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Antti Siirala
Klavier

SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg
Musikalische Leitung: Michael Gielen


11. Februar 2006
Festspielhaus Baden-Baden
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Entdeckungen

Von Christoph Wurzel / Foto: Festspielhaus

Des einen Leid, des andern Freud: schon mehrfach hatte Antti Siirala Gelegenheit bei Konzerten einzuspringen, wenn ein bekannter Solist oder Dirigent durch plötzliche Erkrankung ausfiel. Diesmal vertrat er in Baden-Baden die Stelle von Hèléne Grimaud, die ihren Auftritt krankheitshalber absagen musste. Der junge Finne (* 1979) startete jedes Mal durch und erntete große Erfolge, so auch jetzt in Baden-Baden, wo er sich als weit mehr denn ein Ersatzmann erwies. Ganz unbekannt freilich ist Antti Siirala nicht mehr, er hat bereits mehrfach namhafte Wettbewerbe gewonnen, so in Wien, London, Dublin und Leeds. Seine Debutplatte mit Schubert-Transkriptionen erhielt ganz hervorragende Kritiken und mit seiner neuesten Aufnahme u.a. der 3. Brahmssonate bewies er seine Kompetenz für gerade auch diesen Komponisten. Nun gab es Gelegenheit, mit dem 2. Klavierkonzert die Vorschusslorbeeren zu rechtfertigen und Antti Siirala hat sich in der Tat als aufgehender Stern am Pianistenhimmel erwiesen.

Vergrößerung in neuem Fenster Antti Siirala

Schon der Beginn, das zarte, einfühlsam hingesungene Echo des Klaviers auf das einleitende Hornmotiv am Anfang des ersten Satzes ließ erahnen, welche Seite dieses Konzerts Antti Siirala besonders beleuchten würde, den poetischen, cantablen und durchaus heiter abgeklärten, den versonnen meditativen Tonfall des oft doch so bärbeißig sperrigen Brahms. Besonders schön entfaltete sich dies im 3. Satz - zuerst natürlich in dem glutvoll gesungenen Cellosolo am Anfang, dann aber weitergeführt im Klavier mit dem differenzierten, ausdrucksvollen Anschlag Siiralas. Im harmonischen Einverständnis von Oboe, Fagott, Flöte und Cello mit dem Klavier mündete der Schluss des Satzes in einen meditativen Augenblick, als sei es ein Gespräch über die letzten Dinge dieser Welt.

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Antti Siirala

Doch auch die virtuose Seite des Konzerts kam nicht zu kurz, aber Siiralas Spiel war an keiner Stelle bloß auftrumpfende Tastentechnik oder leere Zurschaustellung pianistischen Könnens. Dabei spielte er technisch souverän, schien die enormen Schwierigkeiten des Werks vergessen machen zu wollen. Und im letzten Satz hatten Pianist und Orchester endgültig einen perfekten Gleichklang des Ausdruckswillens gefunden, die unterschiedlichen Charaktere dieses rondoartigen Konzertabschlusses gemeinsam vollendet herausgespielt. Michael Gielen war dem jungen Pianisten die ganze Zeit über nicht nur ein höchst erfahrener, sondern auch gespannt aufmerksamer Begleiter gewesen.

Im ersten Konzertteil hatte das SWR Sinfonieorchester mit einer wahren Entdeckung schon seine überragende Klangqualität und Spielkultur unter Beweis gestellt - mit der "Asrael" - Sinfonie von Josef Suk, dem Schwiegersohn Antonin Dvoraks und Vater des tschechischen Geigers gleichen Namens. Vor einigen Jahren hatte Gielen mit dem SWR Sinfonieorchester bereits Suks sinfonische Dichtung "Ein Sommermärchen" aufgeführt und auch auf CD eingespielt, so dass ein aufmerksamer Beobachter mit großen Erwartungen der "Asrael - Sinfonie" entgegen blicken konnte. Und dieses monumentale Werk von einstündiger Dauer erwies sich wie auch das "Sommermärchen" als beeindruckende Musik, deren Komponist bis zur Schwelle von der Spätromantik zur Moderne vordringt, gleichsam nur einen Schritt davor, wo Mahler sie in seinem Spätwerk überschritten hat.

Diese monumentale Sinfonie ist musikalische Trauerarbeit, Suk reflektiert darin gleich zwei schmerzliche Verluste, die er durch den Tod des Schwiegervaters 1904 und den kurz darauf folgenden Tod seiner eigenen Frau (1905) erleiden musste. So gab er der Sinfonie den Namen des Todesengels Asrael, nach jüdischem Verständnis der Begleiter der Seelen ins Jenseits. Die Sinfonie ist zweigeteilt: der erste ist dem Andenken Dvoraks gewidmet und enthält 3 Sätze, der zweite, zweisätzige, erinnert an Otylka, geborene Dvorak. Die Musik ist von großer emotionaler Eindringlichkeit und zugleich großflächiger polyphoner Struktur. Das Klangbild ist dem Mahlers sehr nahe, es ist reich an bizarren Verfremdungen, harten Kontrasten, dramatischen Aus- und Durchbrüchen, aber auch lyrisch nostalgischen Reminiszenzen bis hin zum verklärenden Augenblick - eine erzählende, stark gestische Musik, dennoch absolute Musik, wenn auch mit einem Programm in ihrem weit gespannten Ausdrucksspektrum.

Mit dem bei diesem Orchester intensiv geschärften Mahlerohr, beim Dirigenten aufs Genaueste geschulten Mahlersinn geriet die Aufführung dieses Werks zu einem überwältigenden Ereignis. Jede Klangnuance wurde ausgefeilt, klar war die groß angelegte Architektur des Werks zu erfassen und durchzuhören, jede Stimmung war fühlbar empfunden, die innere Spannung der Musik auf den Punkt getroffen. Was Suk auch an Tradition amalgamiert und dennoch zu eigener Klangsprache verwoben hat, es schien deutlich hervor: etwas von Schuberts traurigem Andante-Wanderschritt im Trauermarsch des 1. Teils oder ein an Wagner gemahnendes Englischhornsolo im elegischen Adagio des der verstorbenen Ehefrau gewidmeten 2. Teils. Wie bei Mahler sind es Vokabeln der musikalischen Rhetorik, die die Ausdrucksintensität dieser Musik erzeugen und eine große Faszination auf den Hörer ausüben. Der Realisation durch das SWR Sinfonieorchester unter Gielen vermochte die Qualitäten der Musik höchst verdienstvoll herauszustellen.


FAZIT

Zwei großartige Entdeckungen in einem Konzert: ein junger Pianist, der für die Zukunft viel verspricht und eine ergreifende Sinfonie als Repertoire-Bereicherung.




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Antti Siirala
Klavier

SWR Sinfonieorchester
Baden-Baden und Freiburg

Musikalische Leitung
Michael Gielen



Josef Suk
"Asrael" - Sinfonie c-Moll Op. 27

Johannes Brahms
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2
B-Dur Op. 83


Ein Mitschnitt desselben Programms mit
denselben Interpreten aus dem Konzerthaus
Freiburg wird am Freitag, 24. Februar 2006 im
Programm SWR2 ab 20.03 Uhr zu hören sein.





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