Veranstaltungen & Kritiken Konzerte |
|
|
Was für ein Drama!
Von Wolfgang Albert
Unter dem eher bescheidenen Titel "Mittwochs um halb neun" veranstaltet der Bayerische
Rundfunk eine Konzertreihe, bei der - passend zu den musikalischen Werken und im Kartenpreis
inbegriffen - zuvor eine "lukullische Untermalung" geboten wird; dementsprechend konnte vor dem
heutigen Konzert das Publikum Bekanntschaft machen mit ungarischen, französisch-bayerischen (!)
und natürlich norwegischen Häppchen, denn in diesen Regionen spielen die Bühnenstücke, deren
Schauspielmusiken auf dem Programm standen.
In der geschäftigen Ouverture der Musik zum Bürger als Edelmann erklingt unvermittelt ein
wunderbar lyrisches Thema, das so gar nicht zur Hauptperson des Stücks, dem aufgeblasenen
Bürger Jourdain, passen mag. Man kennt es aus einem anderen Werk von Richard Strauss -
Ariadne auf Naxos -, wo es den jungen Gott Bacchus charakterisiert. Nicht nur dieses
musikalische Zitat erinnert daran, welch enge Berührungspunkte da bestehen: die Oper hatten
Strauss und Hofmannsthal einst als "Anhängsel" zu der (mit Strauss'scher Bühnenmusik
versehenen) Komödie Molières geplant. Daraus wurde nichts; Ariadne eroberte die Bühnen der
Welt, während die mit brillanten Einfällen (ebenfalls) reich versehene Musik zum Bürger als
Edelmann nur selten zu hören ist.
Das um originelle Programmideen nie verlegene Münchner Rundfunkorchester brachte nun im
Prinzregententheater eine amüsante (Kurz-)Version des Strauss'schen Oeuvres, bei dem Maria
Becker (die große Tragödin!) mit komödiantischer Verve die vom Orchester opulent servierten
musikalischen Szenenbilder verband und so ein sehr eindrückliches Bild des Parvenus Jourdain
zeichnete.
Die beiden anderen Werke des Abends galten ebenfalls zwei "Helden", die mehr in ihren Träumen als in der Realität leben: Háry János, dem Schwadroneur aus dem Ungarland, und dem
selbstsüchtigen Norweger Peer Gynt. Ein guter Gedanke (Idee: Armin Brunner, Texte: Hans
Christian Schmidt-Banse), die Sätze der Werke durch einen Text zu verbinden, der hinter den
musikalisch eindrucksvollen Stimmungsbildern auch den Verlauf der jeweils zugrundeliegenden
Handlung deutlich machte. Maria Becker sprach ihn mit einer Präsenz und Vitalität, die der nicht
gerade introvertierten, äußerst bildhaften Musiksprache Zoltán Kodálys mühelos standhielt. Tief
bewegend dann ihre "Rolle" als Solvejg, die ein Leben lang auf Peer Gynt gewartet hat und den
Heimgekehrten und alt Gewordenen zur Ruhe bringt. Gleichzeitig aber gelang es ihr aufzuzeigen,
dass hinter der oft so idyllisch scheinenden, fast schon zum Allgemeingut gewordenen Musik
Edvard Griegs die gar nicht friedliche Lebensgeschichte eines exzentrischen und egoistischen
Charakters steht - so, wie sie eben Henrik Ibsen auf die Bühne bringen wollte.
Dem Rundfunkorchester, von seinem (Gast-)Dirigenten Christoph Poppen mit dynamischer
Prägnanz geleitet, war anzuhören, wie sehr es sich in den unterschiedlichen Stilepochen der
gebotenen Werke zuhause fühlt. Besonders schön (und manchmal verzaubernd, als würde wirklich
ein Märchen erzählt) gelangen die stimmungsvollen Schilderungen, etwa "Lied" und "Intermezzo"
bei Kodály oder "Morgenstimmung" und "Solvejgs Lied" bei Grieg.
Ein nicht nur gelungenes, sondern streckenweise auch ganz außergewöhnliches Konzert. |
ProgrammZoltán KodályHáry János Richard Strauss Der Bürger als Edelmann Edvard Grieg Peer Gynt Aus den Suiten Nr. 1, op. 46 und Nr. 2, op. 55 Maria Becker, Sprecherin Münchner Rundfunkorchester Leitung: Christoph Poppen
|