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Gelungener Industriebarock
Viel Harmonie um König Saul
Von Monika Jaeger
Einmal mehr ging das Standort-Kultur-Konzept der Ruhrtriennale auf: Mit Frieder Bernius' Interpretation von Georg Friedrich Händels Saul in der Bochumer Jahrhunderthalle traf der Anspruch authentisch-werktreuer Aufführungspraxis alter Musik auf das authentisch-werksgetreue, inzwischen atmosphärisch verflossene Industrieambiente des früheren Kruppgeländes und führte zu einem ebenso überzeugenden wie zeitlosen Monument des Ringens um die königliche Macht.
In Libretto und Musik geht es weniger um die dramaturgische Ausgestaltung der konfliktträchtigen Handlungsstränge, wichtiger als einzelne Akteure sind die aus ihnen sprechenden Tugenden, Empfindungen und Autoritäten. Der triumphale und festliche Gestus von Händels Oratorien fällt dabei nie in schweres Pathos, sondern behält stets Grazie und Leichtigkeit. Beschauliche bis zündende Dramatik entlädt sich in den affektbeladenen Stimmpartien und äußert sich in semantisch farbenreicher Besetzung, etwa dem Harfenspiel Davids oder dem Carillon, dessen volltönende Glockenklänge sich auf wirkungsvolle Weise mit dem wohlintonierten Orchester reiben.
Vor allem in den virtuosen Passagen zeigte sich die künstlerische Qualität dieser Produktion. Die Transparenz und klangliche Ausgewogenheit des Barockorchesters Stuttgart und der schlanke, homogene Chorklang des ChorWerk Ruhr harmonierten in jeder Hinsicht mit den Solisten. Gilles Cachemaille und Brian Asawa verkörperten die Antagonisten Saul und David, Gradmesser für den Zorn und die Gnade Gottes, stimmlich optimal. Zu Cachemailles deutlich im tiefen Register von den anderen Hauptakteuren abgesetztem sonoren Stimmklang bildete Asawas beweglicher und ausdrucksstarker Alt den idealen Gegenpart. Dessen Duette mit Joanne Lunns strahlender Ausdruckskraft als Michal im zweiten Akt markierten einen musikalischen Höhepunkt. Die atmosphärischen Gegensätze spiegelten sich vor allem in der Persönlichkeit der Merab, die als einzige der Protagonisten wegweisende Charakterwechsel vollzieht. Carolyn Sampson brachte diese mit beeindruckender stimmlicher Wandlungsfähigkeit bei gleichbleibend klangvollem Volumen zum Ausdruck. Arno Raunig verlieh der Hexe von Endor stählernd-schillernde Weisungskraft, als Gegenpol zu Markus Brutscher, der mit großer stimmlicher Klarheit die religiös-moralische Autorität und das gütige Harmoniestreben des Hohepriesters verkörperte. Die Vielzahl der charakterlichen Facetten wurde vom Chor flexibel aufgenommen und in seinen dramaturgischen Part als Sprachrohr des Volkes und als kommentierende moralische Instanz integriert. Auf allen musikalischen Ebenen bestach die glatte Übereinstimmung - ebenso wie die Agierenden um Saul erlaubte sich die Interpretation kein Ausbrechen aus der Harmonie. So wurde die Begegnung zwischen lebendiger Barockmusik und weniger lebendiger Industriehalle zu einem Hörgenuss - und verlief gleichzeitig unspektakulär. |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Produktionsleitung
David
Jonathan
Michal
Merab
Hexe von Endor
Hoher Priester
Samuel
Amalekiter
Doeg
Abner
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- Fine -