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Konzerthaus Dortmund
29. Januar 2003

in der Reihe Film + Musik_live

Paragon Ragtime Orchestra:

The Clown Princes


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Passende Töne zum organisierten Chaos

Von Stefan Schmöe


Foto Paragon Ragtime Orchestra

Den unterkühlten Charme eines modernen Großkinos hat das neue Dortmunder Konzerthaus ohnehin: Viel Neonlicht, eine Bar mit laufenden Fernsehern im gläsernen Eingangsbereich, einen schuhkastenförmigen Zuschauerraum, der wie auf eine imaginäre Leinwand ausgerichtet zu sein scheint. Da liegt es in der Luft, auch einmal ganz reales Kino zu veranstalten. Mit dem Gastspiel des amerikanischen Paragon Ragtime Orchestra ist die Verbindung zwischen musikalischer und cineastischer Kunst bestens gelungen: Ein exzellentes, auf die Live-Begleitung von Stummfilmen spezialisiertes Kammerensemble erweckt fast vergessene Slapstick-Streifen aus den Anfängen des Kinos zu neuem Leben. Schade nur (und eigentlich unverständlich), dass das Zuschauer und Zuhörerinteresse gering und etliche Plätze leer blieben.

The Clown Princes, so der Titel des Programms, ist eine Hommage an die Stars der Slapstick-Ära. In Buster Keatons Cops von 1922 bringt der stoische Held eine Parade der Polizei durcheinander und wird darauf von Hundertschaften von Polizisten gejagt: Ein Sieg des sympathischen Chaos über eine abstruse Ordnung. Charlie Chaplins The Pawnshop (1916) und The Adventurer (1917) leben insbesondere von der aberwitzigen Virtuosität Chaplins. Man mag Klamotten-Filmchen dieser Art, in der die Protagonisten etliche Niederschläge einstecken müssen, in schlechter Erinnerung haben - der Wirkung dieser Aufführung mit Live-Begleitung, die sowohl die Filme als auch die zugehörige Musik ernst nimmt und beiden zu ihrem Recht verhilft, kann man sich schwerlich entziehen. Die Musik macht die Dramaturgie der Filme deutlich, fasst Sequenzen zusammen und hebt somit den Rhythmus der Bildfolgen hervor. Im Adventurer etwa wird die Jagd auf einen entflohenen Sträfling (Charlie Chaplin) mit schier endlosen Tonleiterkaskaden im Stil klassisch-romantischer Gewittermusiken unterlegt, zu denen die sich scheinbar im Kreise drehenden Fluchtversuche wie eine surreale Choreographie erscheinen. Das ist weit mehr als „nur“ Begleitmusik.

Rick Benjamin, Leiter des Orchesters und Sammler von Filmmusiken, hatte 1985 in einem verlassenen Lagerhaus die originalen Partituren aufgetrieben (und darauf das Paragon Ragtime Orchestra als Spezialensemble für die Aufführung dieser Musik gegründet). Leider gibt das Programmheft nicht viele Informationen über diese Arrangements zwischen Salonmusik und Verdis Troubador. Mit Streichquintett, Klarinette, Flöte, 2 Trompeten Posaune und Schlagzeug sowie etlichen (vom Schlagzeuger zu spielenden) Tröten für spezial effects hat das amerikanische Ensemble einen transparenten, weichen und sehr homogenen Klang und stellt sich damit ganz in den Dienst der Bilder. Es geht den Musikern nicht um eine Selbstinszenierung (obwohl die Musik vor allem durch die etlichen Geräuscheffekte viel Gelegenheiten dazu gibt), sondern um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem ziemlich vernachlässigten Genre, und dadurch wird der seltsame Zwittercharakter der Filme zwischen Unterhaltung und künstlerischem Anspruch erlebbar. Benjamin, der amüsant über kleinere Pannen bei der Filmvorführung hinweg plauderte, erinnerte an die hohe Zahl von ca. 10.000 Kapellen dieser Art in Amerika in den Glanzzeiten des Stummfilms – aber an das künstlerische Niveau des seit 1985 bestehenden Paragon Ragtime Orchestra dürften nur die wenigsten herangekommen sein.


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Programm

George Linus Cobb (1885 - 1942):
Alabama Jubilee (1915)

Cops
Stummfilm mit Buster Keaton (1922)
originale Filmmusik zusammengestellt
von James C. Bradford (geboren um 1885)

Will H. Tyers:
Panama. Caracteristic Intermezzo (1911)


The Pawnshop
Stummfilm mit Charlie Chaplin (1916)
originale Filmmusik zusammengestellt
von Bailey F. Alert (gestorben 1939)

George Linus Cobb (1885 - 1942):
Levee Land One step (1918)

Scott Joplin (1868 - 1917):
Searchlight Rag (1907)

Spencer Williams (1889 - 1965):
Royal Garden Blues (1919)

The Adventurer
Stummfilm mit Charlie Chaplin (1917)
originale Filmmusik zusammengestellt
von Otto Langey (1851 - 1922)

E. Mutchler:
The Camera-Man March (1916)

Paragon Ragtime Orchestra
Ltg.: Rick Benjamin







Da capo al Fine

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