche mezza-voce-Passage lassen sich kaum noch von einem tonlosen Gemurmel unterscheiden, wobei der Künstler sich in solchen Momenten gern auch ins Falsett rettete - über vieles können eben auch nicht die raffiniertesten Produkte moderner Beschallungstechnik hinwegtäuschen. Warum meint der Tenor aber auch immer noch Rodolfo singen zu müssen, der natürlich wichtig für seine Karriere war (sein professionelles Debüt 1961 in Reggio Emilia gab er in La Bohème, und mit der Tenorpartie dieser Oper stellte er sich an den meisten wichtigen Häusern vor), dem er aber auch rein vokal einfach nicht mehr wirklich gerecht werden kann und in dessen Arie er völlig willkürlich Akzente setzte, die mit Text und Musik nicht das Geringste zu tun haben! Einige freundliche Bravorufe gab es erst nach den Cavaradossi-Arien, auch wenn besonders die langen Bögen der zweiten ungeheuer gequetscht ans Ohr des sensiblen Hörers drangen. Das von gepressten Tönen beider Solisten dominierte Kirschenduett aus L'amico Fritz dagegen kannten die Zuhörer offenbar zu schlecht, um entsprechend reagieren zu können. Glücklich war man dagegen über die aus den Fußball-Fernseh-Konzerten vertrauten neapolitanischen Lieder, und tatsächlich konnte auch der Rezensent sich in "La mia canzone al vento" über einen ordentlichen Triller und in "Mattinata" über einige anständige Acuti freuen. Die Erwartungen der Masse wurden in vollem Umfang im Zugabenblock erfüllt: Den deutschen Frauen widmete Pavarotti ein "Granada", das annähernd wie auf den Platten klang, dem deutschen Fußballteam der Weltmeisterschaft des kommenden Jahres "O sole mio" (zur Zeit wird verhandelt, ob es eine weitere Neuauflage der Three Tenors-Konzerte an der Seite von Plácido Domingo und José Carreras geben soll!), das die Fans zum Rasen brachte, auch wenn sie die von den Konserven doch eigentlich bekannten Applauseinsätze verfehlten. Dem Meister war es nicht entgangen, und so verbat er sich für das finale Traviata-Brindisi das Mitklatschen (natürlich ohne Erfolg) und verpflichtete die Massen stattdessen als Chor für den Verdi-Hit - kein weiterer Kommentar. Wenig Freude kam auch auf bei den Beiträgen der "bezaubernden Sopranistin Simona Todaro" (wdp entertainment), bei der es sich dem Vernehmen nach um eine Großkusine des Tenors handeln soll: Die Stimme sitzt merkwürdig weit im Hals und klingt bald unfertig, bald viel zu ältlich und vibratoreich. In Erinnerung bleiben belegte, kehlige Töne in der Mittellage, scheppernde, forciert-uncharmante und auch scharfe in der bleichen Höhe, auch die Intonation war etwa in der Mimì-Arie nicht ganz sauber (mit dieser Partie war sie an verschiedenen Orten zu hören, nicht zuletzt bei Pavarottis Regiedebüt in Fano im Dezember 2004), die interpretatorischen Möglichkeiten in Adrianas erster Arie ebenso pauschal wie die Textbehandlung. Trotz größerer Gestaltungssorgfalt war man nicht traurig, dass vom italienisch gegebenen Viljalied nur eine Strophe ertönte und dass "Dein ist mein ganzes Herz" (auch dies nicht in der Originalsprache, die die des Publikums ist, und in reichlich veristischer Ausführung) auch von überschaubarer Länge ist, zumal ich die "tragische Ausstrahlung", die der Italienerin im Programm attestiert wird, die ich allerdings eher als Solistin beim jährlichen Kirchenkonzert in der Provinz sehe und die bereits mit Partien wie der Anna im Nabucco, die sie in Cagliari gegeben hat, und Mozarts Erster Dame, für die man sie in Bozen, Rovigo und Trient engagiert hat, wahrlich ausgelastet ist, nicht habe entdecken können. Der folgsame Leone Magiera, der zusammen mit Pavarotti vor kurzem eine Gesangsschule in der gemeinsamen Heimatstadt Modena eröffnet hat, "wo talentierte junge Sänger auf eine mögliche internationale Karriere vorbereitet werden", und der zur Zeit "an einer Buchreihe über die Probleme von Sängern im Opernumfeld schreiben" soll (wofür er an diesem Abend reichlich Eindrücke hat sammeln können), hätte seinem langjährigen Kumpel die behäbig langsamen, wahrlich atemraubenden Tempi ausreden müssen (am quälendsten vielleicht bei der unerträglich verkitschten, zuckrigen Duett-Version des Schubertschen Ave Maria, die für die Opfer der Terroranschläge des 11. September erklang) und sich gegen den ausgesprochen streicherdominierten Klang des mäßigen Orchesters auflehnen sollen, dessen Sologeige im Intermezzo aus L'amico Fritz wie aus einer Zigeunerkneipe in Budapest aufschluchzte.
Eine traurig stimmende Veranstaltung voll müder Routine mit einem Medienstar, der es offenbar nicht erträgt, dass seine lange Karriere endgültig vorbei ist, eine unwürdige Präsentation des zentralen Verkaufsartikels des Unternehmens Pavarotti International aber auch, eines Täter-Opfers wie Wagners Wotan, der "durch Verträge ... Herr" ist, aber "den Verträgen ... nun Knecht" zu sein scheint und dabei sein Ansehen grausam beschädigt. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
ProgrammAuszüge aus Opern und Operetten von Puccini, Mascagni, Cilea und Lehár Lieder von Tosti, Bellini, Di Lazzaro, Bixio und Leoncavallo MitwirkendeLuciano Pavarotti, TenorSimona Todaro, Sopran Budapester Konzertorchester MÁV
Musikalische Leitung
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