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Congresshalle Saarbrücken
14./15. Juli 2003

8. Sinfonie-Konzert


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Spiel mir das Lied von der russischen ...

Von Angela Mense

"Seele" – ein schlichter aber dafür nicht weniger pathetisch klingender Titel für ein Konzert. Immerhin: Den adjektivischen Zusatz haben sich die Namensgeber des 8. und letzten Sinfoniekonzerts dieser Spielzeit in der Saarbrücker Kongreßhalle verkniffen. Kann man sich ja auch so denken: Tschaikowskys Violinkonzert und Schostakowitschs 10. Sinfonie standen auf dem Programm. GMD Leonid Grin war am Pult des Saarländischen Staatsorchesters, der große Vadim Repin an der Stradivarius "Ruby" von 1708. Nach dem Gastspiel des berühmten Bolschoi-Balletts und des skandalhungrigen Girly-Duos Tatu war dieses Konzert sicherlich einer der Höhepunkte der "Musikfestspiele Saar" mit seinem diesjährigen Rußland-Schwerpunkt.

Seit Anfang des Jahres waren beide Konzert-Termine ausverkauft. Der Saarländische Rundfunk übertrug den ersten Abend live in 12 Länder. Später gesendet wird das Konzert in sieben Länder, darunter Kanada und Radio Vatikan. Am ersten Abend verzichtete man auf das "Kleine Triptychon" des Schostakowitsch-Schülers Georgi Swiridow. Er stand im Schatten seines Meisters und der knappen Sendezeit.

Den 4,5 bis 6 Millionen Hörern wurde das über den Äther geschickt, was Westeuropäer unter "russischer Seele" verstehen sollen. Tschaikowsky schwelgt vor allem im ersten Satz seines am Genfer See geschriebenen Violinkonzerts in Sehnsucht und Melancholie. Leonid Grin scheute sich nicht, den Inbegriff russischer Romantik durch seine Interpretation bis an den Rand des Klischees auszureizen – eine Mutprobe fürs Staatsorchester. Denn der Drahtseilakt zwischen schmachtenden rubati und temperamentvollen accelerandi brachte das Zusammenspiel nicht selten ins Schwindeln; der ein oder andere Übergang geriet schon mal aus dem Gleichgewicht.

Durch Vadim Repins Spiel sah man wohlwollend darüber hinweg. Unter seinem Bogen, der den Seiten satte und geschmeidige Töne entlockte, ließ man sich gerne auf Tschaikowskys Pathos ein. Im übrigen erscheint es müßig aufzuzählen, was dieser Ausnahmegeiger ohne große Allüren aus seinem Luxus-Instrument herausholt. Er interpretierte Tschaikowskys - nicht unbedingt interessanteste - Musik eben so, wie sie gedacht war: als vituoses Bravour-Stück. Die demonstrativ schweren Passagen nahm Repin mit einer gänzlich un-demonstrativen Leichtigkeit.

In der obligatorischen Zugabe inszenierte er seine Kunst denn auch als Farce. Während er das Orchester spontan Dreiklang-Harmonien à la Mandolinen-Verein spielen ließ, versanken seine Variationen von "Mein Hut, der hat drei Ecken" (die Redaktion behält sich die freie Übersetzung aus dem Russischen vor) in virtuos übertriebenen Ausschmückungen. Ein ironischer Augenzwinker, mit dem er ganz nebenbei seine Fingerakrobatik bewies.

Nicht nur um "menschliche Gefühle und Leidenschaften" ging es im zweiten Teil des Abends, auch wenn Schostakowitsch seine zehnte Sinfonie 1954 vor dem sowjetischen Komponistenverband so beschrieb. Vielmehr heißt es, sein Werk sei ein politisches Manifest gegen die tyrannischen Verhältnisse der Stalin-Ära. Keiner wäre für die Interpretation dieser versteckten Programm-Musik geeigneter gewesen als Leonid Grin, der 1981 seine Heimat verließ, weil er nicht "derjenige sein durfte, der ich bin". Sein Dirigat hätte persönlicher nicht sein können, auch oder gerade weil es ganz im Dienst von Schostakowitschs musikalischem Aufschrei gegen die Diktatur und der apotheotischen Selbstbehauptung des Komponisten stand. Unter Grins temperamentvollem Taktstock belebte sich eine Musik, die mit Geschick gegensätzliche Register eines Sinfonieorchesters auszuspielen weiß. Auch jenseits der Geschichte, die sie erzählt. Zurück blieb ein wahrhaftig beseeltes Publikum.


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Programm


Georgy Sviridov
Little Tryptich*

Pjotr I. Tschaikowski
Violinkonzert in D-Dur op. 35

Dimitri D. Schostakowitsch
Sinfonie Nr. 10 e-Moll op. 93

*nur am 15. Juli



Saarländisches Staatsorchester
Saarbrücken

Leonid Grin, Dirigent

Vadim Repin, Violine







Da capo al Fine

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