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Freitag, 08. Juni 2001
Hessischer Rundfunk - Sendesaal, Frankfurt
Forum Neue Musik
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Volker Staub *1961
Suarogate Version 0601 (1994-2001)
(für Vokalquartett, Flöten, Posaune, Stahlsaiten und Schalginstrumente

John Cage 1912-1992
Four6 (1992)
für vier Interpreten

Johannes Fritsch *1941
Kernspin (2000)
für Schlagzeug und Tonband
Yokohama (2001)
für vier Sänger, Flöte, Posaune, und zwei Schlagzeuger



Ensemble Volker Staub und Gäste
Gundula Anders: Sopran
Susanne Otto: Alt
Eric Mentzel: Tenor
Ekkehard Abele: Bass
Eberhard Blum: Flöten
Ivo Nilsson: Posaune
Johnny Axelsson: Schlaginstrumente
Michael Weilacher: Schlaginstrumente
Volker Staub: Stahlsaiten
Johannes Fritsch: Klangregie

In der Ruhe liegt die Kraft

Werke von Volker Staub, John Cage und Johannes Fritsch im Forum Neue Musik des Hessischen Rundfunks

Von Andreas Höflich



Cover

Grenzen sehen, sie mit Bestimmtheit überschreiten, oder das Getrennte zu verbinden suchen, darin liegt – neben vielem anderem – der Reiz sogenannter "Neuer Musik". Im Rahmen des "Forum Neue Musik" des Hessischen Rundfunks - einer Reihe, die sich ganz der Neuen Musik verschrieben hat - wurden diese Grenzen immer wieder deutlich und gleichzeitig verwischt. Das "Ensemble Volker Staub", das sich speziell für dieses Konzert bildete, brachte zuerst eine Komposition des Nahmengebers zu Gehör. Bei Staubs "Suarogate Version 0601" handelt es sich um ein "work in progress", bei dem vorher entstandene Werkteile je nach konzertanten oder instrumentalen Bedürfnissen zu einer neuen Form verwoben werden. Die Besetzung bestand dieses mal aus Blasinstrumenten, Vokalquartett und Perkussion. Zentrale Instrumente in Staubs Suche nach neuen Klangformen sind unbehandelte Baumstämme und sich über die ganze Bühne spannende Stahlsaiten, die in unterschiedlichster Weise zum Schwingen gebracht werden. Die Stahlsaiten werden über Ölfässer geführt, die als Resonanzraum genutzt werden. Die Saiten werden mit dem Geigenbogen gestrichen oder mit Stöcken angeschlagen. Die Baumstämme bilden den Hauptpart an perkussiven Elementen. Mit Holzstöcken an verschiedenen Stellen angeschlagen, entfalten sie die unterschiedlichsten Klangfarben. Ebenso eine Art Flaschenorgel ist zu hören. Bauchige Flaschen sind nach Tonhöhe an Seilen aufgehängt und werden mit Schlagzeugstöcken angeschlagen.
Dabei ergeben sich immer wieder feine Nuancierungen zwischen den Instrumenten. Die Flöte tritt in einen Dialog mit den Flaschen, wobei sich eine meditative Stimmung verbreitet. Die Posaune tritt gegen eine Ölfasstrommel an. Das Vokalquartett singt keine erkennbaren Wörter sondern nur Laute und Vokale. Die Grenze zwischen Klang und Geräusch wurde schon hier angedeutet.

Cover

Völlig emanzipiert hat sich das Geräusch in John Cages "Four6", ebenso wie sich die Indeterminiertheit der Kompositionstechnik Bahn bricht. "Four" gehört zu der Gruppe von Cages Kompositionen, die allein durch die Anzahl der Spieler benannt werden. Diese vier Spieler wählen jeder seine eigenen zwölf Töne mit spezifischer Charakteristik. Die Ausführung ist in sogenannten Zeit-Klammern jedem Interpreten freigestellt. Bei dieser Aufführung wählten die Interpreten Perkussion, Schlagwerk, Posaune, Flöten und diverse Gegenstände. Durch die in der Komposition immanent gewordene Zen-philosophische Unbestimmtheit und Kontemplation ist jedes Detail gleich wichtig. So ist das Zerknüllen und Rascheln von Papier, Erbsen in einer Trommel und das Atmen durch eine Posaune derart intensiv zu hören, dass jedes dieser Geräusche seinen eigenen Klang im Raum entfaltet. Die profansten Geräusche (das Blubbern von Luftblasen in einem Wasserglas) werden zu Klangereignissen erhöht und die Maxime der Neuen Musik - es gibt keine hierarchische Beziehung von Klang und Geräusch - so plastisch dargestellt.

Cover

Das Ausgeliefertsein des Menschen gegenüber der Technik behandelt "Kernspin" von Johannes Fritsch. Durch die eigene Grenzerfahrung einer Kernspintomographie angeregt, tritt ein Schlagzeuger gegen elektronische Spektren an. Wie der unbewegliche Körper in der medizinischen Anwendung auf die Spektren zu reagieren versucht, so (re)-agiert der Schlagzeuger mit den pulsierenden Klangflächen und Impulsen des Tonbandes. Mit aberwitzigen Schlagzeug- und Perkussionsfiguren vermittelt er die Reaktion des Körpers auf die Impulse und lauten Klangspektren des elektronischen Teils der Komposition, die denen der Kernspintomographie nachempfunden sind, und denen der Mensch in der modernen Medizintechnik ausgesetzt ist.
"Yokohama", das in diesem Konzert uraufgeführt wurde, ist ein weiterer Versuch Fritschs, Eigenes und Fremdes zu vermitteln. Durch das ganze Werk Fritschs zieht sich die Affinität zur fernöstlichen Welt, speziell Japan. Die wenigen Textfragmente (Yokohama, Zipangu - die alte Bezeichnung für Japan und eine Shakuhachi-Komposition, die auch zitiert wird, Iwa Shimizu), werden von den Sängern immer wieder repetiert, gesprochen oder gezischt. In der szenischen und musikalischen Interaktion wird japanische Musik mit westlichen Elementen vermischt. Folgt das Vokalensemble dem westlichen Musikduktus, werden in der Flöte und den Schlaginstrumenten asiatische Idiome, aber ebenso in den Marimbaphonen westlich anmutende, rhythmisch verschobene Strukturen verwendet. Die Sänger werfen Glaskugeln in mit Wasser gefüllte Gläser und weisen dabei den Weg von der Kunst zurück zur Natur. Dabei entsteht wie im No-Theater eine Interaktion von Rufen und Gegenrufen, ein aus Atem, Geräusch und Klang sich bildendes Konglomerat aus verschiedenen Einflüssen.
Die Grenzen von Klang und Geräusch, Bestimmtheit und Unbestimmtheit, Mensch und Technik, westlicher und östlicher Kultur, werden hier deutlich gemacht und gleichzeitig überwunden. Ein Abend voller Musik, die zum konzentrierten Zuhören verleitet und den Zuhörer in ihrer Reduziertheit auf sich selbst zurückwirft. Man kann sich der suggestiven Kraft dieser Kompositionen nur schwer entziehen. Durch die Reduzierung der Klangereignisse wirkt jedes noch so kleine Detail nur noch stärker. Morton Feldmann, der unter anderem mit seinem Klavierstück "Triadic Memories" die Ebene der vorgefertigt mundgerechten Konzerte am radikalsten aufbricht, zielt auf ein Sich-Vergessen des Zuhörers und des Interpreten. Die Musik von Staub, Cage und Fritsch richtet ihr Augenmerk mehr auf die Konzentration. Nicht durch extreme Länge, sondern durch Reduzierung des Klang- Geräuschmaterials wird der Zuhörer aufs tiefste berührt.





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