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Volodos kommt ins Guinnessbuch...und vielleicht auch in Teufels Küche. Kritische Anmerkungen zu einem Konzert in Wuppertal Von Oliver Kautny
In diesem beschleunigten Rausch sind sogenannte Hexenmeister, Teufelsgeiger und Tastenlöwen gefragt. Ihnen wird seit Liszt, Paganini, Caruso oder Callas immer wieder nachgesagt, mit übermenschlichem künstlerischen Genie ausgestattet zu sein. Der 28jährige Russe Arcadi Volodos will heute dieses romantische Erbe antreten. Wie man bei seinem Wuppertaler Meisterkonzert bestaunen konnte, ist Volodos wirklich ein Teufelskerl. Die Technik ist verzaubernd, so dass es wirklich kein Wunder ist, allenthalben vom neuen Hexer an den Tasten zu lesen. Verhext ist aber, daß nicht eben nicht alles Gold ist, was da glänzt. Volodos Schumann etwa war reichlich durchwachsen. In diesem Mix technischer Feinheiten und sehr beschaulicher Momente störten einige Mißtöne doch sehr. Es war vor allem ein Konzept, das man vermißte. So emotional die gute alte russische Schule ja sein kann, so wenig durchdacht kommt sie in ihren schwachen Augenblicken daher. Wer denkt da nicht an die finsteren Momenten eines sonst genialen Emil Gilels, dessen Schumann mitunter nur so rumpelt und poltert, als sei das allein genug. Entschuldigend mag vielleicht sein, daß Volodos (wie OMM nach dem Konzert erfuhr) an einem Finger verletzt war. Dass der Pianist die Menschen aber dennoch fasziniert, liegt nicht zuletzt an seiner gelungene Perfomance, mit der er das Klischee des romantischen Genies bestens bedient. Kennen Sie Caspar David Friedrichs ‚Mönch am Meer'? Einsam, an den Grenzen zu den Naturgewalten, steht er da am Meer. Volodos verkörpert für uns wie kein anderer Künstler diesen Typus des einsamen (musikalischen) Kämpfers. Blick gen Himmel, tief versunken, Mimik schmerzverzerrt. Ein fast religiöses Ereignis: wir sitzen hier, der Künstler dort und ringt um Töne. Höhepunkt des Konzerts war sicherlich Volodos Interpretation der frühen und unvollendeten Schubertsonate. War der erste Satz vielleicht noch etwas belanglos, so bestach der zweite durch grazile Schlichtheit und vornehme Zurückhaltung. Vor allem das Menuett reichte fast an den unverwechselbaren Schubertschen Kammerton heran, für den Swjatolaw Richter unsterblich geworden ist. Absolute Referenz für alle Schubertfans ist Richters Konzert 1972 in Prag. Keiner spielt Schuberts letzte Sonate meines Erachtens derart genial (Harmonia Mundi 1994). Volodos zeigte mit Schubert, was ihn musikalisch am meisten auszeichnet. Nämlich ein technisches Vermögen, Anschlag, Artikulation und Klangfarbe so zu variieren, dass es an technische Wunder grenzt. Und dies alles aber im Dienste sensibler Musikalität! Vor allem das Non-Legato und seine Pizzicati sind wirklich bezaubernd.
Liszts Schubertbearbeitungen und Brahms Variationswerk waren noch einigermaßen gelungen, während die Horowitz-Bearbeitung von Bizets Carmenfantasie ein schlimmes Ende ankündigte. Von nun an reihten sich artistische Kabinettstückchen aneinander, die das Auditorium in Begeisterung, den Liebhaber musikalischer Differenzierung aber in Schrecken versetzte. Meine Hochachtung für diese technische Brillanz, die ihresgleichen suchen dürfte. Sie ist aber zugleich ein Fluch für diesen begabten Pianisten. Soll es vorkommen, daß ein Pianist zu gut spielen kann? Denn durch diese akrobatische Gala ersetzte Fingerfertigkeit musikalische Gestaltung.
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