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21. Juni 2003
Fruchthalle Kaiserslautern



Von Luft, Düften und Glockenklang


Llorenç Barber
Stimme/Glocken


Soloperformance in der Fruchthalle

Barber spielt anläßlich des Erscheinens seiner CD "Düfte der Lüfte" in Kaiserslautern

Von Sebastian Hanusa

Das Schlagwort vom "Innenleben des Klanges" ist seit Scelsi und Nonos späten Arbeiten eine Art Gemeinplatz der Neuen Musik und die Idee von der formbildenden Kraft der akustischen Mikrostruktur ist – wenngleich immer noch faszinierend – ebenfalls nicht mehr die jüngste. Klangliche Innenräume der besonderen Art macht jedoch Llorenç Barber erfahr oder, besser gesagt, ergehbar: Mit seinen "Stadtglockensinfonien" verwandelt er ganze Innenstädte in begehbare "Klangräume", wenn für circa eine Stunde die Turmglocken der Stadt bespielt werden und ein akustisches Netz über Straßen und Häuser gelegt wird. In über 100 Städten realisierte der gebürtige Katalane bereits die außergewöhnliche Performance, so auch zum 725jährigen Stadtjubiläum 2001 in Kaiserslautern. Zwei Jahre später ist nun eine CD mit der Dokumentation jener "Düfte der Lüfte" erschienen; Anlaß für eine weitere, wenn auch weit intimere Performance Barbers in Kaiserslautern.

Diese fand in der eigens hergerichteten Fruchthalle statt. Deren Bestuhlung war kreisförmig um ein Holzgestell in der Mitte des Saales angeordnet, an welchem Barbers Instrumentarium aus teller- bis salatschaalengroßen Glocken hing. Zunächst durchmißt der Komponist jedoch den Raum: Er trägt eine Glocke an einem langen Seil, schlägt diese an, läßt sie schwingen oder schleudert sie um seinen Kopf. Mit den Bewegungen der Glocke verändert sich deren Resonanz und somit die Farbe des Glockenklangs. Barber durchwandert den Saal, schreitet die Wände ab und begibt sich auf die umlaufende Galerie. Die klanglichen Eigenschaften des Aufführungsorts werden "ertastet", die spezifischen Resonanzen des Raumes – die für den Künstler ein wesentlicher Parameter sind – werden erkundet und in Schwingung versetzt; allmählich füllt sich die weite Halle mit musikalischen Elementarteilchen.

Im Anschluß begibt sich Barber an sein Glockenspiel und spielt mit verschiedenen Schlägeln eine Musik aus sich langsam verändernden Patterns. Letztere sind indes nur Impulsgeber für das eigentliche musikalische Geschehen: die ungemein obertonreichen Nachklänge der verschiedenen Glocken und deren vielgestalte Schichtungen. Es entsteht eines komplexen, innerlich bewegtes und sich ständig verändernden Kontinuums. Fesselnd ist die formale Konsistenz jener Musik, die man nicht als Komposition im strengen Sinne bezeichnen kann.

Hängt die Zeitstruktur der nicht exakt notierten Musik doch ganz wesentlich von der spezifischen Akustik des Raumes und der jeweils einzigartigen Situation der Aufführung ab. Jede Performance ist somit eine neue Fassung der verschiedenen, ineinander übergehenden Sektionen. Denn seine Musik, so der Künstler, bedürfe jener spezifischen Resonanzen des Aufführungsortes und sei nicht vollständig fixierbar. Es gebe lediglich bestimmte Modelle - und natürlich spielt auch die mehr als 30jährige Erfahrung Barbers im Umgang mit seinem Instrumentarium eine gewichtige Rolle. Der Rest ist improvisiert.

Der Dialog zwischen Raum und Instrumentalklang wird ergänzt durch das Zusammenspiel von Glocke von Körper. In einer besonderen Art des Obertongesangs benutzt Barber seine Mundhöhle als Filter, um einzelne Frequenzen der Glocken zu verstärken. Ein anderes Mal erfüllen die Glocken die selbe Funktion für die Schwingungen von Barbers Stimmbändern. Eine labile Balance zwischen Körper, Raum und Klangerzeuger entsteht, die behutsam modelliert wird. Eine zusätzliche Ebene schafft der Lichtkünstler Ingo Bracke. Die farbige Ausleuchtung der Fruchthalle folgt den Veränderungen des Klanges, zeichnet akustische Verläufe visuell nach.



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