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Musik des Barock aus Frankreich und England

Les Paladins
Comédie-ballet en trois actes
Musik von Jean-Philippe Rameau
Textdichter unbekannt

In französicher Sprache mit deutschen Übertiteln
Konzertante Aufführung am 2. Dezember 2005


The Messiah
HWV 56
An Oratorio for 4 Solo Voices, Chorus and Orchestra
Musik von Georg Friedrich Händel
Text von Charles Jennens

In englischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Am 4. Dezember 2005
Festspielhaus Baden-Baden
Homepage

Festspielhaus Baden-Baden
(Homepage)
Spannweite der Barockmusik

Von Christoph Wurzel / Fotos:pr

Unterschiedlicher können zwei Werke aus etwa derselben Zeit kaum sein als die 1760 in Paris entstandene Oper Rameaus und das 1742 in Dublin uraufgeführte Oratorium Händels. Beides sind zwar Werke aus dem reifen Alter ihrer Schöpfer - Händel war 56, Rameau sogar 77 - und gemeinsam ist beiden Komponisten auch, dass sie jeweils den Höhepunkt des Musiklebens ihrer Zeit in ihrem eigenen Nationalstil verkörpern, wenn auch beide in ihrer Zeit nicht unumstritten waren. Aber abgesehen davon, dass beide Werke unterschiedlichen Gattungen angehören und wenn Händels Oratorium den Opernkomponisten nicht verleugnen kann, so kommt Rameau dagegen als Komponist ursprünglich von der Kirchenmusik. Dennoch beiden Werken eignet ein ganz gegensätzlicher Charakter: "Les Paladins" ist ein durch und durch heiteres, ja komisches Werk, der "Messias" dagegen eine von religiöser Ehrfurcht bis hin zum frommen Pathos reichende Komposition. Auch das Ursprungs-Publikum ist jeweils unterschiedlicher kaum zu denken: Rameau komponierte für die adlige Welt der Pariser Hofgesellschaft, Händels Musik reichte weit in die bürgerlichen Schichten Londons hinein. Schließlich ist der "Messias" wohl Händels bekanntestes Werk, Rameaus "Paladine" dagegen eine echte Rarität.

Herausgefordert wurde nun ein Vergleich dieser Werke durch die aufeinanderfolgende Aufführung im Festspielhaus Baden-Baden, was zu einer spannenden Begegnung wurde. Reizvoll auch wegen der Interpreten, die jeweils auch manches gemeinsam haben und dennoch einen ausgeprägten Eigencharakter aufweisen.
Mit dem von ihm 1979 gegründeten Originalklang Ensemble Les Art Florissants, bestehend aus Chor und Orchester, war William Christie mit Rameaus Oper zum 2. Mal zu Gast in Baden-Baden und mit den ebenfalls von ihm gegründeten (1991 bzw.1995) Balthasar-Neumann-Ensembles (Chor und Orchester) gastierte Thomas Hengelbrock zum wiederholten Male in der Kurstadt.
Beide Dirigenten gelten zu Recht in ihrem Metier als Spitzenmusiker, beide neigen sich besonderen Sparten der Barockmusik ausdrücklich zu: Christie pflegt mit Priorität die Musik des französischen Barock, Hengelbrock überrascht immer wieder mit Neuentdeckungen von bisher unbekannten Schätzen des 17. und 18. Jahrhunderts. Während letzterer schon bis Verdis Rigoletto (2004 im Festspielhaus) in Originalklanggestalt vorgedrungen ist, möchte Christie eigenen Aussagen zufolge doch lieber im Rahmen der Barockzeit bleiben. Aber Einseitigkeit kann auch Christie nicht nachgesagt werden, der sich dem ganzen Spektrum der Musik des 18.Jahrhunderts gewidmet hat - neben den großen Namen Frankreichs auch dem italienischen Barock, den englischen Meistern von Purcell bis Händel, genauso wie Gluck oder Mozart.

Vergrößerung in neuem Fenster William Christie,
Gründer und Leiter der Ensembles "Les Art Florissants"

Und der Vergleich wird zusätzlich angeregt durch eine Bemerkung Christies im Programmheft des Rameau-Abends, in dem er die stilistische Komplexität der französischen Barockoper den Werken Händels entgegenstellt, die doch "letztlich einfacher gestrickt" seien. Die französische Musik sei zudem vom Wort her gedacht, die italienische, in der Londoner Händel fußt, vom Instrumentalen her.

In der Tat - bei der Musik zu Rameaus komischer Ballettoper handelt es sich um eine enorm farben- und formenreiche Partitur, ein reges Wechselspiel der von Sprachwitz inspirierten Rezitative mit den filigran melodiösen Airs, den duftig animierten Tänzen und vielen besonderen Effekten überraschender Instrumentation, vom Intensiven Einsatz der Hörner oder Fagotte bis hin zu Tambourin und Glockenspiel. Beschwingt und leicht leitete Christie die etwas mehr als 20 Instrumentalisten durch den musikalischen Zaubergarten und diese entlockten mit sichtbar großer Spielfreude ihren historischen Instrumenten einen prickelnd charmanten Klang. Auch der Chor, dessen Partien von choreografierten Bewegungen begleitet waren, sprühte vor Lebendigkeit.

Die Handlung dieser Oper lässt sich wie häufig leicht auf die Formel bringen: Wer kriegt hier wen? Unter den Paladinen muss man sich Bedienstete im Hause des reichen, aber alten Edelmannes Anselme vorstellen, die in komplizierte Verwicklungen um ebendiese Frage verbandelt sind (bunte Schals sind Symbole dieser Kreuz- und Quer-Beziehungen). Natürlich klärt sich am Schluss alles auf und die jungen Liebenden finden zueinander, während der Alte und seine Gefolgsleute in die Röhre gucken. Den üblichen Theaterzauber mit Verwandlungen und Gewitter hat Rameau natürlich mitkomponiert und man würde diese Oper gern einmal in einer geglückten szenischen Realisierung sehen ( diejenige in Paris 2004, auf welcher das Baden-Badener Gastspiel basiert, schien nicht so angekommen zu sein). Aber auch diese quasi konzertante Aufführung mit ihren gestenreichen Soloeinlagen erzeugte viel Lebendigkeit und vor allem durch den intensiven musikalischen Gestus bot sie einen weiten Bühnen-Phantasie-Raum.

Die Solisten glänzten durchweg mit enormer Präsenz und großer Gesangskultur. Die Charaktere waren prägnant getroffen. Das junge Liebespaar Argie und Atis war mit Katia Velletaz und Anders Dahlin erstklassig besetzt. Sehnsuchtsvoll und melancholisch, später empfindsam und beseelt gestaltete die Sopranistin mit ihrer ausnehmend schönen Stimme ihre Rolle aus. Der schwedische Tenor konnte den jugendlichen Helden auch stimmlich glaubhaft machen, seine Auftritts- Arie mit den schwelgerischen Koloraturen bewältigte er makellos. Das komische Dienerpaar gehört in dieser Oper jeweils den verfeindeten Lagern an: Argies Freundin Nérine tändelt nur zum taktischen Schein mit dem herrschaftlichen Aufpasser Orcan und Danielle de Niese war diese Rolle schier auf den temperamentvollen Leib geschnitten, sie funkelte nur so voll erotischem Esprit. Gesanglich schoss sie dabei bisweilen über das Ziel des Schöngesangs etwas hinaus. Und Joao Fernandes` Orcan war die gelungene Karikatur eines Zerberus, der mehr Autorität behauptet, als er vor lauter Ängstlichkeit beweisen kann. Seine Rachearie im ersten Akt mit den in Musik gesetzten schlotternden Knien geriet zu einer subtilen Parodie auf entsprechende Affektnummern des ernsten Genres.

Den liebestollen Hausherrn Anselme sang Matthieu Lécroart mit schönem, leicht geführten, schlankem Bass. Die musikalisch dankbare Rolle der Zauberfee Manto hatte der Countertenor Emiliano Ganzales Toro übernommen und belegte besonders in der wunderschön gesungenen Frühlingsarie sein Können. Gestochen klar und in der Höhe strahlend meisterte er mühelos die reich ausgezierte Gesangslinie.

Ein reines Vergnügen wurde also mit diesem verborgenen Schatz der französischen Oper ausgelöst und das Baden-Badener Publikum danke es mit überwältigendem Beifall.

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Thomas Hengelbrock,
Gründer und Leiter der Balthasar-Neumann-Ensembles

Der folgende Abend gehörte ganz der ernsten, sakralen Kunst. Die nach dem barocken Baumeister Balthasar Neumann benannten Ensembles sind inzwischen schon so etwas wie Stammgäste in dem eher nüchternen und architektonisch nicht besonders auffälligen Festspielhaus. Man könnte also schon fast geneigt sein, deren Hochleistungen als Gewohnheitsrecht zu quittieren. Doch Thomas Hengelbrock und seinen Musikerinnen und Musikern gelingen immer wieder Sternstunden funkelnder musikalischer Pracht. Die Solistinnen und Solisten treten bei diesen Aufführungen immer aus dem Chorkollektiv heraus und im Messias mit seinen vier vorgeschriebenen Solopartien waren die Stimmlagen mit unterschiedlichen Sängerinnen und Sängern besetzt, die auf ideale Weise den Charakter der jeweiligen Arien bzw. Rezitative unterstrichen, allen voran Andrea Lauren Brown, die mit engelisch sanftem Sopran die weihnachtlichen Partien im 2. Teil gestaltete.

Jürgen Banholzer, der bewährte Altus dieser Ensembles, vermochte in der Nr. 23 ( sozusagen der "Martern"-Arie dieses Oratoriums) mit seiner nicht großen, aber sehr ausdrucksstarken Stimme ein Charisma warmer Textempathie zu entfalten. Auch die übrigen Gesangssolisten stellten hervorragende Qualität unter Beweis. Das populäre "Wau-wau"- Stück (Charles Burney), das homophone Halleluja, ließ Hengelbrock nicht besonders auftrumpfen, sondern integrierte es in den Kontext dieses an musikalischen Schätzen nicht armen Werks. Die Farbigkeit des Orchesterparts kam in unzähligen Valeurs zum Blühen, besonders in den Nummern 10 und 11, in denen von der Finsternis der Welt vor der Ankunft des Messias die Rede ist. Immer wieder brachte die Klangrede reiche musikalische Eloquenz hervor, die dem klingenden Sinn der Komposition äußerst zugute kam. Die Orchesterstimmen waren gut durchgearbeitet und die Solisten höchst aufmerksam auf dem Posten - eindrucksvoll die Zwiesprache der Solotrompete mit dem Sänger ( dem Bass Markus Flaig) im Song Nr. 48 ("The trumpet shall sound").

Bei allem, was Hengelbrock mit seinen Ensembles auch aufführt, hat man immer das Gefühl, die Musik irgendwie ganz neu zu hören, jedes der Werke geht er mit seinem Musikern offensichtlich ganz ohne Routine und Lauheit an, vielmehr spürt man in jedem Takt geschliffene Professionalität und feurigen Eifer.


FAZIT

Wie fällt nun der Vergleich aus? Kein Besser oder Schlechter auf der oder jener Seite, sondern ein Sowohl als auch. Zwei eigentlich unvergleichliche Werke an diesen beiden Tagen zu hören, macht die ungeheure Bandbreite der musikalischen Künste der Barockzeit unmittelbar zum Ereignis. Es ist neben der Entdeckung der Klangrede als musikalischem Gestaltungsmittel eine weitere bereichernde Erfahrung des gegenwärtigen Musikbetriebs: den enormen Reichtum der Musik in perfekten Aufführungen erleben zu können.




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Les Paladins

Musikalische Leitung
William Christie

Solisten

Atis
Anders Dahlin

Argie
Katia Velletaz

Orcan
Joao Fernandes

Anselm
Matthieu Lécroart

Manto
Emiliano Gonzales-Toro

Nérine
Danielle de Neise

Chor und Orchester
Les Arts Florissants




The Messiah

Musikalische Leitung
Thomas Hengelbrock

Solisten

Sopran
Tanya Aspelmeier
Andrea L. Brown
Nuria Real


Altus
Jürgen Banholzer
Alex Potter


Tenor
Benoit Haller
Julian Podger
Knut Schoch


Bass
Manfred Bittner
Markus Flaig
Marek Rzepka


Balthasar-Neumann-Chor
Balthasar-Neumann-Orchester









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Da capo al Fine

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