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Wechselbad der Gefühle
Von Monika Jäger
Mit Jeanne d'Arc au bûcher lud das Konzerthaus Dortmund zu einer ersten szenischen Inszenierung ein. Damit wurden auch die räumlichen Grenzen des neuen Hauses ausgelotet: Auf fünf verschiedenen Ebenen und engstem Raum wurden Handlungsstränge teils angedeutet, teils theatralisch ausgespielt - eine nicht immer bewältigte Herausforderung für die Integration dieser dramaturgischen Fäden.
Arthur Honeggers und Paul Claudels Interpretation des viel adaptierten Stoffes der Jeanne d'Arc zielt auf eine denkwürdige Überlagerung von Mysterienspiel und Historiendrama. In Allegorien, kontextgebundenen Zitaten oder der Tierfabel wird musikalisch und textlich vor allem in Symbolen gesprochen, mystische, kirchliche wie weltliche Anteile des Geschehens laufen zusammen. Diese komplexe Dichte findet sich auch kompositorisch in der schwierigen Balance zwischen tragischem Ernst und heiteren Gegensätzen, vermittelt in Brüchen zwischen progressiv-unkonventioneller Klanglichkeit, Zitatverarbeitung, sakraler Gestik, volkstümlicher Fasslichkeit.
Aus der Perspektive der Rückblende wird eine betont vieldeutige Rekonstruktion der Ereignisse, Gedanken und Konventionen vorgenommen, in bewusster Verzerrung zwischen Wirklichkeit und Imagination. Johanna wird zum Spielball und Opfer der kirchlichen und weltlichen Mächte, die Königreiche stehen dabei als Synonym für Torheit, Habsucht, Wollust und Tod. Die Richtenden erhalten animalische Züge und werden Teil eines grotesken Rollenspiels - nicht nur mit dem Tiergericht, in dem sich das Schwein als Ankläger hervortut, erhält das Procedere seine tragikomische Note. In dieser Gratwanderung zwischen historischer Rekonstruktion und deren gleichzeitiger Ausdeutung erscheinen die textlichen und kompositorischen Brüche mitunter rätselhaft - die Inszenierung tut sich schwer damit, zwischen interpretatorischen Spielräumen und Festgelegtheit der Handlung die eigene Basis zu finden. Nach einem nüchtern konzentrierten Beginn verliert sich die Darstellung allmählich in den Schaukästen einzelner Spieltheaterszenen. So gerät Johannas Rückversenken in die Maienwelt Lothringens und ihre kindliche Unverantwortung streckenweise allzu klischeehaft-naiv. Der homogen agierende Kinderchor mit seinen souveränen Solisten verkörpert Unschuld und heimatliche Verbundenheit bereits stimmlich und gestisch überzeugend - die Ausmalung der ländlichen Idylle mit frühlingshafter Kostümierung wirkt da recht überspannt. Dazu ist die deutsche Übersetzung wenig dazu angetan, einen erinnernden Bewusstseinszustand zu adeln, sondern fällt eher ins Sentimentale.
Auch bei der Rolle des Chores ist die Regie unentschieden. Das kontrastive Wechseln von Stimmung und Parteinahme hätte ein szenisch neutrales Agieren überzeugender verkörpert als die häufige Ausstattung mit Gesten und Choreographien, ohne doch wirkliches Schauspiel zu bieten.
Die Darstellung kann sich nicht entscheiden zwischen historischer Ausstaffierung und Abstraktion, und der Versuch, beides in gezielter Bildhaftigkeit zu vereinbaren wird nicht konsequent durchgehalten. Die Rolle der Johanna selber ist dabei jedoch in wohltuender Weise auf Aussage und Empfinden konzentriert, und Julia Stemberger verkörpert gerade die Orientierungslosigkeit Johannas mit tiefer Eindringlichkeit.
Auch in den weiteren Rollen wartet die Inszenierung mit einer prominenten Besetzung von René Kollo bis Annemarie Wendl auf, vom sehr zahlreichen Publikum begeistert honoriert. Doch das Fundament für die Koordination gegensätzlichster Charaktere und Ausdrucksebenen legte das Symphonieorchester Münster mit der musikalisch präzisen und atmosphärisch deutlichen Ausgestaltung dieser Kontraste. Will Humburg führte die Koordination der szenischen Ebenen und räumlich verteilten Gesangs- und Chorpartien zu größter musikalischer Homogenität. Dramaturgisch gelang es der Inszenierung allerdings weit weniger, das vielschichtige Szenario zu einer schlüssigen Einheit zu bündeln.
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ProgrammArthur HoneggerText: Paul Claudel Deutsche Fassung: Hans Reinhardt Jeanne d'Arc au bûcher "Johanna auf dem Scheiterhaufen" Mädchen- und Knabenchor der Chorakademie am Konzerthaus Dortmund Zeljo Davutovic, Einstudierung Friedrich Spee Chor Sergey B. Volobuyev, Choreographie Thomas Römer, Raumgestaltung Carola Vollath, Kostüme Heinz Lukas-Kindermann, Inszenierung Sprechrollen: Julia Stemberger René Kollo Annemarie Wendl Wolfgang Nawrot Günther Burchert Matthias Klaußner Thomas Kemper Matthias Ruhnke Gesangspartien: Natalia de Montmollin Barbara Dobrzanska Silke Marchfeld Xavier Moreno Mark Bowman-Hester Juri Zinovenko Sebastian Kausch Robin Grunwald Tanzpartien: Bogdan Khvoinitski Natali Galitskii Anna Strauß Natalia Grinyuk Denis Burda Tatiana Borissenko Mark Radjapov Yvonne Schwister
Leitung: Will Humburg
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