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18./19. September 2002
Konzerthaus Dortmund


Johannes Brahms

Sinfonie Nr. 1 c-moll op. 68

Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 73

Sinfonie Nr. 3 F-Dur op. 90

Sinfonie Nr. 4 e-moll op. 98


Deutsche Kammerphilharmonie Bremen
Daniel Harding, Dirigent
Homepage: Konzerthaus Dortmund
Die Sinfonie als Kammermusik

Sämtliche Sinfonien von Johannes Brahms mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen

Von Martin Rohr

Was ist es denn nun: Ein großes sinfonisches Orchester oder ein Kammerorchester? Diese Frage stellt man sich schon, wenn man den Titel der Konzertreihe "Große Kammerorchester" des Konzerthauses Dortmund liest. Doch welches Konzept hinter dieser scheinbar widersprüchlichen Formulierung steht, zeigte die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, die an zwei Abenden die vier Symphonien von Johannes Brahms spielte.

In der Interpretation des jungen britischen Dirigenten Daniel Harding erschienen die Sinfonien von Johannes Brahms in einem Klangbild, das von der pathetischen Schwere gängiger Interpretationen befreit war. Nicht zuletzt die gegenüber romantischen Sinfonieorchestern deutlich reduzierte Streicherbesetzung nahm ihnen diese übermäßige Last üppiger Klangmasse. Den gewonnenen Freiraum nutze das Orchester für kammermusikalische Transparenz. Das Resultat war eine ungewohnt lebendige Interpretation, die auch den jeweils eigenständigen Charakter der vier so unterschiedlichen Sinfonien hervortreten ließ.

Gerade die erste der vier Sinfonien mit ihrem drängenden Orgelpunkt und dunklen Orchesterfarben am Beginn des ersten Satzes verleitet all zu oft zu schwerem Pathos. Und auch Daniel Harding schien sich hier noch dieser Last bewusst. In sehr gemessenem Metrum und mit einem für diese kleine Besetzung unglaublichen Klangvolumen spannte er großen Bögen von enormer dynamischer Spannweite. Doch dies ist das Typische dieses energischen Dirigenten: in deutlichem Kontrast hierzu erschien das folgende Allegro des ersten Satzes um so tänzerischer. In der Transparenz des Kammerorchersters drangen immer mehr helle Farben des Brahmsschen Orchestersatz an die Oberfläche.
Dabei konnte Harding sich auf die ungebremste Spiellust seiner Musiker und auf deren selbstverständliches Zusammenspiel verlassen. Die lebendige und spannungsvolle Dynamik resultierte aus dem eigenständigen Gestaltungswillen der Musiker, der durch Hardings lebendig-elegantes Dirigat eher angeregt als gelenkt zu sein schien. Nicht führen sondern moderieren, Ideen geben und Freiraum lassen, dies schien das Credo Hardings zu sein.
Zu brillantem Glanz liefen die Bläser in der Einleitung des vierten Satzes Adagio - Piu Andante - Allegro non Troppo ma con brio auf: Horn und Flöte intonierten die Alphornweise mit ungebremster Strahlkraft. Um so intimer und persönlicher erschien im Kontrast dazu das gesangliche, Beethovens Ode an die Freude so verwandte Hauptthema des Finales.

Mit ihrem pastoralen Grundcharakter erscheint die Zweite Sinfonie D-Dur wesentlich weniger dramatisch. Ebenmäßige, gleichsam sonnige Melodik und weiche Klanggestaltung sowie volkstümliche Elemente treffen in ihr auf expressive Cello-Kantilenen. Im direkten Vergleich mit der so gewichtigen ersten Sinfonie hat die Zweite es ungleich schwerer, einen prägenden Eindruck zu hinterlassen. Doch gerade das innige und dennoch schlanke Cellosolo des zweiten Satzes Adagio non troppo verhalf der Zweiten zu ihrem Recht!

Die vielleicht persönlichste der vier Sinfonien von Brahms ist seine Dritte in F-Dur, die am Beginn des zweiten Abends stand. Tänzerische Grundbewegung und große Klangräume treffen immer wieder auf intime Solostimmen und nachdenkliches Ausklingen. Daniel Harding bewies hier Mut zur Weichheit, die als Gegenpol deutliche Akzentuierungen um so klarer hervortreten lies. Atemberaubend schön erschien der dritte Satz Poco Allegretto, formal ein Scherzo, das mit seinem sehnsüchtiger Gesang eigentlich wie ein weiterer langsamer Satz erscheint. Nur selten, insbesondere im zunächst gedämpften, dann stürmischen Schlusssatz, mangelte es den Violinen der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen an Klangvolumen. In großer Dichte und weiten Bögen kehrt die Sinfonie am Ende zu ihrem Ausgangspunkt zurück und schließt versöhnlich.

Mit der Vierten Sinfonie e-moll ging ein spannendes Konzertprojekt zu Ende, das die Sinfonien von Johannes Brahms aus einer neuen Perspektiven betrachtete. Besonders im zweiten Satz Andante moderato überzeugte Harding durch die Belebung der Phrasen von Innen heraus. In der Zurücknahme schaffte Harding Freiräume für besonders expressive Ausbrüche.

Das Konzept "Große Kammerorchester" regt zur Nachahmung an: Die kleinere, annähernd kammermusikalische Besetzung ermöglicht direkteres und selbstständigeres Zusammenspiel der Orchestermusiker, von denen sich jeder einzelne in solistischer Bedeutung präsentiert. Der aus dem Weg geräumte Ballast gibt den Blick frei auf den Kern der Werke. Dies funktioniert jedoch nur bei entsprechend guten Musikern, die sich selbstständig einsetzen und auch das Vermögen zur besonderen Klangentfaltung besitzen.


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