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Veranstalter-Homepage 1.3.2002
Oetkerhalle Bielefeld






J.Bernhard Bach
Ouvertüre Nr.1 g-moll für Streicher

G.Ph.Telemann
Konzert für Violine, Streicher und Gb A-Dur "Relinge" TWV 51:A4

J.S.Bach
Brandenburgisches Konzert Nr.5 für Flöte, Violine, Cembalo, Streicher und B.c. D-Dur BWV 1050

J.S.Bach
Konzert für Violine, Streicher und B.c. g-moll. Rekonstruktion nach BWV 1056

G.Ph.Telemann
Konzert für zwei Violinen, Streicher und Gb B-Dur TWV 52:B2

J.S.Bach
Ouvertüre (Suite) Nr.2 für Flöte, Streicher und B.c. h-moll BWV 1067


Berliner Barock Solisten
Rainer Kussmaul, Violine und Leitung
Emmanuel Pahud, Flöte
Bernhard Forck, Violine II
Raphael Alpermann, Cembalo

Barockmusik... Langweilig ? Eintönig ? Von wegen...
Emmanuel Pahud beeindruckt mit den Berliner Barocksolisten beim sechsten Konzert der Pro Musica-Reihe in der Bielefelder Oetkerhalle

Von Kilian Vollmer



Welche Assoziationen hat der Konzertabonnent und Musikliebhaber üblicherweise, wenn er an Barockmusik denkt ? Oft ist die Rede von Eintönigkeit, wenig Abwechslung, Langeweile. "Die Musik ist ja immer gleich, überhaupt nicht spannend", hört man gelegentlich.
Nicht so beim Bielefelder Gastspiel der Berliner Barocksolisten mit Rainer Kussmaul als Primarius und Solist in Doppelfunktion, verstärkt durch den Weltklasse-Flötisten Emmanuel Pahud.

Vom ersten Moment an überträgt sich die Spielfreude der Musiker auf die Zuhörer im sehr gut besuchten Bielefelder Musiktempel. Eine Freude ist es, den 11 Spielern zuzusehen, wie sie miteinander kommunizieren, gemeinsam atmen und immer wieder fröhliche Blicke austauschen.
Das Ensemble, das sich 1995 aus führenden Mitgliedern der Berliner Philharmoniker gegründet hat, besticht durch lockeres, leichtes, sehr elegantes Spiel. Kraftvolle Akzente werden an den richtigen Stellen gesetzt, lyrische Abschnitte werden ausgekostet, so dass es eine Wonne ist, im Konzertsaal zu sitzen. Eine überdurchschnittlich große Dynamikspanne ist charakteristisch für dieses Kammerensemble. Selten hat man beispielsweise so ein zartes, dabei wunderbar tragendes pianissimo gehört.

Was sagen viele Leute noch einmal ? Musik, die an die 300 Jahre alt ist, sei altmodisch und eintönig ? Zugegeben, die Zusammenarbeit der Berliner Philharmoniker mit Vertretern der authentischen Aufführungspraxis wie Harnoncourt, Gardiner, Herreweghe oder Norrington gab u.a. den Anstoß zur Gründung der Gruppe. Aber zu hören ist keinesfalls ein altmodisches Spiel. Ganz im Gegenteil: Die Berliner Barocksolisten sind vielmehr Vertreter des Typus des modernen Musikers: Musik und ihre Darbietung werden hinterfragt, es wird geforscht nach neuen Werken und es wird der Frage nachgegangen, wie die damaligen Komponisten über ihre Arbeit gedacht haben.

Am Freitag in der Oetkerhalle wurde modern musiziert, wohl mit "alten" Anregungen: Die Musiker stehen in deutscher Orchesteraufstellung mit sich gegenüber postierten Geigengruppen, bis vor ca. 100 Jahren die Regel. Dadurch sehr überzeugend beispielsweise das Wechselspiel zwischen erster und zweiter Streicherstimme. Einige Spieler "arbeiten" mit anderer, für Barockmusik typischer Bogenhaltung, was eine gewisse Lockerheit und durchsichtiges Spiel fördert.
Die Werke von Bach (Auftakt bildete die Ouvertüre für Streicher Nr.1 g-moll von Johann Bernhard, ein Vetter des übermächtigen Thomaskantors) und Telemann sind mit wenig Vibrato zu hören, akzentuiert, tänzerisch, so dass der Zuhörer die Musik wunderbar klar und durchsichtig genießen und verstehen kann.
Bei allem Abphrasieren werden große Bögen gespannt, nie entstehen quasi Einzelbausteine der Musik, sondern vielmehr ein Mosaik aus vielen kleinen Phrasen, die sich zu den Werken und darüber hinaus auch zum insgesamt sehr überzeugenden und begeisternden Abend zusammenfügen.

Das allgemein gängige Klischee, Barockmusik sei doch langweilig, altmodisch und überhaupt nicht abwechslungsreich, wurde am vergangenen Freitag derart überzeugend aus der Welt geräumt, dass man jedem Musikliebhaber und Konzertgänger nur wünschen kann, einmal diese Solisten zu hören.
Aber Abwechslung für den Zuschauer nur durch Streicher auf dem Podium? Nun, dies wäre gewiss möglich, aber gespannt wartete man in Bielefeld auf das Debüt des jungen Schweizer Flötisten Emmanuel Pahud. Dieser wurde als Erlebnis fürs Leben angekündigt und niemand sollte enttäuscht werden. Der 1970 in Genf geborene Pahud war schon mit 22 Jahren Soloflötist der Berliner Philharmoniker und seinen Mitstreitern also bestens durch gemeinsamen "Dienst" bekannt.
Er besticht durch ebenso lockeres, leichtes, farbenreiches Spiel, einen warmen, runden, dunklen, stets offenen Ton, und ist einfach eine überaus charismatische Erscheinung auf der Bühne.
Das Musizieren macht ihm sichtlich Spaß und er versteht es sehr geschickt, seine Rollen zu variieren: Im fünften Brandenburgischen Konzert des "großen" Bach changiert er ständig zwischen der Rolle des Solisten und der des Tutti-Spielers. Sofort ändert sich seine Klangfarbe und er ordnet sich ein in ein überaus homogenes Klangbild. Ob gerade Flöte oder Geigen zu hören sind oder beides, könnte man mit geschlossenen Augen in dem Moment gar nicht mehr hören.

Mehr noch in seinem Element schien der junge quirlige charmante Schweizer allerdings beim abschließenden Werk, der bekannten h-moll-Suite, BWV 1067, zu sein. Dieses Flötenkonzert, getarnt als Orchester-Suite, bot ihm nun alle Möglichkeiten zur hochvirtuosen und klangfarbenreichen künstlerischen Entfaltung. Oft war dieses Bravourstück schon in Bielefeld zu hören, auch mit Solisten wie James Galway, aber ob man es hier je so fröhlich, akzentuiert und vital gehört hat wie nun, bleibt zumindest fraglich.
Als Zuhörer darf man wohl den Anspruch stellen, dass Künstler ihre Interpretation der Stücke überzeugend darstellen, aber gewisse Musiker wie diese aus unserer Hauptstadt schaffen es eben dazu neben allem Genuß noch, zum Nachdenken gerade über bekannte Werke, anzuregen. Und eben diese Anregung gab es jetzt zwei Stunden lang.

Die Musiker dankten für den lang anhaltenden Beifall mit zwei Zugaben.
Viele der Konzertabonnenten dürften nach diesem Abend ihre Meinung über Barockmusik geändert haben und waren sicherlich dankbar, dass Ihnen die Berliner Barocksolisten präsentiert wurden. Hoffentlich gibt es ein baldiges Wiedersehen, vielleicht auch mit anderen Berliner philharmonischen Kammermusikgruppen?




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