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Komponierte Reflexionen Von Sebastian Hanusa
Dass die wirklich Großen der Kunst zu Lebzeiten verkannt bleiben, ist ein romantischer Topos und er bewahrheitet sich erstaunlicherweise immer wieder. Einer dieser zu Unrecht Verkannten ist Rainer Riehn, der in erster Linie als Musiktheoretiker bekannt ist. Zusammen mit Heinz-Klaus Metzger gründete er 1977 die Reihe "Musik-Konzepte", die, bevor sie im vergangenen Jahr in ihrer bestehenden Form vom Verlag eingestellt wurde, eine der zentralen Publikationen im deutschsprachigen Raum darstellte. Rainer Riehns Kompositionen hingegen sind kaum bekannt. Dass es dennoch möglich wurde, ein zentrales Werk Riehns in einer exzellenten Interpretation zu erleben, ist den agilen Veranstaltern der "Konstanzer Solistenkonzerte" zu verdanken. Anlässlich des Geburtstages von Heinz-Klaus Metzer und in seinem Geiste programmiert, wurde in seiner Heimatstadt Konstanz nunmehr zum zweiten Mal ein Kammerkonzert veranstaltet. Das Leipziger Streichquartett spielte im Kapitelsaal des Münsters Rainer Riehns "3. Streichquartett", die "30 pieces for string quartett" von John Cage, "Adagio und Fuge" c-Moll KV 546 von Wolfgang Amadeus Mozart und Dieter Schnebels bemerkenswerte "Stücke" für Streichquartett eine frühe, in ihrer Konsequenz und Originalität frappierende Studie aus den Jahren 1953 bis 55. Introvertiert, vielschichtig und formal frappierend war die Aufführung von Riehns Komposition aus dem Jahre 1992; das unbestrittene Hauptwerk des Abends. Das Stück, dessen bisherige Aufführungen sich an einer Hand ablesen lassen, mutet wie ein Reflex auf Nonos dreizehn Jahre älteres Streichquartxett "Fragment, Stille An Diotima" an. Auch hier dominiert eine extreme Innerlichkeit, auch hier besteht das Stück im wesentlichen aus Klängen, die sich kaum über ein mehrfaches Piano erheben und die immer wieder durch lange Pausen unterbrochen sind. Doch von Nono unterscheidet sich Riehns Werk durch die akzentuiertere Reflexion über das musikalische Material und eine letztlich wesentlich avanciertere Behandlung der Streichinstrumente. Über sicher vier Fünftel des gut 40minütigen Stücks spielen die Musiker ihre Instrumente in Scordatur. Entlegene, fragile Natur-Flageoletts der umgestimmten Saiten bilden das Ausgangsmaterial der Komposition. Mit immenser Geduld und einer gewaltigen Konzentration differenziert Riehn im Mikro-Bereich des Klanges, ständig an der Grenze des Verstummens. Urplötzlich jedoch, und nachdem die Spannung in ein Unerträgliches gesteigert ist, kippt das Stück. Die Musiker sprechen für den Zuhörer kaum zu enträtseln Überlegungen über die Schönheit, die Kunst, den Tod. Schließlich bricht mit einem im Kontext mehr als brutal wirkenden Zitat aus Mozarts "Ein Mädchen oder Weiblein" eine brachiale Klangfülle in die Komposition, gefolgt von wilden Ausbrüchen. Auch das "Dennoch" an den Grenzen des überhaupt noch Komponierbaren, wird letztlich ad absurdum geführt, die mühsam geschaffene Form bricht. Die zuvor an den Grenzen der Hörbarkeit behauptete Fast-Unmöglichkeit des Komponierens wird mit kompositorischen Mitteln kommentiert und überwunden. Möglich wurde das Konzert durch die außerordentliche Leistung des Leipziger Streichquartetts. Neben der konzentrierten Interpretation ist es ihnen zu verdanken, dass eines der bemerkenswertesten Streichquartette der 90er Jahre den titanischen Schwierigkeiten zum Trotz überhaupt zur Aufführung kam. Eine feinsinnige Programmation bindet Riehns Komposition in die Gesamtheit des Abends ein. Auf der einen Seite durch die beiden zeitnahen Stücke von Schnebel und Cage, dessen 30 pieces 1983 entstanden sind, auf der anderen Seite durch ein Stück aus der ersten Wiener Schule. Mit ihrer ausgereiften Interpretation von Mozarts "Adagio und Fuge" präsentierte das Leipziger Streichquartett ein Stück, das für den kritischen und zugleich schöpferischen Umgang mit der Tradition steht. FAZIT Es bleibt zu hoffen, dass in Zukunft den Kompositionen Rainer Riehns mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird.
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ProgrammJohn Cage 30 pieces for string quartett Wolfgang Amadeus Mozart Adagio und Fuge c-Moll KV 546 Dieter Schnebel "Stücke" für Streichquartett Rainer Riehn "Think not of the songs of spring, thou hast thy music too..." oder Ode supra "musica ipsa nihil aliud sit nisi efficere ut res pulchra sibi proportione respondeat" But excuse me: it's just only a twenny minutes medley - perhaps some more. 3. Streichquartett (...es könnte sein, daß die Musik selbst nichts anderes ist als der Versuch, zu bewirken, daß sich die Dinge in schönen Verhältnissen aufeinander beziehen. Leipziger Streichquartett
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