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13. September 2002
Konzerthaus Dortmund


Gustav Mahler
Sinfonie Nr. 3 d-moll
Nach Worten von Friedrich Nietzsche und Texten aus "Des Knaben Wunderhorn"


Violeta Urmana, Mezzo-Sopran
Damen des Theaters Dortmund
Damenchor des Ernst Senff Chor, Berlin
Kinderchor der Chorakademie am Konzerthaus Dortmund
Philharmonisches Orchester Dortmund
Arthur Fagen, Dirigent
Homepage: Konzerthaus Dortmund
Eine große Herausforderung

Festakt zur Eröffnung des Konzerthaus Dortmund mit Gustav Mahlers 3. Sinfonie

Von Martin Rohr

Mitten in der ehemaligen Schmuddelecke der Dortmunder City zwischen Dönerbude und Second-Hand-Laden gelegen, soll das ehrgeizige Projekt nach dem Willen seiner Initiatoren als neues Wahrzeichen der Kulturstadt Dortmund zum Motor der Innenstadtentwicklung werden: Das neue Konzerthaus Dortmund, die Philharmonie für Westfalen eröffnete am 13. September in der Brückstraße mit einem Festakt seine Tore für den Konzertbetrieb. Mit seiner Anziehungskraft für ein gehobenes Publikum soll das neue Haus nach dem Willen seiner Initiatoren auch zum Magnet für neue Investoren werden und zu einer Aufwertung des Viertels beitragen.
Zum anderen ist man aber auch mit dem Anspruch angetreten, sich mit diesem neuen Konzertsaal einen der vorderen Plätze im deutschen Musikleben zu erwerben und als regionales Zentrum ein Gegengewicht zur rheinischen Musikmetropole Köln zu bilden.

Dass in Zeiten chronisch leeren kommunaler Kassen ein solch teures Projekt durchaus kontrovers gesehen wurde, dokumentierte nicht nur die Demonstration vor den Toren des neuen Hauses, sondern zeigte sich auch in den diversen Eröffnungsreden. So warb der Dortmunder Oberbürgermeisters Gerhard Langemeyer vehement dafür, die Autonomie der Kunst anzuerkennen und sie von der Notwendigkeit permanenter ökonomischer Rechtfertigung in Schutz zu nehmen - unausgesprochen blieb die Beschränkung dieses Appells auf die elitäre und repräsentative Hochkultur.
Wie weit in diesem Kontext die Interessen von Hochkultur gegen weniger prestigeträchtige kommunale Bildungs- und Kultureinrichtungen wie Musikschulen oder alternative Kulturinitiativen ausgespielt werden, muss sich in der Zukunft noch erweisen. Immerhin ist es bemerkenswert, dass am Tag nach der feierlichen Eröffnung des knapp 50 Millionen € treuren Musiktempels drastische Einschnitte im Kulturhaushalt des Landes NRW bekannt gegeben wurden. Bei allem Respekt, vor diesem Hintergrund zeugt es von einem eklatanten Mangel an Stil und Takt, wenn politischen Gegner und Bedenkenträger gegenüber den enormen Kosten dieses Konzerthauses in den Reden der Eröffnungsfeier mit unverhohlener Häme und Spott bedacht wurden. Immerhin ist die Frage, ob das künstlerische und ökonomische Konzept der neuen Philharmonie für Westfalen aufgeht und auch vom lokalen Publikum angenommen wird, am Tag der Eröffnung längst nicht zu beantworten.

Doch nun zum künstlerischen Teil des Abends: Entsprechend der selbstgesetzten Maßstäbe zog man sprichwörtlich alle Register, was nicht nur die Präsentation der großen Klais-Orgel durch Bernhard Buttmann, sondern auch die Inszenierung der Musik betraf: Der Auftritt der Blechbläser zu Beginn des Festaktes hatte nicht wenig Ähnlichkeit mit Lichteffekten im nur wenige hundert Meter entfernten Kinocenter. Auf das alleinige Durchsetzungsvermögen der Musik schien man hier nicht zu vertrauen.
Doch der äußerliche Effekthascherei einer aufwändigen Lichtregie hätte die Musik mit Ausnahme der Toccata „Schlafes Bruder“ von Enjott Schneider nicht bedurft: Aaron Coplands „Fanfare for the Common Man“ bot eine würdige und klangvolle Einweihung des Klangraumes, der schon hier seine herausragenden klanglichen Eigenschaften unter Beweis stellte.

Klangbeispiel Klangbeispiel: Fanfare for the Common Man
(MP3-Datei)


Pluralismus der Stile als programmatische Maxime des neuen Konzerthauses zu dokumentieren, war nicht zuletzt die Intention des zweiten Programmpunktes, Duke Ellingtons “Caravan“ in einer sehr freien Interpretation der Katia Labèque Band, ebenso wie die Bearbeitung von Mozarts Janitscharenchor aus der „Entführung aus dem Serail“ für Blechblasensemble.
Lediglich die Orgelkomposition enttäuschte, zumal sie keineswegs vielfältige Möglichkeiten des Instruments offen legte, sondern sich in purer Kraftmeierei des Tuttiklanges erschöpfte.

Doch im musikalischen Zentrum der Eröffnung stand die Sinfonie Nr. 3 d-moll von Gustav Mahler. Mit dem von acht Hörnern intonierten Weckruf des Pan an ihrem Beginn steht die Sinfonie für einen Aufbruch zu neuen Taten - bei Mahler nichts weniger als die Erschaffung der Welt. In sechs Stationen vollzieht Gustav Mahler einen Gang durch die Stufen der Natur, in den (später zurückgezogenen) Satzüberschriften konkretisiert als die Sphären der Pflanzen, der Tiere, der Menschen, der Engel sowie der Liebe.

Unter dem Eindruck des herausragenden Klangraumes zeigten sich die künftigen Hausherren und -damen, das Philharmonische Orchester Dortmund, inspiriert und beflügelt. Mit ruhevoller Kraft gelang eine spannungsreiche Interpretation des vielschichtigen Werkes. Insbesondere der eindringlich-deklamatorische Vortrag der Worte Friedrich Nietzsches im vierten Satz durch die litauische Mezzo-Sopranistin Voileta Urmana vermochte zu fesseln.
Im Schlusssatz, einem groß angelegten Adagio, gelangen den Streichern selten gehörte Spannungsbögen, welche die außergewöhnliche Größe des Satzes gänzlich vergessen ließen und folgerichtig in einer strahlenden Apotheose mündeten

Maßgeblichen Anteil an dieser facettenreichen und spannenden Aufführung hatte Generalmusikdirektor Arthur Fagen. Dessen Einstand als neuer künstlerischer Leiter des Orchesters geriet bei aller Begeisterung für die neue Spielstätte gänzlich in den Hintergrund. Dabei war es gerade Arthur Fagen, der mit diesem Konzert eindeutige Zeichen setzte: Der Transparenz der Saalakustik begegnete Fagen mit einer transparenten und detailgetreuen Musikauffassung, die die einzelnen Mitglieder des Ensembles in ihrer musikalischen Individualität herausforderte und sie gleichzeitig zu einem komplexen Klankörper verband. Und bei aller Energie und Gewalt der Musik Gustav Mahlers bediente sich Fagen nie des breiten Pinsels, der die Vielschichtigkeit der Musik hätte überdecken können.
Nur selten legte die klare und transparente Raumakustik die intonatorischen Schwächen des Ensembles auf - vielleicht der einzige Nachteil eines so guten Saales.

Zwei Gedanken seien als Fazit erlaubt. Erstens: Dortmund besitzt mit dem neuen Konzerthaus einen herausragenden Saal, der dem Stammorchester große Entfaltungsmöglichkeiten bietet. Gleichzeitig werden diese Möglichkeiten in Form der herausragend guten Akustik aber auch zur Herausforderung und zum Maßstab, an dem Sich das Orchester in Zukunft wird messen lassen müssen, zumal der Vergleich mit der eingeladenen internationalen Spitzenensembles sich aufdrängt. Man wird sehen, ob diese Herausforderung als Chance genutzt wird.

Zweitens: Wenn in Zeiten geschrumpfter Kulturetats ein solches Projekt realisiert wird, so wird es auch für die Kulturpolitik zu einer Verpflichtung, an der sie scheitern kann: Wer den Eigenwert der Kultur und den damit verbundenen Bildungsauftrag anerkennt, darf sich nicht in der Schaffung repräsentativer Gebäude und spektakulärer Konzertevents erschöpfen, sondern muss dieses Engagement auch in der kulturellen Breitenförderung zeigen. Er darf nicht Konzerthäuser bauen und gleichzeitig Musikschulen oder Bibliotheken die finanzielle Basis entziehen. Daran wird sich die Stadt Dortmund in der Zukunft messen lassen müssen.


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