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Veranstalter-Homepage 9.3.2002
Festspielhaus Baden - Baden




Gustav Mahler
Sinfonie Nr. 5 cis - Moll


Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Leitung: Lorin Maazel

Mahlers Fünfte mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Lorin Maazel

Von Christoph Wurzel;



Mahlers Fünfte Sinfonie ist nicht gerade selten im Konzertsaal zu hören, auch in Baden-Baden wurde sie in den letzten Jahren mehrfach gespielt, so unter Michael Gielen (mit dem Sinfonieorchester des SWR) und mit dem Chicago-Symphony Orchestra unter Daniel Barenboim. Nun bekam das Baden-Badener Publikum einen Happen ab von dem großen Mahler-Zyklus, den das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter seinem scheidenden Chefdirigenten Lorin Maazel derzeit in München gibt, bevor dieser als neuer Leiter des Philharmonic Orchestra nach New York wechselt.

Es soll Leute geben, die kaufen sich eine Aufnahme von Mahlers Fünfter nur wegen des Adagiettos, des vierten Satzes dieser Sinfonie. Luchino Visconti hatte diese Musik in den siebziger Jahren den morbid dekadenten Bildern seiner Verfilmung von Thomas Manns Novelle "Der Tod in Venedig" unterlegt und wesentlich damit erst die Stimmung erzeugt, die die Zauberkraft dieses Films ausmacht.
Und in der Tat ist dieser Teil der Fünften Sinfonie in seinen selbstvergessen schwelgerisch dahinfließenden Melodielinien in Mahlers sinfonischem Schaffen singulär. Aber nur diesen Satz aus dem Ganzen des Werks zu isolieren, bedeutete die musikalische Welt Gustav Mahlers eindimensional zu reduzieren und damit misszuverstehen. Denn nur in dem Spannungsverhältnis zwischen der quälenden Trauer des ersten, der dämonisch-düsteren Stimmung des zweiten Satzes einerseits und der vehement vorgetragenen Ausgelassenheit des dritten Satzes, sowie dem erlösenden Choralfinale des fünften Satzes ist die von der Welt abgeschiedene Stimmung des Adagiettos sinnstiftend. Der Sinfonie liegt eine innere Dramaturgie zu Grunde, die in jeder Aufführung zum Ausdruck gebracht werden will. Daher ist es richtig, dieses Werk als singulären Programmpunkt eines Konzerts zu wählen. Das erleichtert es, in die musikalische Imagination von Gustav Mahlers Welt völlig einzugehen.

Zuerst, zu allererst ist die ungewöhnliche Brillanz dieses Orchesters zu rühmen. Es gab während der Aufführung nicht nur keine Schwachstelle, sondern die Musikerinnen und Musiker zeigten eine Präsenz und Aufmerksamkeit in der Deutlichkeit des Spiels, im Ausgestalten der Phrasen, dass es eine Lust war. Technisch makellos und wie selbstverständlich kam jeder Ton in jeder Instrumentengruppe - bei den Streichern ebenso wie bei den Holzbläsern, im Schlagwerk genauso wie bei den Blechbläsern, die allerdings ob ihrer enormen Virtuosität mit Recht einen besonderen Schlussbeifall einheimsen konnten.

Lorin Maazel arbeitete den Charakter der Sätze prägnant heraus, ließ die spiel-technischen Vortragsbezeichnungen genau ausspielen, gestaltete die Übergänge überzeugend und entwickelte eine große dramatische Kraft in packenden Steigerungen. In purer Schönheit floss das Adagietto und ließ das Publikum schier dahinschmelzen.
Lorin Maazel Und doch blieb für mich bei all dieser Virtuosität und technischen Rafinesse ein entscheidender Wunsch offen. Für meine Vorstellung war diese Aufführung im Ausdruck zu sehr zurückgenommen, zu wenig kam zum Klingen, was den emotionalen Gehalt von Mahlers Musik ausmacht. Mahler hat seiner Komposition in der Partitur genaue und sehr differenzierte Ausdrucksanweisungen unterlegt, die bei aller Perfektion im Spieltechnischen in Maazels Auffassung ein zu geringes Gewicht erhielten. Mahler gibt an zahlreichen Stellen derartige Hinweise: "Schwer" oder "Klagend", "Keck" oder "Zart gesungen".
Erst wenn auch das, was zwischen den Noten steht - der emotionale Subtext der Musik -, hörbar wird, kommt der spezifisch Mahlerschen Ton zum Klingen, der seiner musikalischen Welt zu eigen ist: dieser Ton einer nostalgischen Traurigkeit, einer bisweilen ins Groteske übersteigerten Lebensfreude und der pathetisch überhöhten Entrücktheit. All dies war in dieser Aufführung wohl angedeutet zu spüren, vollends wurde es aber nicht zum Ereignis.

So erschien Gustav Mahler in dieser Aufführung wohl als ein brillanter letzter Vertreter der romantisch-dramatischen Sinfonik, weniger aber als der in extrem subjektiven Gefühlen sich ausdrückende und in die Moderne weisende - wie Kurt Blaukopf ihn genannt hat - "Zeitgenosse der Zukunft".
Vielleicht erklärt sich daraus, dass Maazel mit seinem Orchester zwar großen Beifall ernten konnte, aber keine Ovationen, wie eine Woche zuvor an derselben Stelle Thomas Hampson mit seiner bewegenden, den Geist der Musik so unübertrefflich erfüllenden Darbietung der Wunderhorn-Lieder.




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