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Von Luft, Düften und Glockenklang
Von Angela Mense
Jahrelang hat man nichts von ihm gehört. Aber die Zeiten sind vorbei, in denen einem Durchschnitts-Musik-Konsumenten zum belgischen Chanson nur Jacques Brel einfiel. In den französischen Charts wimmelt es zur Zeit von belgischen New-Comern. Der Saarländische Rundfunk nahm den Trend auf und lud Karin Clercq und Damien Hurdebise am 7. Juli ins "Bistrot Musique" ein. Die Konzert-Reihe garantiert gutes Geschäft für alle Beteiligten: Die Musiker bekommen kein Honorar, dafür aber eine CD aus dem Live-Mitschnitt im Studio. Der saarländische Zuhörer kommt durch den selten erlebten Auftritt zweier Chansonniers auf seine Kosten und nicht zuletzt in den Genuss eines abschließenden Duetts, das die Musiker in den seltensten Fällen vorher einstudiert haben. Am künstlerischen Talent Karin Clercqs und Damien Hurdebises ist nichts zu rütteln. Erstere nimmt ohne große Worte das Mikro in die Hand und singt. Und das mit einer Stimme, die fürs Chanson geschaffen ist: Mal kräftig und rau, mal hauchig säuselnd zieht sie alle Register eines gewaltigen Stimmumfangs. Und was bei einem zarten Persönchen im kleinen Schwarzen immer wieder fasziniert eine Bruststimme, die es locker mit der von Patricia Kaas aufnehmen kann. Die Umstände waren vielleicht nicht ganz so günstig: Karin, die normalerweise eine Rockband im Schlepptau hat, war gebeten worden, auf der Bistrot-Bühne eine Akkustik-Version ihrer CD "Femme X" vorzutragen. Das begleitende Gitarrengeschrammel konnte nicht verhindern, dass die Arrangements (Guillaume Jouan) vor allem bei den auf Dynamik angelegten Texten nackt und langweilig wirkten. So hätte ein Lied wie "Cavale", eine Variation auf die Flucht von "Thelma und Louise", energiegeladenes E-Gitarrengeheule und fetzigen Groove nötig gehabt. Auch ist die Interpretin weniger die "grande dame de la chanson", die durch expressiven Vortrag dem Text Leben einhaucht. Sie ist vielmehr eine große Rock-Lady man hat sie schon mit Portishead verglichen die wie in Trance den Melodien folgt, sich schon mal in ihnen verliert und zu tanzen beginnt. ![]() Was nicht heißt, dass Karin Clercqs Liedtexte kein dramatisches und poetisches Potential hätten. Sie scheut sich nicht, weibliche Gefühle ausführlich zu vertexten vom Verlangen (Désir) über das Leben als Paar (Ne pas) und die Untreue (Fêlure) bis hin zur Trennung (Le souvenir). "La chanson d'Anna" erzählt die höchst aktuelle Geschichte einer jungen Polin, die auf die Versprechungen eines Menschenhändlers hereinfällt. Eine zutiefst romantische Naturerfahrung besingt sie in "Grise", das in knappen Worten den befreienden Anblick des Meeres beschreibt. Man darf auf die Sänger- und Autoren-Karriere Karin Clercqs gespannt sein. Weniger melancholisch und düster kommen die Chansons von Damien Hurdebise daher. Nicht nur, dass er seine komplexen Arrangements in Original-Besetzung vorführte. Neben Schlagzeug, E-Bass und Violine wechseln sich Klavier, E-Piano, Akkordeon, Saxophon und Klarinette ab. Mit kabarettistischer Subtilität vermittelt Hurdebise jene geistreiche Leichtigkeit, die das Chanson so faszinierend macht. Ironie und Sarkasmus machen den melodramatischen Selbstmord eines dicken Teenies in "La grosse fille" zu einem grotesken Kammerstück. Anstatt das Macho-Verhalten des Mannes in der Paar-Beziehung zu rechtfertigen, belegt er das sprichwörtliche "Männer-und-Frauen-passen-einfach-nicht-zusammen" durch kleine Anekdoten und musikalischen Witz: Der Refrain von "Brutal" moduliert brutal von Dur zu Moll. Auf saarländischer Bühne deckt Damien Hurdebise die geheuchelte Fröhlichkeit der belgischen Prinzessin Mathilde auf das Lied "Courage Mathilde" wurde in Belgien zensiert. Nicht zuletzt sind Damien Hurdebise und sein "Orchester" große Musiker, die mit exaktem Zusammenspiel und einem Gefühl für spannungsgeladene Pausen vor dem nächsten Einsatz zu glänzen wissen. Beim abschließenden Duett ging Karin Clercq als Siegerin hervor. Kein Wunder: Sie hatte sich das Chanson "Les sucettes" (Lollies) von Serge Gainsbourg gewünscht. Karin wusste einfach besser zu vermitteln, was der damalige Teeny-Star France Gall dachte, als sie das Lied naiv ins Mikro flötete: "Ist doch nur eine nettes Lied über Lolly-Lutschen." Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Bistrot Musique: Junger Chanson aus Belgien
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