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Themenfrage
Von Rainer v. Hößlin Vor und nach dem Konzert musste man schon überlegen, worin nun eigentlich der Themenschwerpunkt des Programms lag. Kirchlich-religiös? Was aber hatte dann der symphonische Haydn darin zu suchen. Halten wir uns an die aus der Halbmoderne stammende französische Kirchenmusik, welche die Wiener Klassik umrahmte. Zunächst also Olivier Messiaen mit seiner 1932, als junger Organist komponierten "Hymne au Saint Sacrement". Der Komponist, durch und durch katholischer Musiker, dessen Werk einer tief empfundenen theologisch-mystischen Grundhaltung entstammt, hat in diesem Stück für großes Orchester seine in späteren Lebensjahren gewonnenen Erkenntnisse über die dynamischen, rhythmischen oder phonetischen Funktionen der Musik nur ansatzweise erkennen lassen. Messiaen, der Begründer der seriellen Musik, zeigt sich hier offensichtlich von Debussy, dem er auf Vermittlung seines Lehrers Jean de Gibon begegnet, tief beeindruckt. Die langsamen Teile der Hymne erinnern jedenfalls stark an die Klangflächen des Impressionismus. Weit entfernt scheinen die seriellen Zwölftontechniken der Schüler Messiaens Stockhausen und Boulez. Die Musik spricht die muskalisch-religiösen Sinne direkt und komplikationslos an. Das Symphonieorchester des Bayrischen Rundfunks trug dem großartig Rechnung. Perfekt und begeisternd haben insbesondere die Streicher den "seelenvollen" Teil der Komposition interpretiert. Die Piani der Geiger und das an den ersten beiden Pulten oder solistisch zelebrierte Gegenspiel der Bratschen absolut beindruckend. Die Aufwallungen des Orchestertuttis hatten in ihrer dynamischen Abstufung Kraft und überwältigende Intensität. Das Dirigat Mariss Jansons` war inspirierend; den hoch konzentrierten Musikern war dies von Anbeginn anzumerken. Den Schluss des Konzerts und seine Umrahmung bildete Poulencs 1959 vollendetes Gloria. Der Komponist - auch er betrachtete sich als religiöser Musiker - war Mitglied der Gruppe "Les Six", einer Vereinigung junger französischer Komponisten. Sie hatten sich zum Ziel gesetzt, fremde Einflüsse, etwa die des deutschen Formalismus oder des französischen Impressionismus, zu meiden. Die simple Eigenständigkeit war Programm. Poulenc hat dies weitestgehend verwirklicht. Das Gloria, seiner verstorbenen Frau Nathalie und dem Andenken Koussevitskys gewidmet, ist in großen Teilen so originell, dass es von Kritikern seinerzeit als Sakrileg empfunden wurde. Poulenc antwortete auf solcherlei Anschuldigungen in seiner eigenen Originalität: er habe beim Komponieren Engel mit herausgestreckter Zunge und Fußball spielende Benediktinermönche vor Augen gehabt. Im Gloria und im Laudamus, "frisch und lustig vorzutragen", geht es nahezu jazzig zu, es steckt voller Lebensfreude - Bernstein lässt grüßen. Andererseits beeindrucken die Lento-Teile des "Domine Deus", des Agnus Dei und des Schlusssatzes durch verinnerlichte Mystik. Die Sopransoli strömen in tief empfundenem Glauben. Diese Gegensätze machen das Gloria reif für den Konzertboden, auf dem die Rundfunksymphoniker und der Chor des Bayerischen Rundfunks, einstudiert von seinem Leiter, Herrn Prof. Gläser, Eindrucksvolles darboten. Die Perfektion ist man ja schon gewohnt, Poulenc wurde von Orchester und Chor darüber hinaus aber auch mit Freude musiziert. Die dynamischen Abstufungen, die seelenvollen Pianopassagen und die packende Rhythmik beeindruckten sehr. Größtes Lob aber gilt der Sopranistin Frau Orgonasova. Sie verfügt über eine ausgeglichene, lyrische Stimme, welche sie im Forte nachdrücklich, im Piano stets tragend einsetzen konnte. Das Zusammenwirken aller Musiker konnte dem in gewissem Sinne als Showstück zu bezeichnenden Werk durchaus Glanz verleihen. Vor der Pause war Mozarts Missa brevis in C-Dur, KV 257, auch Credo-Messe genannt, zu hören. Nach der Pause erklang Haydns Londoner Symphonie "Die Uhr". Die beiden Wiener Klassiker haben Überwältigendes geleistet, vor allem Mozart gerade unter dem Joch des Salzburger Erzbischofs. Die Messe ist großzügig mit Trompeten und Posaunen besetzt, die Pauken geben ihr ein besonderes Gepränge. Die Musik steckt voll von genialen Einfällen. Die tiefe Gläubigkeit Mozarts findet hier ein beredtes Zeugnis. Jahre später komponiert Haydn im Auftrag des Verlegers Salomon in zwei Serien insgesamt 12 Symphonien, die "Londoner Symphonien". Sie verfestigen Haydns Ruhm und haben beim Londoner Publikum sofort durchschlagenden Erfolg. "Die Uhr", Nr. 101 des symphonischen Werks, ist originell und witzig. Diese Frische schlägt den Zuhörer in ihren Bann. Das gilt aber dann nicht, auch nicht bei der Mozart-Messe, wenn zu glatt musiziert wird. Das kann man dem Dirigenten und dem Orchester leider nicht nachsehen. Außer dem zweiten Satz der Symphonie, welcher ihr den Beinamen gegeben hat und hier mit dem Witz musiziert wurde, den Haydn immer wieder erkennen lässt, muss man der Interpretation manchmal symphonisch-romantische Großflächigkeit unterstellen. Das passt weder zu Haydn noch zu Mozart. Natürlich haben alle perfekt gespielt, natürlich wurde das jeweilige Idiom der Komposition getroffen. Dennoch stellte sich bald Langweile ein. Die dynamischen Abstufungen waren flach, besonders in den Ecksätzen, die Instrumentalgruppen fügten sich in einen Gesamtklang, statt sich zum Zwecke des miteinander Streitens wohltuend abzusetzen. Die Pauke war so dezent, dass man sie als solche kaum wahrnahm. Die Holzbläser, durchaus engagiert, konnten ihren so wichtigen Interpretationsanteil kaum einbringen. Gewiss war alles in gewissem Sinne "richtig". Gleichwohl hat man dergleichen schon anders gehört, man kann es sich anders vorstellen. Die rühmliche Ausnahme bildete der Chor, der Mozarts Credomesse textverständlich und perfekt phrasierte. Gläser und seinen Sängern gebührt besonderes Lob. Interessant war das gut besuchte Konzert allemal. Die französische Einrahmung der Wiener Klassik war sozusagen der Höhepunkt am Anfang und am Ende. Vielleicht hat Mozart nicht so ganz in den Konzertsaal gepasst. Das Engagement aller und allen voran das Engagement des neuen Chefs Mariss Jansons ist hoch zu achten. Anhaltender Beifall des dankbaren Publikums. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Luba Orgonasova, Sopran Rebecca Martin, Alt Herbert Lippert, Tenor Thomas Laske, Bass Chor des Bayerischen Rundfunks Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks Ltg.: Mariss Jansons Olivier Messiaen Hymne au Saint-Sacrement für Orchester Wolfgang Amadeus Mozart Missa brevis - Credomesse, C-Dur, KV 257 Franz Joseph Haydn Symphonie Nr. 101 D-Dur "Die Uhr" Francis Poulenc Gloria für Sopran, Chor und Orchester
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