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Beethovenhalle Bonn
15. Oktober 2003

Internationales Beethovenfest Bonn 2003


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Abschlusskonzert

Beethoven-Orchester geht baden mit Beethoven

Von Ralf Jochen Ehresmann


Beethovens Neunte, welch ein Begriff an sich, und so ist dies nicht das erste Beethovenfest, das hiermit beendet wird. Vielmehr ist es inzwischen gute Tradition, nicht jedes- aber doch grob jedes zweite oder dritte Mal mit ebendiesem Opus und heimischen Bonner Kräften den Schlussstein eines Beethovenfestes zu setzen, den so ein Festival verdient. Eigentlich, denn diesmal ist es gründlich schief gegangen. Mochte man anfangs noch gerne glauben, es läge vielleicht nur an der allzu seitlichen Lage des Sitzplatzes, so wuchs allmählich die Gewissheit, dass wohl doch tieferliegende Schwierigkeiten verantwortlich sein müssten...

Der Intendanz ist zunächst uneingeschränkt für die längst nicht mehr neue und doch immer noch ungeheuerliche Werkzusammenstellung zu gratulieren. Die unmittelbare Konfrontation der edelsten Tradition des Humanism, der alle Menschen zu Brüdern (und sicher auch Schwestern) machen wollte mit dem mörderischen Nebenergebnis, das alle Brüder und Schwestern gemeinsam zu Gasleichen gemacht hat, bleibt wohl für alle Zeit eine Ungeheuerlichkeit - und immer noch nur eine bescheidene Andeutung des unfassbaren Horrors, von dem sie berichtet. Genau deswegen ist sie ebenso für alle Zeit ein niemals zu erledigender Auftrag, weil das Grauen nur jemals dann zu bannen sein wird, wenn seine Aneignung nicht spart am Ekel und parallel dazu an Sympathie des Opfers jenseits aller Beileidsrhetorik. Betroffenheit ist heute nur noch authentisch als Gefahr: "Das Opfer ist anders, es ist wie du!"

Schönbergs survivor from Warszaw op.46 entstand 1948 so frisch nach dem mörderischen Geschehen, dass echte Opfersympathie im Land der TäterInnen noch kein Thema sein konnte, so dass primär der Abscheu vor dem Täter und dessen Verwandtschaft zu einem selbst als Motiv zur Einsicht taugen konnte. Dass der Feldwebel, den Schönbergs Gedicht zitiert, so stark berlinert, ist keine Frage des Colorits sondern der Substanz! Auch wenn Maximilian Schell als Rezitator die Ergriffenheit individuell abzuspüren war, so ist seiner einheitsdeutschen Hochsprache in diesem Teilaspekt zu widersprechen: Ohne die kalte Schärfe des Reichshauptstadtjargons fehlt Entscheidendes.
Überhaupt lag ihm die Besinnung des Davongekommenen deutlich näher, deren Ausdruck zudem seiner gealterten Erscheinung korrespondierte. Dass er reellerweise hätte ohne Mikrophon auskommen sollen, war wohl von je zwecklos anzunehmen, und so verstärkt konnte das Orchester seinerseits ohne dynamische Rücksichtnahme die in Schönbergs Partitur angelegten Schärfen voll ausfahren. Sich der Nachwirkung dieses Eindrucks hinzugeben, wurde keine Zeit gelassen. Der Übergang zu Beethoven war nahtlos abrupt; noch jeder spätere Wechsel zwischen den Sinfoniesätzen währte deutlich länger. Maximilian Schell hielt noch einige Minuten stehend inne, bevor er - wie auch der Männerchor, dessen Hebräisch durchaus noch einige zusätzliche Proben vertragen hätte - Platz nehmen und dort bis zum allgemeinen Applaus verbleiben konnte.

Ansonsten zeigte sich das Beethoven-Orchester mit Beethoven völlig überfordert und in so desolater Verfassung, wie man es ewig nicht mehr erlebt und daher kaum für möglich gehalten hat.
Fürgewöhnlich ist es so, dass ein Orchester seine SängerInnen stützt; hier hat der Bonner "Doppelchor" aus Philharmonie und Oper das Orchester gerettet und so das mittig missratene Konzert mit einem gelungenem Rahmen ausgestattet und zu einem versöhnlichen Ende gebracht. Zwischenzeitlich mochte man kaum seinen Ohren trauen: tempi wurden nicht übernommen, Einsätze wiederholt verfehlt, und der leidenschaftslose uninspirierte Klang fügte sich keiner Synthese und keinem Modell. Weder war ein homophoner Brei mit immerhin klarer Melodieführung zu vernehmen, noch erzeugte analytische Spielweise irgendeine Form von Durchhörbarkeit. Das Verhältnis von Haupt- und Nebenstimmen war gänzlich unausgewogen, und allenthalben platzte hier und dort eine Einzelstimme hervor, die nichts von ihrer Umgebung zu wissen schien. Linie geschweige denn Bögen waren kaum mehr ahnbar. Die Pauken bollerten stechend heraus, und nicht einmal die Streicher fügten sich zu Gruppen, die mit sich selber eins wären - mit Ausnahme der Bratschen. Was man anfangs für Ausrutscher zu halten geneigt war, verdichtete sich zur festen Überzeugung, Zeuge einer konzeptlosen Nichtinterpretation durch schlecht vorbereitete Instrumentalmonaden geworden zu sein.
Wie viel Schuld an diesem Desaster auf die Konten des Orchesters bzw. des Dirigenten Roman Kofman ging, der sich hiermit obendrein seinem eben gewonnenen Bonner Abonnentenpublikum als neuer GMD zu empfehlen hatte, ist schwerlich genau auszumachen. Sein Dirigat lebte von distinkten, betonten Winken, deren stets rechte Deutung freilich einen Grad von Intimität voraussetzt, wie das vielleicht erst nach jahrelanger Bindung möglich werden kann. Darüber hinaus muss ihm die Schieflage entweder unerklärlicherweise entgangen sein oder als unregulierbar präsentiert haben. Denn dass er es nicht besser könnte, scheidet nun definitiv aus, wenn man das umwerfende Ergebnis der Gurre-Lieder-Aufführung inrechnung stellt, die eben erst 5 Tage vorher so triumphal stattgefunden hatte.

Den SolistInnen - darunter explizit hervorzuheben Franziska für ihren glockenhellen klaren Wohlklang - ist jedenfalls nichts anzulasten, vielmehr trugen sie durch ihren Einsatz mit zur engelhaften Rettung dieser Veranstaltung bei, und Reinhard Hagen als Bass sprach sicherlich manchem Zuhörer ausdemherzen, als er eingangs seines Partes anstimmte: "O Freunde, nicht diese Töne! Sondern lasst uns angenehmere anstimmen / und freudenvollere!"


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Programm

Arnold Schönberg
Ein Überlebender aus Warschau, op.46

Ludwig van Beethoven
Symphonie Nr. 9 d-Moll op. 125

Franziska Hirzel, Sopran
Susanne Schaeffer, Alt
Michael König, Tenor
Reinhard Hagen, Bariton
Maximilian Schell (Sprecher)

Philharmonischer Chor der Stadt Bonn
Beethoven Orchester Bonn

Leitung: Roman Kofman







Da capo al Fine

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