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Sonntag 6. Oktober 2002, Beethovenhalle Bonn

Internationales Beethovenfest Bonn 2002



Robert Schumann: Das Paradies und die Peri op.50



Christiane Oelze, Sopran (Die Peri)
Elisabeth von Magnus, Alt (Engel)
Herbert Lippert, Tenor
Anja Vincken, Sopran (Jungfrau)
Ingrid Bartz, Mezzosopran
Will Hartmann, Tenor (Jüngling)
Reuben Willcox, Bass (Gazna)
Philharmonischer Chor der Stadt Bonn
Orchester der Beethovenhalle Bonn

Leitung: Marc Soustrot

Homepage: Internationales Beethovenfest
Finale ohne Beethoven

Von Ralf Jochen Ehresmann



Wer auf dem diesjährigen Beethovenfest einer ganzen Reihe von Aufführungen beiwohnen konnte, hatte hinreichend Gelegenheit, sich an Wortbeiträge als festen Konzertbestandteil zu gewöhnen, und so durfte es auch nicht verwundern, wenn zubeginn des Abschlussabends letztmalig die Bonner OB Bärbel Dieckmann das Wort ergriff; ihrem verbalen Heimspiel folgte das des Orchesters der Beethovenhalle und sein Bemühen, das von der Peri ach so heiß ersehnte Paradies in die Ohren des Publikums zu zaubern.

Haben Oratorien im Konzertleben es heutzutage ohnehin schon schwer, so gilt dies für die weltlichen gleich doppelt, denen zusätzlich zur allgemeinen Oratorienabstinenz der kirchliche Aufführungsraum abgeht, der für so manche Kantate oder Passion eine Aufführungsgarantie eigenerart gewährleistet, und so besteht der Sinn von Festivals wie dem Beethovenfest gewiss auch darin, einem überdurchschnittlich aufgeschlossenen Publikum selten zu hörende Musik bis hin zu Ausgrabungen präsentieren zu können, die im normalen Abobetrieb schwer unterzubringen wären.

"Eine Peri, eine Art Fee oder Luftgeist der persischen Sagenwelt, sucht Einlaß (sic!) ins Paradies, wird jedoch aufgrund ihrer nicht-göttlichen und somit sündhaften Herkunft abgewiesen: nur durch ‚des Himmels liebste Gabe' könne sie sich Zutritt verschaffen. Doch ihre ersten beiden Versuche schlagen fehl: weder der Blutstropfen des tapferen Jünglings, der im Kampf gegen den Tyrannen fällt, noch die Tränen des Mädchens, das ihre todkranken Geliebten pflegt und dabei ihr eigenes Leben opfert, genügen dem Himmel als Geschenk. Erst die Tränen des reumütigen Verbrechers, der angesichts des Gebets eines unschuldigen Knaben zu Gott zurückfindet, verschaffen der Peri schließlich die feierliche Aufnahme ins Paradies."
So fasst Dominik Rahmer in seinem ausführlichen, flüssig lesbaren und zugleich echt informativen Programmheftartikel das Geschehen zusammen; starker Tubac für eine Welt, in der Sünde und Erlösung durch Eintritt ins Paradies nur noch für evangelikale TraditionalistInnen relevant sind! Insgesamt dürfte deren ‚Theologie' aber doch weniger krude sein als das Wirrwarr, das Schumanns Textvorlage zusammengemixt hat: Ohne recht eigentlich klassischen Exotismus á la Madama Butterfly oder Les pêcheurs des perles zu liefern, gehen hier Elemente diverser Religionen bunt durcheinander. Von Kaschmir über Indien und Ägypten bis zum Libanon führt ihre Fahrt, und wie bei Ossian mischen sich lauter nie gehörte Namen ein. Unter Anrufungen Allahs und von Engeln mehr behindert als geführt, geht die Peri voll Erlösungshunger daran, durch Taten der Selbstlosigkeit den ansonsten verschlossenen Himmel sich zu verdienen, wobei der Kern ihrer Einzelleistungen doch wieder in die Sparte der Herzensdinge und der richtigen Einstellungen fällt. Differenzierung zwischen Eden, Himmel oder Paradies findet nicht statt, und vom Hinduism und dem bereits damals beachtlichen Stand seiner Erforschung hat die Dichtung ebenfalls noch nichts gehört.

Die Brücke schlägt eindeutig die Musik, die sich eine Schwelgerei in Harmonien gönnt, der das Bewusstsein von den Bruchstellen im Zusammenhang der Welt noch nicht eignet, wie es in zeitnah entstandenen Liedern aus Schumanns Feder bereits deutlich hervorgetreten war. Herrlich anzuhören, niemals platt, dabei in der Lautmalerei geradezu experimentierfreudig, begründet sie den Anspruch Schumanns auf den Rang eines "2.Heiligen der Beethovenstadt", wie Intendant Willnauer es später formulierte. Lässt das demnächst für Reger hoffen? Und gar für Denhoff?

Gut aufgeschlossen präsentierte sich das Orchester, dessen Holzbläser besonders hervorzuheben wären, wodurch zugleich das so beliebt-veraltete Vorurteil von Schumanns Instrumentationsschwächen überzeugende widerlegt werden konnte.

Den SängerInnen gebührt dabei durchweg hohes Lob. Durfte man sich gleich in der Eingangsnummer bei der für Cornelia Kallisch eingesprungenen Elisabeth von Magnus freuen über eine Altistin mit toller Stimme, die man endlich mal ohne mitlesen versteht, so gab Christiane Oelze unter dankenswertem Verzicht auf Vibratoorgien eine Peri von mädchenhafter Reinheit und Zartheit bei gleichzeitig voller Präsenz. Die narrativen Texteile des Tenors gestaltete Herbert Lippert kraftvoll und wie ein Evangelist in Bachs Passionen, in welcher Funktion man ihn sich demnach auch bestens vorstellen könnte.

Dagegen konnte das Vokalquartett nicht ganz ebenbürtig mithalten; gut zwar auch, doch weniger markant, kamen seine durchaus respektablen Einzelleistungen nicht völlig gegen die überragende Erscheinung der 3 Solosolisten an. Solchen Kontrast konnte man beispielsweise in Nr.13 mit Solo-Tenor + Vokalquartett vernehmen, wobei auch so ein bemerkenswert homophoner Gesamtklang erreicht werden konnte. Dennoch schien es, als nähme der Quartett-Tenor Will Hartmann seinen Text gar zu ernst und wolle gleich real zu weinen beginnen.

In Topverfassung präsentierte sich der von Thomas Neuhoff bekannt gut aufgestellte Philharmonische Chor, der auch manche Passage übernahm, die eigentlich dem Vokalquartett aufgegeben war. Und angesichts des fulminanten Chorrausches zuende des 1.Teiles muss der Himmel schon sehr hartherzig sein, der sich solchem Gesang verschließt, weswegen man doppelt fragen mag, wieso von der Schlussnr des 2.Teiles unmittelbar vor der Pause rund die Hälfte des abgedruckten Textes nicht zu hören war.

Nicht zuletzt die Schlussnummer (26) mit ihren unglücklichen Dauerrepetitionen der Perizeilen als echter Schwachstelle zeigte eindrücklich: Dem Wesen Schumannscher Romantik eignet viel glaubhafter der Ausdruck der Sehnsucht als der der Erfüllung!

Und so gehen auch wir in die 'große Pause' des Beethovenfestes und warten gespannt auf dessen nächste Runde in 11 Monaten!



Da capo al Fine

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