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Veranstalter-Homepage 1.3.2002
Festspielhaus Baden - Baden




Wolfgang Amadeus Mozart
Sinfonie g- Moll KV 550

Gustav Mahler
"Des Knaben Wunderhorn"
Des Antonius von Padua Fischpredigt
Lob des hohen Verstandes
Rheinlegendchen
Verlorne Müh
Trost im Unglück
Der Schildwache Nachtlied
Revelge

Richard Wagner
"Siegfried - Idyll" E - Dur

Gustav Mahler
"Des Knaben Wunderhorn"
Der Tambourg´sell
Lied des Verfolgten im Turm
Wo die schönen Trompeten blasen
Das irdische Leben
Das himmlische Leben
Urlicht


Wiener Virtuosen
Thomas Hampson, Bariton

Sternstunde - Thomas Hampson mit Mahlers Wunderhorn-Liedern
Die Wiener Virtuosen begleiten ihn und spielen ohne Dirigenten noch Mozart und Wagner

Von Christoph Wurzel; Foto: Simon Fowler



Thomas Hampson berichtete in einem Rundfunkinterview, das am Tage des Baden - Badener Konzerts im SWR gesendet wurde, dass er im Besitz derjenigen drei Bände des Erstdrucks der Volksliedsammlung "Des Knaben Wunderhorn" sei, die Gustav Mahler einst selbst besessen hatte. So hütet der Sänger heute einen Schatz, der dem Komponisten seinerzeit sehr viel bedeutet haben muss, denn die Lieder aus "Des Knaben Wunderhorn" sind so etwas wie der Schlüssel zu vielen von Mahlers symphonischen Werken. Sie bilden gleichsam deren Keimzellen.

Mahler dürfte in den in romantischer Zeit (1806-08) von Achim von Arnim und Clemens Brentano herausgegebenen "Alten deutschen Liedern" einen Spiegel gesehen haben, in dem er seine Sicht des "Weltgetümmels", aber auch seine Vorstellung einer diesem unheimlichen Treiben entrückten Gegenwelt reflektieren konnte.
Mahler hat mit ganz unromantischem Blick auf die Texte sich ihres ganz ursprünglichen Verständnisses von den menschlichen Verhältnissen bedient und deren Aussagen durch seine hoch artifizielle Musik zur Kenntlichkeit gebracht. Dabei scheute er auch nicht vor Eingriffen in den Text zurück, wie z.B. in dem Lied "Wo die schönen Trompeten blasen", das er aus zwei Gedichten montierte, die im Original eine völlig entgegengesetzte Botschaft vermitteln. Auf jeden Fall konnte Mahler wohl in der sehr konkreten und dabei sehr natürlichen Sprache dieses Volksgutes das finden, was auch er empfand und künstlerisch zum Ausdruck bringen wollte.

Thomas Hampson, sozusagen der Erbe dieser Inspirationsquelle des Komponisten, präsentierte die Lieder in drei thematischen Blöcken. An den Anfang stellte er drei "Satiren auf das Menschenvolk", wie Mahler die "Fischpredigt" selbst bezeichnet hat. Und mit unnachahmlicher Vortragkunst ließ Hampson Mahlers Sarkasmus aufblitzen:
"... Die Predigt hat g´fallen. Sie bleiben wie Allen..."
Die zweite Gruppe bildeten Lieder, in denen mit dem Blick "von unten", dem Blick der kleinen Leute, die Vergeblichkeit menschlichen Strebens teils karikiert, teils bitter und verzweifelt beschrieben wird. Die "Revelge", die dem verwundeten Soldaten im Fieber als vielleicht letzter Weckruf erscheint, gestaltete Hampson zu einem gespenstisch fahlen und bedrückenden Alptraum.

Durch die Pause und Wagners "Siegfried - Idyll" nicht gerade glücklich getrennt, bildete die dritte Gruppe der Wunderhorn Lieder den Schluss des Konzerts. Diese Lieder führten auf eine Reise durch Lebenssituationen der Gefangenschaft, des Abschieds und des Entbehrens, bis schließlich zur Transzendenz und erhofften Erlösung. Hier konnte sich nach dem beißenden Humor des Anfangs ("Lob des hohen Verstandes" - des Esels nämlich!) heitere Gelassenheit ausbreiten. Hampsons Mimik zur Zeile "Sankt Martha die Köchin muss sein!" bei der Schilderung der "eng´lischen" Tafelfreuden in "Das himmlische Leben" sprach Bände. Mit dem schon in höhere Sphären weisenden "Urlicht" wollte Hampson das Publikum in jene Vision von einer Jenseitswelt entlassen, die in allen Mahlerschen Adagiosätzen aufscheint,...
Thomas Hampson ...wenn nur das Publikum seinerseits ihn entlassen hätte! Denn Sänger und Instrumentalisten hatten das Publikum so enthusiasmiert, dass es eine Zugabe erzwang. In dieser wurde zwar gefragt "Wer hat dies Liedlein erdacht?", aber unmissverständlich handelte es sich um ein weiteres Meisterstück aus Mahlers Wunderhornliedern. Und diese Begeisterung (lange Standing Ovations) war berechtigt, denn Thomas Hampsons Vortrag traf auf ideale Weise das Wesen dieser Musik: Einfachheit im Ton, das heißt jede Künstlichkeit oder sängerische Bravour zu vermeiden, zugleich aber ein Höchstmaß an Ausdruck zu erreichen - die Synthese also der dieser Musik eigenen Dialektik von Natürlichkeit und Kunst. Dass der Amerikaner dabei neben allem eine makellos reine Textartikulation beherrscht, die manchen deutschsprachigen Sängern oder Sängerinnen abgeht, sei als durchaus nicht selbstverständliches Detail am Rande vermerkt. Das, was vom ersten Moment an für diesen Sänger einnimmt, ist aber seine unzweifelhafte Identifikation mit dem Geist der Musik. Und Hampson hat Mahler eben gleichsam in der "Erbmasse". Das beweisen ja auch seine zahlreichen CD - Einspielungen. Aber ein Anderes ist es doch noch, diesen gewinnend sympathischen Künstler auch live zu erleben.

Natürlich war der Sänger der "Star des Abends", konnte aber dem Orchester dennoch nicht die Schau stehlen - und wollte dieses sichtlich auch nicht. Begleitet wurde Hampson von den Wiener Virtuosen, einer Formation von Musikern der Wiener Philharmoniker. Es handelt sich bei diesen Instrumentalisten um führende Solisten ihres Fachs. So erlauben sie sich, ohne Dirigenten zu spielen - und das in einer Stärke von rund zwanzig (Mozart und Wagner) bis zu nahezu vierzig Musikern (Mahler).

Es ist reizvoll, Werke, die man gewohnt ist, in wesentlich größeren Formationen zu hören, einmal in dieser kammermusikalisch entschlackten Form zu erleben. Der Klang dieses Ensembles ist weniger brillant und prächtig als der eines großen Orchesters, aber viel transparenter, prägnanter, leichter, natürlicher. Dies kam allen Werken sehr zugute und besonders der sparsam instrumentierten Mozart-Sinfonie in g-Moll mit den berühmten schüchtern-unruhigen Achtelbewegungen im ersten Satz. Gerade weil dieses Motiv so bis zur Unkenntlichkeit ins Triviale hinein abgedroschen ist, war es erholsam und tröstlich, es so seriös musiziert zu hören - fast eine Neuentdeckung dieses Werks aus Mozarts schwerster Zeit.

Förmlich auf dieses Ensemble zugeschnitten erwies sich das Siegfried - Idyll, mit dem Wagner 1870 seiner Frau Cosima ein Ständchen zum Geburtstag bereitet hat, ihrem ersten Geburtstagsfest als seine Ehefrau. Dieses anmutige Werk dürfte von den Wiener Virtuosen in einer Art historischer Aufführungspraxis dargeboten worden sein, denn die Uraufführung fand in der Villa des frisch vermählten Ehepaares in Triebschen statt, was eine große Besetzung damals nicht zuließ. Cosimas Töchter sollen es daher auch respektlos als "Treppenmusik" bezeichnet haben. Dennoch - oder gerade wegen ihrer solistischen Besetzung - entfalteten die Wiener Virtuosen alle dem Werk innewohnenden Klangdimensionen mit eleganter Leichtigkeit.

Auch von den Wunderhorn - Liedern ist verbürgt, dass der Komponist sie eigentlich in kleinformatiger Orchesterbesetzung gedacht hat. Mahler hat selbst vom "Kammermusikton" seiner Lieder gesprochen. Nicht, dass sie sparsam instrumentiert seien, soll das heißen, sondern, dass der Ton kammermusikalisch klar und durchsichtig sein soll. Mahlers außerordentlich reicher und farbiger Instrumentation kommt eine Verschlankung des Orchesterapparats sehr entgegen und die Reduktion auf weniger, aber ganz solistisch spielende Musiker ist ein Gewinn. Zudem hat Mahler in allen Werken die Singstimme als integralen Bestandteil des Gesamtklanges angesehen, nicht als gesondert oder abgehoben. In diesem Sinne kam es in den Wunderhorn-Liedern zumeist zu einem idealen Dialog zwischen Singstimme und Instrumenten.
An wenigen Stellen schien dann aber doch der Dirigent zu fehlen, und Hampson musste selbst mit einigen Dirigierbewegungen ein weiteres Schleppen des Orchesters auffangen. Auch zeigte er selbst an einer nicht unwichtigen Stelle eine kleine Unsicherheit im Text, indem er zwei Verse verwechselte. Aber solche Patzer sind der Preis des Eindrucks, das ein Livekonzert jeder CD voraus hat. Vorausgesetzt es stimmt sonst alles. Auch St. Martha, der besten Köchin im Himmel, wird vielleicht einmal ein Gericht nicht ganz perfekt gelingen. Aber ihre Menues werden dessen ungeachtet Sternstunden der himmlischen Kochkunst bleiben - so wie dieses Konzert eine Sternstunde der musikalischen Interpretation genannt werden kann.




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Da capo al Fine

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