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26.11. 2000
Historische Stadthalle Wuppertal
1. Chorkonzert

Das Requiem zum Totensonntag

Benjamin Britten
War Requiem op. 66

Roberta Alexander, Sopran
Christian Elsner, Tenor
Erin Caves, Bariton
Chor der Konzertgesellschaft (Einstudierung: Marieddy Rossetto)
Essener Domsingknaben
Sinfonieorchester Wuppertal

George Hanson, Leitung

Brittens "War Requiem" zum Totensonntag
1. Chorkonzert mit störenden Nebengeräuschen

Von Ralf Jochen Ehresmann



Es ist die Zeit der Requien und Totengedenkfeiern allerart, die auch die Programmgestalter in Wuppertal veranlasste, in ihrem per Plakatankündigung ausdrücklich als "Konzert zum Totensonntag" angekündigten 1. Chorkonzert Brittens War Requiem zu Gehör zu bringen, nachdem erst tags zuvor am selben Orte das Requiem von Hector Berlioz aufgeführt worden war.

Der ungewöhnlichen Anlage des Werkes, die Heike Janssen-Beutner im Begleitheft als "Kombination von Oratorium und Liederzyklus?" bezeichnet, entsprach die Sitzordnung der MusikerInnen, die im innersten Kreis um das Dirigentenpult ein Kammerensemble positionierte, ein Streichergesamtquartett vor den Violinen, daneben Holzbläser vor den Celli, dazwischen eine Pauke, ferner die Harfe diesmal rechts, an deren gewöhnlichem Standort die Solospranistin sang, näher am Chor als ihre Kollegen, doch dabei mitten in den Instrumenten.
Auch teilte sie des Chores Sprache, dem die liturgischen Textteile anvertraut waren, derweil die Herren die englischen Gedichteinwürfe aus Wilfred Owens Feder untereinander aufteilten. Dadurch kam es naturgemäß auf ihre Stimmkraft noch viel mehr an, was dann für Roberta Alexander genau jene Steilvorlage bot, die sie brauchte, um in voller Kraft zu strahlen.
Erin Caves als Bariton produzierte herrlich lyrische Cantilenen, die gelegentlich auch etwas voluminöser hätten ausfallen dürfen, während es dem Tenor Christian Elsner nicht recht gelingen wollte, eine gewisse Steifheit zu überwinden.
Trotzdem ist allen gleichermaßen zu bescheinigen, ihren Part mindestens gut gemacht zu haben, ein dickes Lob auch für die BlechbläserInnen, die ihr Bestes gaben.

Da der Chor der Konzertgesellschaft noch immer eine bühnenfüllende Stärke aufweist, waren die Essener Domsingknaben auf der linken Empore postiert worden, was der Schallverbreitung ihrer sehr sauber und gut verständlich vorgetragenen Passagen nicht eben hilfreich war, aber wohl nicht anders ging. Überhaupt sang der Chor sehr intonationssicher und prononciert, beeindruckend die rhythmische Präzision gerade der Männer im "Dies irae", nur vom Blech begleitet oder bei "Confutatis maledictis". Chor und Orchester erreichten ein durchweg ausgewogenes Klangbild, woher sich jene einheitlich-homogene Stimmung verdankt, die das ganze Stück durchzieht und die seiner unspektakulösen Werkanlage gut entspricht. Dabei ist die Textverständlichkeit naturgemäß durch die rege Rhythmik stark eingeschränkt, war aber in den homorhythmischen Passagen durchaus gut.
Unbestrittener Glanzpunkt war das "Sanctus": Nur vom Metallschlagwerk begleitet steuert die Sopranistin einen glasklaren Glockenton bei, bevor der Chor ein flimmerndes Gemurmel der himmlischen Heerscharen erhebt und dabei herrlich crescendiert.
Die zahlreichen Solostellen wurden von der Konzertmeisterin souverän gemeistert und waren dort gut aufgehoben.
Die im Programmheft wiedergebene Übersetzung scheint ausweislich des Copyrighthinweises von DECCA übernommen zu sein und springt in der Wiedergabe der lateinischen Teile stilsprengend zwischen wörtlicher 1:1-Übersetzung und Zitaten aus der versweisen Nachdichtung aus der Romantik.

Leider war die Aufführung erheblichen Störungen ausgesetzt. Es begann mit einem lang trillernden Handy, ging dann aber vorrangig aus von einem offenbar stark alkoholisierten Besucher, der zwischen Fingerschnipsen, Zwischenklatschen und Gerülpse auch Bierflasche und Flachmann geräuschvoll öffnete, ferner eine halbe Prinzenrolle verzehrte und seine Krücken mehr als einmal umstieß. Das Toleranzprogramm erhielt somit ganz ungeplant sein erstes Projekt, freilich kein ermutigendes. Dies hatte wiederum einige ältere Damen zur Flucht veranlasst, die dann auf die Suche nach neuen Plätzen gingen. Soviel Krach war schon fatal bei einem Werk, das über weite Teile piano verläuft, was übrigens dem Chor ebenfalls auffällig gut gelang und teilweise sitzend vorgetragen worden ist. Die große Apotheose mit vorausgehender Steigerung und dem einzigen Tutti beider Chöre, der Solisten und des Orchesters verlieh dem Konzert einen würdigen Ausklang, der aber ärgerlich beschädigt wurde durch das eruptive Gelächter oben genannten "Zuhörers".

Fazit:
Sicher war es eine gelungene Idee, die Aufführung genau dieses Werkes unter der Schirmherrschaft des Oberbürgermeisters der "Wuppertaler Initiative für Toleranz und Demokratie" zu widmen. Angesichts dessen wäre es sicher angemessen, das Podium noch etwas stärker zu internationalisieren, v.a. Richtung Osteuropa, und damit auch einen Herzenswunsch des Komponisten zu erfüllen, den Britten bei der Uraufführung im Mai 1962 nur teilweise hatte umsetzen können. Möge der Friedensgedanke befördert werden auch durch Werke der Kunst, die eine mutige Stellungnahme nicht scheuen.




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