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12.11. 2000
Kölner Philharmonie


Hector Berlioz
Romeo und Julia (Auszüge) op. 17
Symphonie fantastique op. 14

Orchestra of the Age of Enlightment
Sir Simon Rattle

Finale
Aus einer fernen Zeit

Von Oliver Kautny



Wir schreiben das Jahr 1830. Restaurierung einer romanischen Kirche. Historische Akribie bringt Licht ins Dunkel, alten Farben neuen Glanz, fördert Bilder ferner Zeiten zu Tage. Bilder zum Selbstverständnis einer aufklärungsmüden Epoche. Restaurierung als Restauration nostalgischer Romantik.

170 Jahre später. Alles bleibt beim sprichwörtlich Alten. Reden wir über Musik, so hat sich zwischenzeitlich wenig geändert. Das Repertoire ist romantisch, die Pfeiler des Konzertwesens sind es nach wie vor:

Mit der Romantik schien es eigentlich fast vorbei. Das war in den 1950er Jahren. Aber letztlich haben Boulez und seine Freunde die Opernhäuser dann doch nicht eingerissen, sondern sich bürgerlich gezähmt in den Konzerthäusern und Hochschulen niedergelassen. Und es kam noch schlimmer für die Avantgarde, als die romantische Ausdrucksästhetik sogar die Neue Musik wieder einholte. Zaubervirtuosen, romantische Hexer, Feen und Magier haben unterdessen ungebrochen Hochkonjunktur, und den Kritikern fällt seit Schumann, Berlioz oder Hanslick auch nichts Neues mehr ein. Das alte Spielchen der Experten, die die Unsagbarkeit der Musik geschwätzig verkünden.

Ist auch kein Wunder, mentalgeschichtlich gesehen. Leben wir schließlich nicht in modernen, gar postmodernen, sondern in durch und durch romantischen Zeiten. Über Musils Törless - der ebenso aus E.T.A Hoffmanns Feder sein könnte - sind wir lange nicht hinaus. Wer das Buch nicht lesen mag, schaue sich dies Psychogramm des postmodern-romantischen Menschen in Schlöndorffs Film an (Musik von Henze). Es gilt ja beinahe schon als Binse, daß vermeintlich postmodernes Denken (Lyotard) zutiefst romantisch inspiriert ist.

Die Pointe ist, daß sich die 200 Jahre währende Ära einer schönen Illusion hingibt. Dem Schein, sie wäre nicht sie selbst, sie würde sich verändern. "Vorwärts, Kameraden, wir müssen zurück!" . Denn alten Klöngel sammeln und archivieren, ist auf die Dauer langweilig. Man braucht Abwechslung, ohne aber Neues zu erfahren. Daher die Variation des Immergleichen, daher der Kanon der Klassiker und die hohe Kunst ihrer Interpretation. Die Meister sind naturgemäß aber in die Jahre gekommen, der Putz ist ab, ein neuer Anstrich täte gut.

Fachmann für derlei Handwerk ist der Restaurator. In der Musikpraxis ist es die historische. Eine Kapazität auf diesem Gebiet ist das Orchestra of the Age of Enlightment, das ironischerweise alte Musik restauriert, die uns konsequenterweise gar nicht alt scheint: Tschaikowsky etwa oder eben Berlioz. Und wie es das tut! Das Ergebnis ist grandios, dank der bemerkenswerten solistischen Qualitäten seiner Mitglieder, dank eines behenden, inspirierten Dirigats, das allem eine schöne Einheit gibt. Es ist der Klang, die Farbe, die durch die historischen Instrumente ungewöhnlich frisch wirken. Berlioz ist wie durch einen Filter gereinigt, das Panorama entsteht ohne optische, klimatische Trübungen. Wann hat man wirklich derart das Gefühl, das Mosaik aus Klängen leuchtend und transparent hören zu können. Rattles Vorliebe für Haydn tut Berlioz erstaunlich gut.

Genial ist aber nicht der sinnliche Aspekt des Unternehmes. Es ist die rationale Seite, die im Namen des "Age of Enlightment" Licht ins Dunkel bringt. Historisch und zugleich klassisch interpretierte Romantik erscheint uns etwa nicht deswegen so aktuell, weil sie neu, sondern wesensverwandt ist. Vielmehr zeigen uns die historischen Instrumente: Die Musik, die auf ihnen gespielt wird, ist alt, und wir sind es auch.


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